Diptam

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Auch wenn es ihr nun logisch erschien, war Hermine nie bewusst gewesen, wie viel Arbeit es eigentlich war Lehrer in Hogwarts zu sein. Je weiter die Woche voranschritt, desto mehr war sie damit beschäftigt die Aufgaben von Hubertus Greyweed zu übernehmen und viel wichtiger: sie zu optimieren.

Er sprang immer nur so hoch, wie er musste und sah nie über seine Zauberstabspitze hinaus. Es war aber auch seltsam, erfrischend sich mit ihm zu unterhalten, weil er tatsächlich absolut keinen Funken Respekt vor den Todessern hatte. Es war zugleich auch anstrengend, weil er sich für nichts interessierte, außer seinen Feierabend.

Er hatte viele Listen und einen strikten Lehrplan. Geschrieben vom Zaubereiministerium vor gefühlt hundert Jahren und von Hubertus so bearbeitet, dass die Schulleitung und das Reinblüter-Regime daran gefallen fanden. Und genau diese Listen arbeitete Hermine täglich ohne jegliche Begeisterung ab.

Die Lehrpläne hielt sie tagesaktuell, weil sie nebenbei noch das Handwerk Zaubertränke erlernen musste. Ihr fiel es nicht schwer, den Inhalt der Klassen eins bis fünf zu vermitteln oder gar zu verstehen. Die höheren Klassen jedoch, gerade wenn es um ZAG und UTZ Niveau ging, musste sie intensiver vorbereiten und steckte mit dem Kopf bis zur Erschöpfung in den alten Folianten und Aufzeichnungen von Severus Snape – auch wenn Hubertus nichts davon hielt.

In ihrer ersten Woche als offizielle Assistentin und Novizin von Hubertus, hatte sie viele Schüler kennengelernt und beobachtet. Robert und Helena waren von allen bisher ihre Lieblinge gewesen, aber am Donnerstag war der Unterricht mit den Drittklässlern dran und es gab eine Hufflepuffschülerin namens Infina Turpin, die Hermines erkaltetes Herz antaute. Und dass, obwohl sie seitdem sie wusste, dass ihre Eltern tot waren, eigentlich dachte, dass das Organ verkümmert und nur noch zum Antrieb ihres Systems hinter ihren Rippen verweilte.

Infina war klein und von unscheinbarer Statur, aber durch ihre mutige und fröhliche Art in ihrer Klassenstufe offenbar sehr beliebt.

Es war das erste Mal, dass Hermine beobachtet hatte, wie eine Schülerin öffentlich etwas gegen Hubertus Greyweed Unterrichtsmethoden sagte.

»Hat meine Cousine etwa vollkommen umsonst ein Auge im Krieg verloren, nur damit wir hier letztendlich doch nichts lernen? Die Verdummung der Reinblüter Teil Zweihundertsechsundfünfzig! Willkommen alle zusammen!« Sie verbeugte sich und die Slytherinjungen hinter ihr feuerten sie lautstark an. Hubertus erstickte den kleinen Aufstand im Keim und halste ihnen allen anschließend eine siebenseitige Strafarbeit auf.

Hermine saß (wie immer) artig an ihrem Arbeitsplatz und wartete, bis Hubertus wieder mit sich und seinen Sportwetten beschäftigt war, denn das war es nämlich, was er im Unterricht so akribisch ausrechnete – Wahrscheinlichkeiten und Gewinnchancen der regionalen Quidditch-Mannschaften.

Immer wenn sie das Gefühl hatte, dass sie es nun wagen konnte, das Ruder zu übernehmen, tastete sich Hermine an die Schüler heran, erledigte die Aufgaben vor den Augen der Klasse und gab Tipps. Sie lernte und vermittelte das Gelernte in einem Zug. Das war unkompliziert, aber funktionierte nur in den praktischen Unterrichtsstunden, nichtsdestotrotz hatte sie dabei großen Spaß.

Normalität inmitten einer Gesellschaft, für die sie nicht mehr wert war als ein Hauself.

Am Freitag, nachdem die Sechstklässler nach dem Unterricht erschöpft, aber zufrieden in die Mittagspause gingen, erschien das dampfende Mittagsessen auf die Minute genau auf dem Schreibtisch in ihrem Büro. Mittlerweile nahm sie jede Mahlzeit hier ein – wie Hubertus.

So unterhielten sich die zwei jeden Tag und Hermine konnte ungestört in ihren Büchern blättern, während sie sich das köstliche Essen schmecken ließ.

Hubertus hatte es an diesem Freitag besonders eilig in sein wohlverdientes Wochenende starten zu können und verputzte sein Mittag so schnell, dass Hermine noch nicht mal mit der Hälfte ihres Tellers fertig war, als der Beamte auch schon wieder auf seinen zwei Beinen stand, seine teuer aussehende Ledertasche packte und einen hektischen Blick zur Uhr über der Tür warf.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt