Kapitel 11

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Stefan

Stefan wartete in seinem Büro, bis die Delegation abgefahren war. Normaler Weise verabschiedete er sich von allen, dankte ihnen für ihren Einsatz. Doch heute hatte er sich nur zu Karsten geschlichen, ihm Grüße an die anderen ausgerichtet. Der hatte zwar etwas verwundert dreingeschaut, aber Stefan konnte es nicht ändern
Vor ihrem ersten großen Einsatz durfte sie ihn auf keinen Fall sehen.

Er konnte sich freier in seinem Unternehmen bewegen, so lange sie weg war. Er nahm sich wieder mehr Zeit, um mit seinen Mitarbeitern einen Schwatz auf den Fluren zu halten. Der eine oder andere hatte sich schon gewundert, warum der Junior in den letzten Wochen immer so kurz angebunden gewesen war. Oft hatte er direkt einen gehetzten Eindruck gemacht.

Abends versuchte er pünktlich nach Hause zu kommen. Aurelia hatte zum Glück ihre Kochanfälle überwunden, die Haushälterin versorgte sie wieder mit genießbaren Gerichten.

Stefan achtete genau darauf, dass sie sich gesund ernährte. Alle Chips- und Flipstüten sowie die Berge an Schokolade hatte er entsorgt, dafür Berta angewiesen, Fruchtjoghurt zuzubereiten, Kuchen aus Vollkornmehl zu backen, seiner Frau mittags Salat zu servieren.

Den Weinvorrat hielt er sicherheitshalber unter Verschluss.
Er hatte auch beide Mütter gebeten, sehr diplomatisch natürlich, sich um Aurelia zu kümmern, sie zu den Untersuchungen zu begleiten. Mit Sophia konnte er offener reden, sie würde auch ein Auge auf seine Frau haben.

Manchmal musste er tief einatmen, bevor er die Haustüre aufsperrte. Er wollte den Augenblick, in dem sie ihm kreischend um den Hals fiel und ihn „Süßer" nannte, möglichst lange hinauszögern.

Die Abende zogen sich ermüdend lange hin. Manchmal erbarmte sie seine Schwester, sie beide zu besuchen. Dann machten sie irgend ein albernes Partyspiel zusammen, doch die Zeit verging so wenigstens etwas schneller.

Highlight der Woche war der Dienstag, wenn er sich mit Mick traf, entweder in seiner Wohnung oder bei seinem Kumpel, wenn dessen Verlobte mit ihren Mädels unterwegs war. Sie führten Männergespräche, das Aufreißen war kein Thema mehr, bei beiden nicht!

An diesen Abenden bat er Berta immer, länger zu bleiben, um seine Frau zu unterhalten, wie er es nannte. Aber die ältere Frau wusste genau, dass sie sie eher bewachen sollte, damit die keine Dummheiten machte.

Täglich rief er Karsten in Argentinien an, unter dem Vorwand, er wollte informiert sein über das Voranschreiten der Verhandlungen. Aber sein Stellvertreter wunderte sich, dass er dann doch relativ uninteressiert klang, keine Nachfragen stellte, keine Tipps gab. Und noch mehr wunderte er sich, dass am Ende jeden Gespräches immer die gleiche Frage kam: „Wie macht sie sich?"

Beim ersten Mal fragteKarsten noch: „Wer?"
„Die Becker!" stieß Stefan hervor.
Paula natürlich! dachte er.

„Ah! Paula! Mannomann! Die hat es vielleicht drauf!" Und er schwärmte von da an jeden Tag von ihren herausragenden Fähigkeiten.
Und Stefan hätte ihm die ganze Nacht zuhören können, wie er schwärmte!
Er sah sie vor seinen Augen, wie sie mit blitzenden Augen all die Männer zur Räson rief, wie sie in Sekundenschnelle Zusammenhänge durchschaute, wie sie verhandelte und vermittelte.

Er kannte sie kaum, wusste nichts von ihr, und kannte sie doch besser als jeden anderen Menschen zuvor, wusste mehr von ihr als er von jedem anderen Menschen wusste.
Und er wusste nach den zwei Wochen, dass er sie liebte, dass er sie bekommen musste, nicht nur ins Bett, sondern in sein Leben.

Er würde mit ihr sprechen, würde ihr alles erklären, sie würden einen Weg finden.

Karsten sinnierte nach den Telefonaten immer eine Weile. Seltsam, diese Interesse des Juniors an Paula. Aber wahrscheinlich fühlte sich Stefan einfach verantwortlich für sie, weil er sie ja in die Firma gebracht hatte, mehr oder weniger.
Und er hatte ein gutes Händchen gehabt, als er das getan hatte.

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt