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„Im allerersten Moment, als ich ihn erblickte, war mein Herz unwiderruflich verschwunden." -

Jane Austen in: Love and Friendship

»Dir ist schon klar, dass es einen wichtigen Unterschied zwischen 'Überraschung' und 'Entführung' gibt?« Daria warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, während sie in Marks Auto saß und die Landschaft an ihnen vorbeizog

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»Dir ist schon klar, dass es einen wichtigen Unterschied zwischen 'Überraschung' und 'Entführung' gibt?« Daria warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, während sie in Marks Auto saß und die Landschaft an ihnen vorbeizog. Die Bäume waren kahl und der Himmel von einem fahlen Grau überzogen. Kleine Schneereste säumten die Straßenränder und ab und zu flatterte ein einsamer Vogel vorbei.

Mark lachte. »Entführung? Das wäre wirklich schlechter Stil. Abgesehen davon, hast du dich auch nicht direkt gewehrt, oder?«

»Vielleicht bin ich eingeschüchtert?« Sie streckte sich und rümpfte ihr Näschen. »Ich beuge mich einfach deiner natürlichen Dominanz.«

»Genau. Weil ja Nachgiebigkeit jetzt ein Teil von dir ist, hm?«

»So in etwa.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und verzog ihren Mund. Es war mehr als eindeutig, dass ihr die Neugierde zusetzte. »Also, wohin geht's jetzt wirklich?«

»Schau mal, wie hübsch die norddeutsche Küste im Winter ist«, erklärte Mark mit einem breiten Grinsen und zeigte aus dem Fenster.

Daria verdrehte die Augen. »Du lenkst ab.«

»Wovon redest du? Ich weise dich nur auf die Schönheit der Umgebung hin.«

Sie strafte ihn mit Schweigen, während er weiter nach Norden fuhr. Ein nachdenklicher Ausdruck legte sich auf ihre Züge. Ihr Verstand arbeitete unermüdlich, auch wenn sie äußerlich ruhig wirkte. Ihre Intelligenz hatte Mark schon immer fasziniert. Daria war mehr als nur hübsch - sie war klug und scharfsinnig. Sie würde nicht lange brauchen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ihre Augen wanderten nach draußen und sie versteifte sich. »Warte mal, fahren wir zur Insel?«

Mark grinste breit. »Schlaues Mädchen.«

»Deine Eltern überlassen uns das Haus?«

Mark zuckte mit den Schultern. »Natürlich. Sie lieben uns. Dich vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als mich, aber was will man machen, mit drei Brüdern. Und Marlene.«

»Jetzt übertreibst du aber.«

Nicht wirklich. »Mama hat gesagt, du hättest es dir verdient, nachdem du so fleißig warst. Und dass sie sehr stolz auf dich ist«, erklärte Mark und zuckte mit den Achseln. »Mir hat sie nur aufgetragen, dass ich gefälligst alles so zu hinterlassen habe, wie ich es vorgefunden habe. Dabei bin ich wesentlich ordentlicher als der Rest der Familie.«

»Ich mag Heike.« Daria lächelte. »Aber warum Spiekeroog? Ich dachte immer, nach all den Jahren hättest du genug von der Insel.«

»Niemals«, protestierte er. »Ich dachte, es wäre an der Zeit für uns, dorthin zurückzukehren. Auf der Insel ist so viel passiert, Gutes und Schlechtes. Wir sollten ein paar neue Erinnerungen schaffen, meinst du nicht?«

Daria schnalzte mit der Zunge. »Du bist so ein Romantiker.« Wie immer verbarg sie ihr Innerstes hinter einer großen Klappe und viel Sarkasmus. Aber sie war nicht unsensibel, wie er genau wusste. Nur ungeübt.

»Irgendjemand muss es ja sein. Und bei dir habe ich die Hoffnung schon fast aufgegeben.« Mark zwinkerte ihr zu. »Selbst ist der Mann.«

»Ich Glückspilz«, murmelte sie trocken, aber ihre Mundwinkel hoben sich.

Kaltes Sonnenlicht brach durch das Grau des Himmels, und in der Ferne konnte er bereits das dunkle Blau des Meeres erkennen. Daria nestelte am Radio und stellte einen Sender ein. Musik dröhnte aus den Lautsprechern. Das Lied kam ihm bekannt vor. Mark legte den Kopf schief. Kein Zweifel, es stammte von Davids Hochzeit.

»Was ist?«, fragte Daria. »Magst du die Musik nicht?«

»Doch, kein Problem. Ich habe mich nur daran erinnert, wann ich es das letzte Mal gehört habe.«

Daria schwieg und lauschte. »Oh«, erklärte sie dann.

»Was ist eigentlich aus dem Brautstrauß geworden? Mitgenommen haben wir ihn ja nicht.«

Ihre Finger spielten mit den Bändern ihres Pullovers, als wäre ihr die Frage irgendwie unangenehm. »Ich habe ihn Davids Schwester geschenkt«, antwortete sie zögernd..

Mit der Antwort hatte er nicht gerechnet. »Warum?«

»Sie schien ihn gerne haben zu wollen. Also habe ich ihn ihr gegeben.«

Mark konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Ria, bist du etwa weich geworden? Ein Herz aus Butter, versteckt hinter dieser harten Fassade? Wer hätte das gedacht?«, neckte er sie.

»Halt die Klappe, Marki.«

»Sonst?«

»Möchtest du es wirklich wissen?« Ihre Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen. Wahrscheinlich erwartete sie jetzt, dass er das Thema wechseln würde.

»Es war ein schönes Fest«, sagt Mark. »Obwohl ich ein paar Dinge anders machen würde.«

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Daria zu ihm herumfuhr und ihn anstarrte. »Bitte, was?«

»Hey, hast du dir nie Gedanken über so etwas gemacht? Was du dir für deine eigene Hochzeit wünschen würdest?«

»Hochzeit? Nein! Ganz ehrlich, bis Silvester war ich fest davon überzeugt, dass ich meine längste Beziehung mit Kasper führen würde!«

»Was du nicht sagst.« Mark schüttelte den Kopf. »Aber weißt du, worüber ich mir an deiner Stelle schon Sorgen machen würde?«

»Klär mich auf.« Ihre Antwort hörte sich an, als würde sie die Worte durch ihre zusammengebissenen Zähne schieben.

Mark grinste. »Daria Darrer. Klingelt da was?«

Mit einem Zischen sog sie die Luft ein. »Nicht dein Ernst.«

»Oh doch. Aber wir haben noch etwas Zeit, damit du dich an den Gedanken gewöhnen kannst.«

Die Straße führte sie weiter, und die salzige Meeresluft begann durch das Auto zu ziehen, als sie in Neuharlingersiel ankamen. Mark stellte den Wagen ab und sie stiegen aus. Ein frischer Wind wehte ihnen um die Nase, und Daria blickte aufs Meer hinaus. Die Möwen kreischten und flogen wild durcheinander.

»Wir werden die späteste Fähre nehmen«, sagte Mark und griff nach den Taschen. »Noch genug Zeit, um den Anblick zu genießen.«

Daria lehnte sich an ihn. »Dir gefällt es hier wirklich, nicht wahr?«

»Viel zu sehr.« Mark lachte und legte einen Arm um sie, während sie den Kai entlangschlenderten.

Die Wellen des Meeres brachen sich tosend am Ufer, und in der Ferne zeichneten sich die Umrisse der Fähre ab. Langsam breitete sich Vorfreude in seinem Bauch aus, begleitet von einem Hauch Nervosität. Irgendwie war es auch eine Reise in die Vergangenheit, aber jetzt mit der Chance, etwas Neues zu schaffen, das vielleicht noch bedeutsamer sein würde.


WG gesucht - Liebe gefunden (Stadtgeflüster)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt