Epilog

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Der Prozess gegen Johnny Reber war zu Ende. Sieben Jahre und zwei Monate hatte der Richter in seinem Urteil verhängt.
Leo als Vertreter der Nebenklägerin war ebenso zufrieden wie der Staatsanwalt.
Manuel führte Aurelia aus dem Gerichtssaal. Die vergangenen Wochen hatten ihr sehr zugesetzt.

Immer wieder hatte er heute die Blicke bemerkt, die sie diesem Dr. von Berneck zugeworfen hatte, der sie aber konsequent ignoriert hatte.
Wahrscheinlich war das die ganze Zeit so gewesen.
Manuel hatte eine ziemliche Wut auf den Typen. Der war ja nicht gerade unschuldig an Aurelias Schicksal. Zumindest empfand er das aufgrund ihrer Erzählungen so.
Aurelia war seit einem halben Jahr in Deutschland, wohnte bei ihren Eltern, die sich überraschenderweise bereit erklärt hatten, sie bei sich aufzunehmen.

Er hatte sie sehr vermisst während dieser sechs Monate, sie hatten viel telefoniert und geskypt.
Zur Urteilsverkündung hatte er sich frei genommen, war zu ihr geflogen, um ihr beizustehen.

Sie waren die ersten, die auf den Flur hinaustraten. Aurelia wischte sich die Augen trocken, doch die Tränen waren nicht zu stoppen.

Da hörten sie eine weibliche Stimme. „Aurelia? Warten Sie bitte?"
Manuel drehte sich um, sah die neue Frau an der Seite des Firmenbosses wütend an. Wollte die sich anmaßen, Aurelia noch mehr fertig zu machen?
Das würde er nicht zulassen!

Doch die Andere sah ihn und seine Freundin bittend an. Aurelias Blick war nicht ängstlich oder abwehrend, was er erleichtert feststellte.

Sie erinnerte sich vielmehr an die Worte, die die schöne junge Frau ihr damals zugeflüstert hatte, als sie ihren Sohn verkauft hatte: „Passen Sie auf sich auf! Sie haben nur ein Leben!"

Sie hatte das für blödes Geschwafel gehalten, erst sehr spät die Wahrheit dahinter erkannt.

Paula hatte sie eingeholt, griff nach Aurelias Hand. „Ich bin froh, dass Sie das alles auf sich genommen haben, damit er nicht ungeschoren davon gekommen ist!" sagte sie leise.
Aurelia Augen liefen schon wieder über, sie war unfähig, eine Antwort zu geben. Nur ein Nicken brachte sie zustande.

Und dann stellte Paula die Frage, die ihr beinahe das Herz abdrückte, die sie aber unbedingt stellen musste: „Möchten Sie Adrian sehen?"

Aurelia schüttelte den Kopf. Nein! Das wollte sie nicht! Sie hatte keine Beziehung zu diesem Kind, wollte jetzt auch keine mehr aufbauen. Es ging dem Kleinen gut, wie und wo er lebte. Ihre Eltern hatten ihr das mehrmals versichert.

Sie hatte das Recht, seine Mutter zu sein, verwirkt, als sie diese Pillen geschluckt hatte. Und Paula, diese Bitch, die sie so gehasst hatte, war an ihre Stelle getreten. Und es war gut so. Für alle.

Stefan stand etwa abseits, beobachtete die Szene, verstand jedes Wort. Er mischte sich aber nicht ein. Sein Mädchen würde das alleine hinkriegen. Er wusste, dass dieses Gespräch für Paula wichtig war.

Er hegte auch keinerlei Groll mehr gegenüber Aurelia. Zu gut war er sich in den letzten Monaten klar darüber geworden, wie viel Mitschuld er an allem hatte.
Er war ein überhebliches Arschloch gewesen, das sich alle Rechte herausgenommen hatte, weil er ein Mann war, weil er es konnte.
Er war ihren Blicken aus Scham ausgewichen.

Doch nun, da Paula diese menschliche Größe gezeigt hatte, musste er sich auch der Situation stellen. Er hätte sich sonst nicht mehr im Spiegel in die Augen sehen können. Er ging auf die Dreier-Gruppe zu, streckte seiner Exfrau die Hand entgegen. „Verzeih mir, Aurelia!" stieß er heiser hervor.


Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt