Kapitel 36

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Aurelia und Johnny

„Johnny! Der ist gemein! Hau ihm eine rein!" forderte sie.
Der wollte sich natürlich von seiner besten Seite zeigen, so lange sie die Kohle noch nicht hatten. Der Kinnhaken traf Stefan aus dem nichts und knockte ihn aus. Er stürzte wie ein gefällter Baum um, schlug mit dem Kopf gegen die Kante des niedrigen Tischchens.
Blut sickerte aus einer Wunde am Hinterkopf.

Jetzt bekam auch der tumbe Johnny Angst. Er schlug ihm auf die Wange, schüttelte ihn, nichts.
Er fühlte den Puls, der schlug zum Glück regelmäßig. Er legte ihn in stabile Seitenlage. Umbringen wollte er ja den Typen nicht, der sein Leben finanzieren sollte.

Er suchte in den Taschen nach dem Schlüssel, schloss das Schlafzimmer auf. Adrian schrie mittlerweile wie am Spieß. Aurelia hielt sich die Ohren zu.
„Stell dich nicht so an!" fuhr Johnny sie an. Er wurde zunehmend panisch. „Nimm ihn hoch, damit er zu schreien aufhört!"

Sie griff so ungeschickt nach dem Baby, dass er Angst bekam, sie würde es fallen lassen. Schnell nahm er den Kleinen auf seinen Arm. Mein Gott! Was hatte er sich da für eine Tussi eingefangen! Ob sie das Ganze wert war?
Nein! Sie nicht! Aber die Kohle!

Er überlegte kurz. „Planänderung!" beschloss er dann. „Wir nehmen den Kleinen mit! Wenn er ihn zurück will, muss er ordentlich löhnen!"

Aurelia sprang wie ein Kind in die Höhe, klatschte in die Hände. „Ein Primaplan, Süßer!" jubelte sie.
Er legte den Jungen, der sich wieder beruhigt hatte, in die Tasche, rannte durch die Wohnung, warf ein paar Kleidungsstücke und ein paar Packungen Babynahrung und Windeln in eine Tüte, durchsuchte Stefans Brieftasche, zog die Kreditkarte heraus.
„Kennst du die Pin?" fragte er.

Aurelia grinste. „0815! Er kann sich Nummern nicht merken!" Sie nahm einen großen Schluck aus der Whiskeyflasche, die im Barschrank stand.
Oh! Das tat gut! Noch ein Schluck! Wow! Das knallte rein!

Johnny schnappte sich Stefans Autoschlüssel, schnallte die Tragetasche auf dem Rücksitz fest. Der Kies spritzte, als er das Gaspedal durchdrückte.


Paula

Paula fuhr gegen neun Uhr von Paris los. Es war wenig Verkehr, sie kam gut voran, hatte um ein Uhr die deutsche Grenze erreicht.
Sie sang auf der gesamten Strecke die französischen Chansons mit, fühlte sich jung, losgelöst, hob beinahe ab vor Glück.

Sie war auf dem Weg zu Stefan.
Zu dem Mann, den sie kaum kannte und doch so sehr liebte.
Warum war sie sich eigentlich so sicher, dass das, was sie fühlte, Liebe war?
Liebe – und nicht nur körperliche Anziehung?

Der Tag an dem kleinen See hatte sie überzeugt.
Irgendwie hatte sie seinen Worten da geglaubt!
Gut – sie hatte auch wieder daran gezweifelt, das gestand sie sich schon ein.
Zweimal hatte sie schon gezweifelt!

Auch an Karsten!
Aber jetzt war sie sich wieder sicher!
Oder?
Wie lange?
Sie wurde immer verwirrter!
Sie kannte sich doch mit der Liebe so gar nicht aus!
Dieses Mal würde sie nicht wieder vorschnell urteilen, wenn etwas Unvorhergesehenes geschah.
Dieses Mal würde sie ihm vertrauen!

Oder?
Sie merkte, dass sie müde wurde, nahm sich im nächsten Rasthaus ein Zimmer.
Ihre Euphorie hatte wieder einen Dämpfer bekommen!
Die Zweifel waren wieder da, nagten an ihrer Seele.
Sie kannte ihn einfach zu wenig!
Aber das würde sich ja jetzt vielleicht endlich einmal ändern.

Als sie frühstückte, läutete ihr Handy.
Ihr Akku blinkte, sie hatte kaum noch Saft. Und ihr Ladekabel lag irgendwo im Koffer! Aber es hätte ihr auch nichts genutzt, weil sie im Auto keinen Anschluss hatte.

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt