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Während ich meine feuchten Haare hach hinten schiebe, betrete ich mein Zimmer und sehe überrascht dabei zu, wie Dylan mit Jace auf meinem Bett sitzt.

Zwischen ihnen liegt ein kleiner roter Karton auf dem Bett und sofort weiß ich, was darin verstaut ist.

Mit großen Schritten gehe ich darauf zu, ziehe den beiden alles aus den Händen und stopfe alles wieder in den Karton, ehe ich ihn schließe, ihn in meine Hände nehme und zu meinem Schrank gehe, wo ich ihn in das oberste Fach schiebe.

Wütend schließe ich meinen Schrank und drehe mich zu den beiden um, die kein einziges Wort sagen, sondern mich nur stumm betrachten.

"Alles andere", beginne ich mit brüchiger Stimme und spüre schon, wie sich der Kloß in meinem Hals bildet.

"Meine peinlichen Familienfotos, alles andere in diesem Raum. Alles davon hättest du dir nehmen können und du entscheidest dich für eine Box, die ich in meinem Kleiderschrank verstecke?", frage ich an Jace gewandt, der mich noch immer total neutral betrachtet.

Gott, wie ich diese Fassade gerade hasse.

"Du hast den Schrank offen gelassen und ich wollte es ihm zeigen", mischt sich nun Dylan ein, weshalb ich sofort meine Aufmerksamkeit auf ihn richte.

"Dazu hattest du kein Recht, Dylan", sage ich ernst und versuche meine zittrige Stimme zu verbergen, doch auch meine Hände beginnen zu zittern.

"Wie war sie so?"
Mein Herz schlägt schneller und kann den Schmerz nicht verkraften, der jedes Mal mit diesem Thema verbunden wird.

"Frag sowas nicht", antworte ich und richte den Blick auf den Boden, ehe ich meine zittrigen Hände durch mein langes Haar fahre.

Ich will nicht mit Jace darüber reden.

Ich will mit niemandem darüber reden, weil ich es nicht kann.

Dafür ist der Schmerz zu groß.

"Wieso wolltest du es ihm zeigen? Das ergibt alles keinen Sinn."
Meine Stimme gibt Stück für Stück nach und die Tränen bilden sich in meinen Augen.

Ich kann das nicht.

Ich brauche Luft und meinen verdammten Freiraum.

"Das würdest du nicht verstehen, Krümel. Es ist komplizierter, als du es dir gerade vielleicht vorstellst", sagt Dylan mit ruhiger Stimme.

Wie kann er bei diesem Thema so verdammt ruhig bleiben?

"Das war eine blöde Idee. Nein, eine dämliche Idee", sage ich und gehe auf meinem Schreibtisch zu, vor welchem die Tasche von Jace liegt.

Ich bücke mich etwas, nehme die Tasche in die Hand und gehe auf mein Bett zu.

"Total dämliche Idee. Ich hätte dich nicht mit hierhernehmen dürfen. Das alles..."

"Delilah."

"... ist totaler Schwachsinn. Ich hätte wissen müssen, dass einer meiner Brüder irgendetwas Dummes tut."
Die Tränen brennen hinter meinen Augen und kämpfen darum, endlich frei über meine Wangen laufen zu dürfen, doch ich verdränge sie.

"Delilah", versucht er es ein weiteres Mal mit ruhiger Stimme.

Doch auch, wenn ich es wollte, könnte er mich in diesem Moment nicht beruhigen.

Es funktioniert einfach nicht.

"Geh einfach nach Hause", sage ich, ohne direkt in sein Gesicht zu sehen.

Dylan ist gerade ruhig, doch ich spüre seinen besorgten Blick auf mir, was mich automatisch wütend macht.

Wenn er doch so besorgt um mich ist, wieso hat er ihm dann diesen gottverdammten Karton gezeigt?

"Delilah, das ist alles komplizierter als ich es erklären könnte. Dylan hat es mir gezeigt, weil er es für richtig empfunden hat", versucht Jace ruhig auf mich einzureden, doch ich schüttel den Kopf hin und her.

"Ist mir egal, was ihr für Geheimnisse habt. Mir ist auch egal, wie kompliziert das alles ist. Ich will nicht darüber reden und schon gar nicht mit einem Jungen, den ich erst seit einigen Wochen kenne!"
Ich sehe auf, bereue meine Worte sofort, als sie meine Lippen verlassen haben, doch ich sage nichts weiter, betrachte einfach nur mein Gegenüber.

"Geh bitte", sage ich dann nach einigen ruhigen Momenten, doch er rührt sich nicht von der Stelle.

Stattdessen sitzt er da und betrachtet mich einfach bloß mit diesem Blick.

Mit diesem neutralen Blick und diesen perfekten Augen, die gerade nur so vor Emotionen glühen.

"Delilah, ich..."

"Für jemanden, der ein Nein nicht akzeptieren kann, habe ich dich nicht gehalten", ertönt plötzlich eine andere Stimme, weshalb ich sofort zur Seite sehe und Declan erkenne.

Seine Miene ist hart, wütend, streng und wechselt immer wieder von Dylan zu Jace.

"Du weißt, dass es nicht so einfach ist", argumentiert Jace und als ich zu ihm sehe, erkenne ich die Wut, mit welcher er meinen Bruder betrachtet.

Wieder fühle ich mich so, als hätten sie alle ein gemeinsames Geheimnis, welches sie nicht mit mir teilen wollen, doch gerade bin ich viel zu schwach, um überhaupt darüber nachzudenken.

Die Tatsache, dass das mulmige Gefühl in meinem Bauch nicht nur daran lag, dass ich meine Periode bekommen habe, sondern auch noch recht hatte, da gerade immerhin alles eskaliert, macht es auch nicht einfacher.

Declan tritt näher und stellt sich direkt hinter mich.

"Wenn Ethan und Cole das erfahren, reißen sie dir den Arsch auf", knurrt er wütend, doch gerade weiß ich, dass er nicht mit Jace, sondern mit Dylan spricht.

Dylan hatte kein Recht dazu, Jace meinen Karton zu zeigen.

Egal, welche Gründe er dafür hatte...

Sie rechtfertigen es nicht.

"Delilah", beginnt Jace und steht auf, doch Declan zieht mich sanft, aber bestimmend zurück.

"Sie wird heute nicht mehr mit dir sprechen. Verschwinde, bevor ich dich eigenhändig aus dem Haus werfe", knurrt Declan wütend.

Normalerweise würde ich es hassen, wie er mit ihm spricht, doch gerade laufen mir die Tränen an den Wangen hinab und kein einziger Muskel in meinem Körper will sich rühren.

Kurz bleibt es still, ehe ich sehe, wie Jace sich in Bewegung setzt und seine weißen Socken aus meinem Sichtfeld verschwinden.

Dann höre ich nur noch, wie meine Zimmertür ins Schloss fällt und schon zieht Declan mich in eine feste Umarmung, die mich so zu Boden reißt, dass ich ohne Zurückhaltung zu weinen beginne.

Diese rote Box.

Diese rote verdammte Box.

Magnificent ConnectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt