Kapitel 6

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Paula

Paula saß in dem winzigen Büro, das man ihr, der Anfängerin, zugewiesen hatte.
Sie war vollkommen aufgelöst vor Freude an ihrem ersten Arbeitstag im Verlag angekommen, hatte die wirrsten Vorstellungen davon gehabt, wie man sie begrüßen würde.

Doch schwer enttäuscht hatte sie sich in diese bessere Abstellkammer bringen lassen, die Chefin hatte ihr einen Stapel amerikanischer Manuskripte hingeknallt.
Seitdem las sie den größten Schund, versuchte der primitiven Sprache etwas Schliff zu geben.

Ihre Gedanken schweiften ab.
Na, da hätte sie nicht so viel Geld für schicke Klamotten ausgeben müssen, auch der Friseurbesuch war eigentlich für die Katz gewesen.

Seufzend zwang sie sich, die konfuse Geschichte weiter zu übersetzen, auch wenn sie sich innerlich schüttelte.
Hatte denn niemand in einem Lektorat diese ganzen Widersprüche im Text bemerkt?
Angeblich war die Verfasserin eine amerikanische Bestsellerautorin.

Da kamen ihr die Worte des hübschen Mannes wieder einmal in den Sinn: „Du solltest dich noch einmal bewerben! Wenn das dein Traum ist, solltest du ihn nicht so schnell aufgeben!"

Sie hatte viel an ihn gedacht in den letzten Tagen, warum auch immer!
Sie war auch noch einmal in einer Disco gewesen, in einer anderen natürlich. Es war nicht so frustrierend abgelaufen wie beim ersten Mal. Sie hatte sich anders anzogen, geschminkt, ihre Haare waren mit Gel gestylt, wie der Friseur es ihr gezeigt hatte.

Dieses Mal hatte sie schon einige Jungs auf sich aufmerksam gemacht, aber sie hatte keine Lust gehabt, einen abzuschleppen oder sich von einem abschleppen zu lassen.
Sie hatte nicht einmal Lust auf einen Kuss oder ein bisschen Fummeln gehabt.

Der hässliche Gnom, der sie so hatte auflaufen gelassen hatte, baggerte sie am energischsten an. Sie schenkte ihm den verwunderten und überheblichen Blick, den sie von ihm bekommen hatte.

So! Zurück, Gedanken! befahl sie sich.

Den Hübschen würde sie sowieso nie wieder sehen! Das wäre ja auch zu peinlich! Wenn er seinen Freunden von ihrer Anmache und dem Ergebnis erzählte, würde sie im Boden versinken!

Jeden Tag fiel es ihr schwerer, in den Verlag zu gehen und diesen ganzen zu Papier gebrachten Schrott zu übersetzen.
Jeden Tag war sie kurz davor, sich wirklich noch einmal bei dem Weltkonzern zu bewerben.
Aber immer wieder verließ sie der Mut.

Außerdem konnte sie nicht so schnell aufgeben. Sie musste sich da durchbeißen.
So wie sie sich in der Zeit der Trauer nach dem Tod der Eltern durchgebissen hatte.
So wie sie sich durch das Studium durchgebissen hatte.

Sie war kein Typ für leichte Wege.
Sie war eine Kämpferin.

Ihr Dad hatte sie dazu erzogen.
Er würde missbilligend den Kopf schütteln, wenn sie hinschmiss.
Es würde besser werden.
Sie würde aufsteigen, wenn sie gute Arbeit ablieferte.

Dann wurde sie zur Chefin gerufen. „Ich habe gedacht, Sie sind Übersetzerin?" fuhr die sie an.
Paula wusste nicht, worauf die strenge Frau hinauswollte, sah sie deshalb nur verunsichert an.
„Sie haben Manuskripte bekommen, die sie ins Deutsche übersetzen sollten, nicht neu schreiben!" erklärte die Abteilungsleiterin scharf.

„Aber der Stil war so schrecklich!" versuchte Paula sich zu verteidigen.
„Und das können Sie beurteilen? Das ist der Stil, der gelesen wird! Das Buch war ein Nummer-1-Bestseller in Amerika!" bekam sie als scharfe Antwort. „Wenn Sie weiter so selbstherrlich vorgehen, wenn ich jede Seite Korrektur lesen muss, wird Ihre Zeit bei uns sehr begrenzt sein!" Damit entließ sie Paula.

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt