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Die gesamte Zeit haben wir mitten im Club auf dem Boden gesessen und uns über alle Details unterhalten.

Inzwischen wirkt er auf mich gar nicht mehr so unausstehlich.

Er hat sogar eine Tüte Gummibärchen aus dem Schreibtisch seines Coachs gemopst und sie mir zugeworfen, als wir uns hier hingesetzt haben.

Nachdenklich kratzt er sich mit dem Kugelschreiber am Hinterkopf und sieht auf seinen Block.

"Die Tatsache, dass ich dich nicht berühren kann, ist ziemlich kritisch. Ich weiß nicht, ob ich dir so überhaupt den praktischen Teil beibringen kann", erklärt er, während ich an einem sauren Gummiwurm herumkaue.

Ich lehne mit dem Rücken an der Wand, habe die Beine ausgestreckt und meine Füße übereinander gelegt, während ich ihn dabei beobachte, wie er sich Notizen macht.

"Das ist nicht immer so. Manchmal geht es, aber es braucht Zeit", beginne ich und lasse meine Hände in den Schoß fallen.

"Mein Bruder und ich machen seit einer Weile diese Sache, die meine Situation etwas verbessert hat, seit wir damit angefangen haben."
Als ich auf sehe, entdecke ich, dass er mich ziemlich aufmerksam mustert.

"Jedenfalls ist es mittlerweile viel einfacher, mich mit ihm abzugeben. Mit den anderen ist es tatsächlich immer noch ziemlich schwierig, aber Berührungen und all das Zeug sind mit ihm überhaupt nicht mehr so schlimm, wie mit anderen. Vielleicht könnten wir sowas Ähnliches machen, bis ich mich daran gewöhnt habe", schlage ich vor und hebe leicht die Schultern, ehe ich sie wieder fallen lasse.

"Was schwebt dir da so vor Augen?"
Tief atme ich ein und denke an die Sache, die ich mit Ethan mache.

Das kann ich definitiv nicht mit einem fremden machen.

Nachdenklich schiebe ich mir den sauren Wurm in den Mund und überlege mir eine Alternative.

"Mit meinem Bruder ist es jeden Tag eine Umarmung, die wir immer länger andauern lassen. Angefangen haben wir mit einer, die dreißig Sekunden angehalten hat. Mittlerweile sind wir, glaube ich, bei irgendwas mit zwei Minuten."
Meine Erklärung ist eigentlich vollkommen unnötig, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, als müsse ich ihm genauer erklären, wie ich das meinte.

"Vielleicht ein einfacher Handschlag?", frage ich dann und sehe wieder zu ihm auf.

Er sieht mir einen Moment lang in die Augen, bis er den Block neben sich legt und seine Hände dann hinter sich auf dem Boden platziert, ehe er sich etwas nach hinten lehnt.

"Klingt meiner Meinung nach ziemlich einfach, also kann ich damit umgehen. Ich würde dir ja jetzt schon die Hand geben und damit beginnen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, unsere Zuschauer würden mir die Eier abreißen."
Während er spricht, sind seine Augen durchgehend auf meine gerichtet.

Es ergibt für mich nicht wirklich viel Sinn, also ziehe ich die Brauen verwirrt zusammen, bis plötzlich ein leises Niesen ertönt.

Sofort drehe ich meinen Kopf nach links und sehe zum Eingang, nur um dann festzustellen, dass Ethan und seine Freundin an den Türen stehen und uns beobachten.

Wie lange stehen sie schon da?

Emma hält sich sofort ziemlich beschämt die Hand vor das Gesicht und lässt dann ihren Kopf auf der Schulter meines Bruders fallen.

Ihr braunes Haar hängt wie immer perfekt von ihrem Kopf herunter.

"Sind wir zu früh?!", ruft mein Bruder durch den Club und sieht eindeutig nicht mich dabei an.

Total entschlossen drehe ich meinen Kopf wieder zu meinem neuen Trainer und sehe ihm kurz dabei zu, wie er den Kopf hin und her schüttelt.

"Wir haben Zeit und müssen nichts überstürzen, Raven."
Meine Brauen ziehen sich erneut zusammen, als er mich so nennt.

Ich finde es zwar ziemlich zuvorkommend, dass er mir so viel Zeit gibt, aber mein Name ist nicht Raven, also ist das alles etwas verwirrend.

"Du kennst meinen Namen nicht, also werde ich dich nicht bei deinem nennen. Dein Haar ist rabenschwarz. Es wirkt passend", erklärt er, was mich weiterhin ziemlich unbeholfen nicken lässt.

Ziemlich verwirrt ziehe ich meine Tasche an mich, schiebe mir den Gummiwurm in den Mund und stehe dann auf.

Ich sehe ihn die gesamte Zeit dabei an, da ich versuche, ihn zu verstehen, jedoch kläglich daran scheitere.

Als mir dann jemand die Tasche aus der Hand nimmt, sehe ich erschrocken zurück und entdecke die beiden, die nun hinter mir stehen.

Ethan beugt sich zu mir herunter und drückt mir ohne auf meine Reaktion zu warten einen Kuss auf die Schläfe, was mich überhaupt nicht stört.

"Solltet ihr nicht Selbstverteidigung trainieren? Hast du es schon geschafft den armen jungen für dich zu gewinnen, Krümel?", fragt er dann und sieht den jungen ziemlich mitleidig an, weshalb ich ihm genervt den Ellenbogen in die Rippen stoße.

Er zuckt sofort zusammen und stöhnt theatralisch auf, so als hätte es ihm wirklich wehgetan.

"Nicht witzig. Wir haben nur ein paar Dinge besprochen, weil Dylan ihm anscheinend alles erzählt hat. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass wir mit etwas Ähnlichem anfangen könnten, was wir beide momentan machen. Damit ich mich an ihn gewöhnen kann und er mir den praktischen Teil besser beibringen kann", erkläre ich und verschränke die Hände hinter meinem Rücken miteinander, als mein Bruder mich überrascht betrachtet.

"Klingt doch gut", lächelt er dann, was mich wieder etwas entspannen lässt und schon sehe ich zu dem Jungen, der sich gerade ebenfalls hinstellt.

"Du wirst aber kein Wort darüber verlieren oder, Kleiner?", fragt Ethan plötzlich in einem bedrohlichen Ton, weshalb ich sofort wieder zu ihm sehe.

"Ethan! Du musst ihn nicht gleich so bedrohlich darauf hinweisen", zische ich.

"Schon gut. Er ist dein Bruder und sorgt sich um dich. Ich kann Sie aber beruhigen. Ich kann zwar ein riesiges Arschloch sein, aber ich werde kein Wort darüber verlieren. Die Ereignisse Ihrer Schwester gehen mich nichts an."
Wieder sehe ich den jungen neben mir ziemlich überrascht an und kann einfach nicht verstehen, wie man sich so verhalten kann.

In der Schule ist er vollkommen anders.

"Das wollte ich hören. Danke dir", sagt Ethan und reicht ihm die Hand, die sein Gegenüber sofort höflich annimmt.

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