Kapitel 58

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Manuel

Manuel hatte alles fertig gespült. Alicia, die ihm sonst half, hatte er mit ihrem neusten Lover weggeschickt.
In Gedanken versunken wischte er zum soundsovielten Mal die Theke ab. Nur noch die Aschenbecher ausleeren, sauber machen – dann war sein Dienst für heute geschafft. Noch immer grübelte er über die junge Deutsche nach.
Wahrscheinlich hat sie sich im Bungalow volllaufen lassen, lag im halben Delirium im Bett. Kurz meldete sich sein Medizinerherz.

Ob er nach ihr sehen sollte?
Aber das konnte durchaus als übergriffig angesehen werden, konnte ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Da sah er eine füllige weibliche Person auf die Bar zukommen.
Wollte sie ihn überreden, ihr doch noch einen Drink zu geben?

Waren die Vorräte in ihren privaten Räumen schon vernichtet?
Doch die wurden vom Zimmerservice eigentlich regelmäßig aufgefüllt.
Das konnte nicht einmal sie geschafft haben.

Als sie vor ihm stand, nur die Theke trennte sie voneinander, sah er die Tränen, die über ihre vollen Wangen liefen.
Sie schien nüchtern zu sein, sah ihn mit traurigen Augen offen an, schwankte nicht.

„Kannst du mir helfen?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber sie war nicht vernuschelt.
Fragend hob er eine Augenbraue.
„Kannst du mich von hier wegbringen?"

Manuel atmete tief ein. Es würde bei der Geschäftsführung nicht gut ankommen, wenn er eine gutzahlende Kundin entführte. Ihr Mann würde ihm die Polizei auf den Hals hetzen.
Er brauchte den Job noch ein paar Wochen, bis seine Arbeit fertig geschrieben war.

Doch andererseits stand da ein Mensch vor ihm, der ihn um Hilfe bat, der diese Hilfe dringend nötig hatte.
„Ja!" antwortete er deshalb, ohne noch weiter nachzudenken, hielt ihren Blick noch immer fest. „Du kannst erst einmal mit zu mir kommen."

Sie atmete hörbar auf. „Ich ... ich ... ich kann, ich kann dir auch Geld geben!" brachte sie schließlich heraus. Der nächste Satz kam schneller, sie hatte sich wohl Gedanken darüber gemacht, welche Folgen seine Hilfe für ihn haben konnte. „Ich meine, wenn du Schwierigkeiten bekommst und deinen Job verlierst."
Manuel hätte stolz ihr Angebot ablehnen können, doch dazu war er zu sehr Realist. Er erinnerte sich an das Streitgespräch, das sie mit dem schleimigen Typen vor ein paar Tagen nicht gerade leise an der Bar geführt hatte.

„Es ist immer noch mein Geld!" hatte sie gelallt.
Der andere hatte nur gelacht. „Wir sind verheiratet, Süße!" Und das, was eigentlich ein Kosename war, klang aus seinem Mund wie eine Beleidigung. „Was dir gehört, gehört auch mir!"

Danach hatte er sie sitzen lassen, so besoffen sie wie sie war.
Manuel hatte sie nicht aus den Augen gelassen, als sie zu der kleinen Villa gewankt war. Doch sie hatte den Weg heil überstanden.

An jenem Tag hatte er gewusst, dass er nicht länger schweigend zusehen konnte, hatte nur abwarten müssen, bis der ekelhafte Kerl wieder einmal für ein paar Tage verschwand.

„Okay!" sagte er deshalb zu ihr. Nur zur Sicherheit, wenn er wirklich hinausgeworfen würde.
Sie lächelte ihn erleichtert an.

Aurelia und Manuel

„Dann holen wir am besten deine Sachen, oder einen Teil davon. Viel Platz habe ich nicht in meiner Bude!" schlug Manuel vor, und Aurelia nickte aufgeregt.
Keine Sekunde dachte sie daran, ob es richtig war, sich dem unbekannten Barkeeper auszuliefern. Sie vertraute diesem Blick aus seinen dunklen Augen vollkommen.

Außerdem war er ihre einzige Hoffnung, der Strohhalm, an den sie sich klammerte.
Manuel verschloss alle Schränke mit den Spirituosen, folgte ihr, die sich schon überraschend flink auf den Weg gemacht hatte.

Paulas PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt