Kapitel 19

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Stefan

Stefan saß wie paralysiert in seinem Auto, das noch immer auf dem Parkplatz der Klinik stand.
Er musste - er musste – er musste so vieles erledigen!
Aber er konnte nicht, so lange die Tränen über sein Gesicht liefen und sich nicht kontrollieren ließen.
Er war versucht, Sophia anzurufen, um sie zu bitten, den nächsten Schritt für ihn zu tun.
Aber er wusste, die Zeit der Feigheit musste vorbei sein.

Er fuhr zu Aurelias Eltern, die sich sehr über seinen Besuch freuten. Sie liebten Stefan wie einen Sohn. Zwar hatten sie ihn mehr oder weniger zu dieser Heirat gedrängt, aber nur, weil sie ihre Kleine glücklich sehen wollten, und weil sie den jungen Mann aufrichtig gern gehabt hatten.
Aurelia hatte sich nie beklagt, schwärmte in den höchsten Tönen von ihrem Ehemann, und Klaus und Sonja waren sicher, das Richtige getan zu haben.
Doch sie sahen heute, dass Stefans Gesicht aufgequollen war, schmerzverzerrt.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer, das Mädchen brachte Kaffee und Kekse.

Stefan versuchte, den Schwiegereltern schonend beizubringen, dass Aurelia in der Klinik war, weil sie trotz der Schwangerschaft immer wieder getrunken hatte.
Die Eltern waren fassungslos. „Können wir sie sehen?" fragte Klaus.

„Erst in zwei Wochen!" antwortete Stefan und berichtete von dem Gespräch mit dem Arzt.
Sonja schüttelte den Kopf. „So ein dummes Mädchen!" Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie die Anzeichen nicht erkannt hatte. Aber ihre Kleine hatte immer so glücklich gewirkt! Sie hatte nichts hinterfragt! Allerdings sollte eine Mutter so etwas spüren!

Sie umarmten Stefan, der sichtlich geknickt war. „Ihr bekommt das schon wieder in Griff!" versicherte Klaus. „Es ist gut, wie du reagiert hast! Wir sind dir sehr dankbar!"
Stefan verließ schnell das Haus, bevor er über sich selbst kotzen musste!
Dankbar! Sie waren dankbar!
Wofür?

Dass er seine junge Frau, die er zwar nicht liebte, die aber immer noch ein Mensch war, wie Dreck behandelt hatte?
Dass er alles getan hatte, um glücklich zu sein, aber keinen Gedanken an ihr Glück und vor allem an das seines ungeborenen Kindes verloren hatte?
Wofür sollte ihm irgendjemand dankbar sein?
Sie sollten ihn wegjagen wie einen räudigen Hund!
Das hatte er verdient!
Aber keine Dankbarkeit!

Vor dem Haus stand er hilflos vor seinem Wagen. Wo sollte er jetzt hin?
In seine Wohnung?
Wäre Paula schon weg?
Wieder zog sich sein ganzer Körper vor Schmerz zusammen.

Paula!
Mein Gott, Paula!
Ich liebe dich doch so sehr!
Ich wollte doch ein neues Leben mit dir!
Aber es geht nicht!
Es geht nicht!

Wieder strömten Tränen über sein Gesicht, wieder saß er lange in seinem Wagen, bis er sich einigermaßen in Griff hatte.
Es war sicherer, wenn er in sein Haus fahren würde.

Er kippte einen Whiskey, noch einen zweiten.
Ja, toll! dachte er. Du darfst dich besaufen! Aurelia sperrst du in die Klinik!
Er brachte die Flasche weg, weit weg.

Dann rief er Karsten an.
„Ich fliege also morgen! Ist alles bereit?" fragte er.
„Natürlich! Der Jet startet um zehn, die Limousine holt dich um acht ab." antwortete sein Stellvertreter.
„Wer kommt mit?" fragte Stefan.

Karsten war etwas überrascht. Das hatten sie doch alles schon vor Tagen besprochen. Er zählte die Namen der Mitglieder Delegation auf.
„Und als Dolmetscher?" Stefan erstickte fast an diesen Worte,
Wie sehr hatte er sich auf die Tage mit Paula in New York gefreut!

„Als Dolmetscher?" fragte Karsten. „Ich hatte gedacht, du willst Paula dabei haben!"
„Nein!" Stefans Antwort kam schnell, zu schnell.
Karsten schluckte, wusste jetzt gar nicht mehr, was Sache war. Der Junior machte ihn eigentlich im Moment ziemlich wütend. Hatte er schon wieder einmal genug von seinem Spielzeug?

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt