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Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.

Jean Paul, in: Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele

Jean Paul, in: Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele

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Hannover, 1994

Regen prasselte vom Himmel herab und bildete nach und nach große Pfützen auf dem Asphalt. Kalomira stapfte hinter Dante her und umklammerte ihren schwarzen Regenschirm. »Warum muss ich mit?«, nörgelte sie. »Ich kannte diesen Jungen ja nicht einmal.«

Dante verlangsamte seinen Schritt und warf ihr einen seiner hochnäsigen Blicke zu. »Weil ich ihn kannte. Und wir jetzt eine Familie sind.«

»Was für ein Blödsinn. Nur weil mein Vater deine Mutter geheiratet hat, macht uns das nicht zu einer Familie.«

Dante seufzte. »Doch Mira. Genauso funktioniert das.«

Ein Auto fuhr an ihnen vorbei und Kalomira musste zur Seite springen, um dem spritzenden Wasser auszuweichen. »Na sou vgei to ladi«, fluchte sie laut. »Mathe na odigeis!«

»Kalomira!«, donnerte Dante und fuhr herum. Seine dunklen Augen blickten sie von oben herab an. Kalomira hasste diesen Blick.

»Mensch, Dante. Das war jugendfrei, ich schwörs. Manchmal stellst du dich mehr an als Papa.«

»Ich finde wirklich, das Papa da einiges in deiner Erziehung vernachlässigt.«

Kalomira hob ihr Näschen und starrte zurück. »Na wie gut, dass das Thema dich nichts angeht, nicht wahr?«

Erst sah es so aus, als ob Dante sich zu einer Antwort herablassen würde, dann jedoch stapfte er schweigend neben Kalomira her.

Sie erreichten die Friedhofsmauer und folgten der Straße in Richtung Eingang.

»Nur aus Interesse«, brummte Dante schließlich. »Was hast du gesagt?«

Ein kleines Lächeln schlich sich auf Kalomiras Lippen, dass sie schnell hinter einer Hand versteckte. »Ich habe ihn verflucht, dass er Öl verliert. Außerdem soll er mal Autofahren lernen, so fährt ja kein Mensch.«

Dante nickte. Stoisch schritt er neben ihr her. Wenn man ihn so betrachtete, hätte niemand angenommen, dass er auf eine Beerdigung ging. Der schwarze Anzug stand ihm. »Erzähl mir etwas von diesem Jungen. Torben, richtig?«

Am Ende der Straße kam der Torbogen des Friedhofs in Sicht. Mehrere Menschen hatten sich dort unter schwarzen Regenschirmen versammelt. Unwillkürlich rückte Kalomira näher an Dante heran.

»Torben ging in meine Klasse. Wir waren nicht gut befreundet, aber er war in Ordnung.«

»Und er hat sich umgebracht?«, hakte Kalomira nach.

Mit der freien Hand strich sich Dante die Locken aus der Stirn. »Ja. Leider.«

Kalomira nickte. »Ich wünschte, ich hätte auch eine Studienreise, wie Luca. Dann müsste ich auch nicht mit.«

WG gesucht - Liebe gefunden (Stadtgeflüster)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt