Kapitel 24

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Stefan

Die Woche in Paris war irgendwie rumgegangen. Bei den Verhandlungen war er nicht mehr so hart, kam den Partnern in vielen Punkten entgegen.
Er versuchte, an den gemeinsamen Essen teilzunehmen.
Manchmal schaffte er es, manchmal sprang er aber auch mittendrin auf.

Die Kollegen gewöhnten sich an seine seltsamen Launen, mussten es auch, er war der Chef.
Wenn ihn die Sehnsucht urplötzlich, unvorhergesehen überspülte, musste er hinaus, musste durch die Straßen laufen, musste gegen die immer noch sehr schnell fließenden Tränen ankämpfen, ohne neugierige Augen in der Nähe.

Oft saß er auf einer Bank, sah den verliebten Pärchen zu, bildete sich ein, Paula säße neben ihm.
Er musste nur hinüberfassen, um ihre Hand zu fühlen.
Er musste sich nur ein wenig zu ihr hin beugen, um ihren Pfirsichduft einatmen zu können.
Er musste nur die Augen schließen, um ihre Stimme in seinem Kopf zu hören, ihr in seinen Tagträumen antworten zu können, ihr wieder und wieder seine Liebe zu gestehen, mit ihr zu lachen, seine Lippen auf ihre zu legen.

Spätestens dann sprang er auf, rannte weiter. In den Schaufenstern sah er tausend Dinge, die er ihr schenken wollte.

Einmal konnte er nicht widerstehen. Er musste diese Kette einfach kaufen. Ein zartes Herz an einer dünnen Weißgoldkette, in das „Stefan" eingraviert war.
Warum auch immer nahm er das etwas kräftigere Männer-Modell mit, in das er „Paula" gravieren ließ.
Sie würden diese Schmuckstücke nie tragen, er würde ihr ihres nie umhängen können, aber irgendwie fühlten sich die beiden Schächtelchen in seiner Sakkotasche beruhigend an.

Dann fiel ihm Aurelia ein, Aurelia und sein Kind. Er hatte mit dem Arzt telefoniert, der ihm versichert hatte, dass die Behandlung anschlug, dass Adrian an Gewicht aufholte.

Er dachte an das Versprechen, das er seiner Frau gegeben hatte und machte einen Großeinkauf in einem exklusiven Wäscheladen.
Sein schlechtes Gewissen beruhigte sich ein wenig.
Er würde gut zu Aurelia sein, damit sie Adrians Leben nicht mehr gefährdete. Sie würde seinen Sohn lieben, sie würden eine Familie sein, in der ein Kind behütet und glücklich aufwachsen konnte.

Er würde mit dem Kleinen Fußball spielen, würde ihm das Radfahren beibringen, würde ihn an seinem ersten Schultag begleiten.
Das alles war doch mehr wert als diese Fixierung auf Paula.
Oder?

Kurz überlegte er, ob er nicht auch für Aurelia so ein Schmuckstück besorgen sollte.
Doch er schaffte es nicht, es kam ihm wie ein Verrat vor.
Warum denn, zum Donnerwetter?

Statt dessen kaufte er ein Armband mit Saphiren, protzig und teuer.

Wieder zu Hause schlief er sich eine Nacht lang aus, telefonierte mit Sophia, die auch mit den Ärzten in Verbindung geblieben war. Er hatte ihr eine Vollmacht unterschreiben müssen.
„Morgen kannst du sie besuchen!" berichtete seine Schwester. „Oder soll ich erst einmal hin? Sie darf nur einen Besucher am Tag empfangen."
„Nein!" wehrte Stefan ab. „Ich kann mich nicht immer hinter dir verstecken! Du hast schon so viel für mich getan!"

Wenn ich doch das einzig Wichtige tun könnte! dachte Sophia, nachdem sie das Gespräch beendet hatten. Wenn ich doch nur Paula zu dir zurückbringen könnte.
Sie hatte schon die wildesten Pläne geschmiedet, wie sie das Mädchen erreichen würde, wie sie ihr von Stefans Zwiespalt erzählen würde, wie die ihrem Bruder verzeihen würde, wie die beiden sich in die Arme sinken würden.

Aber in einer so wichtigen Angelegenheit durfte sie sich nicht einmischen.
Das war etwas anderes, als wenn sie ihm früher die Nummer einer ihrer Freundinnen zugesteckt hatte oder wenn sie ihm im Club eines der Mädchen vorgestellt hatte.
Da hatte sie lächelnd beobachtet, wie die dummen Dinger vor Verliebtheit fast durchgedreht waren, nur um bald darauf in Liebeskummer zu versinken.

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt