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Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen.

Franz Kafka, in: Die Zürauer Aphorismen

***

»Mir ist langweilig.« Daria pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte missmutig zur geschlossenen Tür der Sattelkammer.

»Geduld war noch nie so deine Stärke, hm?«

»Nope.« Daria stand auf und streckte sich. »Na komm schon. Lass uns ein kleines Spiel spielen.« Sie glitzerten wie kleine Sterne in der Luft. Es kam ihr so vor, als wäre sie an einem magischen Ort. Einem Ort, der sie irgendwie an ihre Kindheit erinnerte. An Tage, an denen sie mit ihrem Bruder im Heu gespielt, sich versteckt und Geschichten erzählt hatte. Sie spürte einen Hauch von Nostalgie und Sehnsucht.

»Wir könnten uns auch einfach unterhalten?«

Daria schüttelte den Kopf und forderte ihn mit zwei Fingern auf, endlich aufzustehen.

Mit einem Seufzen erhob sich Mark. »Ok, was willst du tun?«

»Ein Spiel aus dem Fechten. Wir stellen uns gegenüber, Handrücken an Handrücken, und versuchen uns gegenseitig abzuklatschen. Ganz einfach.«

»Ein Fechtspiel? Gegen dich? Hältst du mich für irre?«

Sein Tonfall brachte sie zum Lachen. »Hast du Angst?« Auffordernd hob sie ihre Hand.

»Sollte ich?«, fragte er und legte seine Handfläche gegen ihre.

Blitzschnell zog Daria ihre Hand zurück und schlug gegen seine. Ein saftiges Klatschen war zu vernehmen. »Ach was.«.

Beim nächsten Schlag war Mark besser vorbereitet und zurück.

»Siehst du?« Daria setzte nach und traf ihn wieder. »Du wirst besser.«

Mark hob beide Hände. »Das kann dir doch nicht wirklich Spaß machen. Ich bin da kein Gegner für dich.«

Langsam begann sie ihn zu umkreisen. Das machte auf jeden Fall Spaß. »Ich sehe das als Fortbildung. Hast du denn nie etwas von Paul gelernt?«

Mark folgte ihr mit seinen Blicken, immer auf der Hut. »Nicht wirklich. Wir hatten unterschiedliche Interessen.«

Wieder schoss Daria auf ihn zu. Im letzten Moment versuchte er auszuweichen, aber ihre Fingerspitzen berührten seinen Handrücken. »Drei zu Null«, stellte Daria fest. »Komm schon, Markster. Zeig was du kannst.«

Ihre Freude schien ihn anzustecken. Er schüttelte den Kopf, trat aber erneut auf sie zu. »Lass es uns doch etwas spannender machen.«

»Was denn, soll ich mir einen Arm auf den Rücken binden?«

»Verlockend. Aber ich dachte an einen Einsatz.«

Daria tänzelte vor und zurück, hörte ihm aber dennoch zu. »Was schwebt dir vor?«

»Wenn ich dich einmal am Handrücken treffe, ziehst du bei mir ein.«

Das brachte sie aus dem Schritt. »Was?«

»Na komm schon. Was hast du zu verlieren? Oder hast du Angst.«

Daria runzelte die Stirn. »Vor dir?« Es folgte ein weiterer Satz nach vorne, dem er nicht ausweichen konnte. Wieder ertönte ein Klatschen. Ein Strohhalm ragte aus seinen schwarzen Haaren und ließ den sonst eher geschniegelten Mark beinahe verwegen wirken. Angst hatte sie trotzdem nicht. Was konnte ein Physiotherapeut schon einer Fechterin entgegenhalten. »Im Leben nicht. Und was springt für mich dabei raus?«

WG gesucht - Liebe gefunden (Stadtgeflüster)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt