Paulas Plan

Kapitel 4

Aurelia - das erste  Jahr

Nun, die Hochzeitsreise stand immer noch aus, auch andere Urlaube hatte es bisher noch nicht gegeben. Stefan hatte so viel zu tun! Oft kam er erst am frühen Morgen nach Hause, manchmal auch gar nicht, hatte er durcharbeiten müssen.

Er ging nie mit ihr auf Partys, schlief immer seltener mit ihr. Dafür sprach er öfter von Kindern, von Erben, von einer Familie.
Sie verheimlichte ihm, dass sie die Pille nahm, dass sie noch nicht bereit war, ein Kind zu bekommen.

So manches Mal saß sie alleine in dem riesigen Haus, schaute Serien, chattete mit Freunden. Hin und wieder kam Sophia vorbei, manchmal ging sie mit der Freundin zum Shoppen. Stefan hatte ihr eine Kreditkarte ohne Limit zur Hochzeit geschenkt, was sie total süß gefunden hatte.
Was für ein aufmerksamer Ehemann er doch war!

Ihren Treuhandfond hatte die Großmutter mit einer Klausel abgesichert, dass das Geld nur für ein Studium verwendet werden dürfte.
Die alte Hexe!
Aber Stefan war schließlich Millionär! Da braucht sie die Kohle der Alten nicht!

„Willst du nicht studieren?" fragte Sophia sie einmal. „Willst du nicht etwas aus deinem Leben machen?"

„Ich bin eine verheiratete Frau! Ich habe genug um die Ohren!" antwortete Aurelia. Warum Sophia sie wohl so seltsam angesehen hatte? Sie studierte BWL, um in die Firma ihres Vaters einsteigen zu können, und sie liebte es!

Aber sie selbst müsste ja erst einmal das Abi nachholen – und darauf hatte sie gar keinen Bock!
Auch Stefan hatte sie einmal gefragt, was sie denn für die Zukunft vorhatte, aber sie hatte nur ihren süßesten Schmollmund gemacht und geantwortet: „Ich will nur dich glücklich machen, mein Süßer!"

Er hatte sie angelächelt, aber er war sehr müde gewesen an diesem Abend!
Dann hatte er auch noch mal weggemusst, mitten in der Nacht. Sie hatte sich die Nägel frischlackiert und die neuesten Klatsch- und Tratsch-Meldungen im Internet angesehen. Damit konnte sie ihn unterhalten, beim Frühstück oder wenn er von der Arbeit kam. Er hatte sicher Spaß dran! Selbst hatte er ja keine Zeit, sich zu informieren.

Und es war doch amüsant, wen der Bachelor nach Hause geschickt hatte, oder wer im Sommerhaus der Stars Ärger gemacht hatte. Da hatte er dann auch immer ein Thema bei seinen langweiligen Geschäftsessen.

Sie wäre so gerne mal mitgegangen!
Hätte so gerne mal wieder Leute getroffen!

Sie war in ihrer Clique sehr beliebt gewesen, weil sie so schlagfertig und immer gut drauf war.
Gewesen? dachte sie.
Ja! Tatsächlich! Sie hatte schon ewig niemanden mehr von den jungen Leuten getroffen, mit denen sie immer abgehangen war.

Alle waren fürchterliche Streber geworden, studierten irgendwelche seltsamen Fächer, obwohl es doch keiner von ihnen nötig gehabt hätte!

Keiner lebte mehr richtig! Keiner und keine war mehr lebendig! Lauter Zombies!
Sie schenkte sich noch ein Glas Wein ein, zappte durch die Programme.
Wie wunderbar doch dagegen ihr Leben war!
Ihr Leben als Stefans Frau!

Sie holte sich eine Portion Eis, die sie genüsslich schleckte, danach eine Tüte Erdnussflips, dann eine Tafel Schokolade.

Stefan störte nicht, dass sie seit der Hochzeit fünf Kilo zugelegt hatte. Er liebte sie auch etwas pummeliger!
Allerdings sah er so fantastisch aus! Irgendwie hatte er wohl noch immer Zeit, ins Fitness-Studio zu gehen.

Wahrscheinlich in den Mittagspausen.
Wahrscheinlich wollte er gut aussehen für sie.

Er war schließlich zehn Jahre älter.
Vielleicht nahm er sie ja mal mit?
Vielleicht sollte sie sich ein paar Geräte für zu Hause anschaffen?

Morgen würde sie mit ihm darüber sprechen.
Jetzt wollte sie sich erst noch ein Glas Wein gönnen!
Dann den Joint rauchen, den Sophia ihr besorgt hatte.
Sie wäre dann besonders gut drauf, wenn er nach Hause kam, ihr Traummann!

Stefan - das erste Jahr

Stefan genoss die zwei Wochen in Singapur. Die Abschlüsse waren schnell gemacht, die Meetings mehr als erfolgreich. Sein Vater würde stolz auf ihn sein.

Seine Geschäftspartner hatten ihn in ein Etablissement mitgenommen, er hatte die hingebungsvollen Asiatinnen sehr genossen.
Sie verwöhnten ihn so, dass er auf Koks gut verzichten konnte.

Wieder zu Hause nahm er sich ernsthaft vor, ein guter Ehemann zu werden. Er blieb bei Aurelia, hörte ihre Ausführungen zu Trash-TV-Sendungen an, tat interessiert, versuchte, sein Lachen echt klingen zu lassen, ließ auch das eine oder andere Mal eine Sendung über sich ergehen.

Er ließ das Koks in seiner Aktenmappe, trank nur ein paar Whiskeys, versuchte im Bett, sein Bestes zu geben.
Sie sollte doch schwanger werden!
Dann hätte sie auch endlich etwas zu tun.

Ein paar Mal versuchte er das Thema ihrer beruflichen Zukunft anzusprechen, aber sie wiegelte ab.
„Ich will nur dich glücklich machen!" hatte sie geantwortet und diesen dümmlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den sie wohl für sexy hielt.
Aber er schätzte eigentlich schon Intelligenz und Bildung bei Frauen, also zumindest bei seiner Ehefrau hätte er es geschätzt.

Sophia war ja auch eher ein Partygirl gewesen, aber nun studierte sie sehr ernsthaft, wollte etwas aus ihrem Leben machen.

Aber Aurelia schien überhaupt keine Ambitionen dahingehend zu haben. Er beschloss, ihr ein Jahr zu geben. Dann sollte sie entweder schwanger sein oder etwas für ihre Bildung tun.

Er war sich bewusst, dass er ihr die Hochzeitsreise noch immer schuldig war.
Aber er konnte sich einfach nicht aufraffen. Und sie sprach das Thema auch nicht mehr an, wofür er sehr dankbar war.

Nach sechs Monaten erwartete sie noch immer kein Kind, und er wurde sauer. Die Kumpels zogen ihn auf, weil er ein so braver Ehemann geworden war. Er musste wieder einmal auf die Piste.

Er startete einen Testlauf.
„Ich habe heute kurzfristig ein Geschäftsessen!" erklärte er falsch lächelnd.
Sie warf die Lippen zu diesem kindischen Schmollmund auf.
„Oh, schade! Heute kommt das Finale von DSDS!" maulte sie.

Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, aber es interessierte ihn auch gar nicht. Er musste mal wieder raus, auf die Pirsch! Er musste wieder einmal jagen!

„Tut mir leid, Süße! Ich hatte mich so darauf gefreut!" log er perfekt.
Sie streichelte sein Gesicht, strahlte ihn glücklich an.

Er küsste sie, nahm sie in die Arme.
„Na dann! Vielleicht dauert es ja nicht so lange und du siehst das Ende mit mir!" sagte sie leise.
„Ich versuche es!" versprach er und wusste ganz sicher, dass er log.

Der erste Abend im Kreis seiner Freunde seit ewigen Zeiten war phänomenal. Die Musik dröhnte in seinem Bauch, das Koks schoss durch seine Adern, die Frauen in seinen Armen versprachen den Himmel!

In seiner exklusiven Altstadtwohnung, die er zum Glück nicht aufgegeben hatte, beglückten ihn zwei wunderschöne Mädchen. Er hatte sich nicht entscheiden können, und die beiden waren einverstanden mit einem Dreier.

Von diesem Tag an bekam er langsam sein altes Leben zurück. Immer wieder delegierte er ein Meeting oder ein Geschäftsessen an seinen Stellvertreter.

„Ich muss mich mehr um meine junge Ehefrau kümmern!" erklärte er grinsend.
Der junge, ungebundene Mann sah seine Karrierechancen steigen und stimmte jedes Mal zu.
Sein Vater bekam nichts mit, er ließ ihm vollkommen freie Hand.

So war Stefan viermal pro Woche der ausgeglichene, zuvorkommende Ehemann, dreimal der junge Mann, der er liebte zu sein.
Sein Leben war perfekt.
Bis zu diesem Tag, als eine Jungfrau ihn dazu benutzte, ihr ihre Jungfräulichkeit zu nehmen.
Bis ein Blaustrumpf ihn vorführte wie einen Sechzehnjährigen!