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POV Jace

Das hätte ich sie nicht fragen dürfen.

Jetzt weiß ich, dass meine Angst definitiv berechtigt ist.

Ich werde sie mit meinen Launen und meiner Scheiße ruinieren.

Sie wird von mir heruntergezogen werden und das kann ich nicht verantworten.

"Ich will deine Liebe nicht", sage ich kalt und sehe ihr dabei direkt in die Augen, die ich so sehr liebe.

Genau aus diesem Grund kann ich ihre Liebe nicht akzeptieren.

Ich würde sie zerstören.

Ihr Blick ist erschüttert, doch sie bekommt keinen Ton heraus.

Sie öffnet die Lippen, um etwas zu sagen, doch schon im nächsten Moment schließt sie den Mund bereits wieder, da ihr die Worte fehlen.

"Verstehst du es nicht?", frage ich und spüre, wie die Wut in mir wieder hochkocht.

"Ich bin auf Pillen und trotzdem kann ich nicht so leben, wie ihr es könnt. Entweder ich entscheide mich dafür, meine Wut nicht kontrollieren zu können, oder aber dafür, meine anderen Emotionen nicht unter Kontrolle zu haben. Von innen nach außen vergehe ich, Delilah", sage ich, da sie wenigstens eine Erklärung verdient hat, wenn ich sie schon so vor die Wand stoße.

Weiterhin starrt sie mich an und das einzige, was ich gerade tun will, ist sie in meine Arme zu schließen und niemals wieder loszulassen.

Sie senkt den Blick und plötzlich drängt sich der einzige Gedanke wieder in den Vordergrund, der mich erst auf diese Schnapsidee gebracht hat, von hier zu verschwinden.

Ich sehe sie stur an und schlucke einmal, ehe ich mit meinem Zeigefinger und meinem Daumen ihr Kinn in die Höhe schiebe, damit sie mich wieder ansieht.

"Kannst du mich immer noch lieben, wenn ich dir sage, dass ihr Tod meine Schuld war?", frage ich mit gebrochener Stimme.

Seit dem Vorfall mit der Kiste haben wir nicht weiter über Jayda gesprochen.

Wir haben es beide einfach kaum übers Herz gebracht.

Ihre Augen füllen sich mit Tränen, während sie verzweifelt versucht den Kopf zu schütteln und sofort verstehe ich, dass sie versucht, mir diesen Gedanken auszureden.

"Wir waren Kinder", sagt sie leise und so, als müsse sie auch sich selbst noch davon überzeugen.

"Spielt keine Rolle."
Auch in meinen Augen bilden sich wieder die Tränen.

Die halbe verfluchte Nacht habe ich wach verbracht, bis ich heute Morgen total zusammengebrochen bin, wie ein beschissenes Weichei.

Reggie hat versucht mich zu beruhigen, doch auch ihn habe ich nicht an mich heran gelassen.

"Sie hat mich darum gebeten, sie zu dem Treffen zu fahren. Ich habe gesagt, dass ich Besseres zu tun hätte", gebe ich letztlich zu und spüre, wie die Reue und alle Emotionen wieder auf mich hereinbrechen.

"Wir haben uns gestritten. Bevor sie gegangen ist, habe ich ihr gesagt, dass ich lieber ein Einzelkind wäre. Willst du meine letzten Worte genau hören? Ich erinnere mich an jedes von ihnen", sage ich und hebe ihr Kinn erneut an, als sie wimmernd den Blick von mir abziehen will.

"Ich verabscheue das Zusammenleben mit dir so sehr, dass ich mir täglich wünsche, ein verficktes Einzelkind zu sein."
Meine Stimme bricht erneut und eine Träne rollt an meiner Wange hinab.

"Das waren meine letzten Worte an meine kleine Schwester, bevor ein mieses Schwein sich an ihr vergriffen und sie umgebracht hat, Delilah", sage ich und versuche ihren Blick zu halten, damit ihr endlich klar wird, was ich überhaupt für ein Mensch bin.

Doch sie hält den Blickkontakt nicht aus und schließt die Augen.

"Willst du auch wissen, warum ich so zu ihr war?", frage ich mit dem typischen Kloß im Hals, der sich immer dann bildet, wenn ich an meine Schwester denke.

Hastig schüttelt sie den Kopf.

"Nein. Lass das", sagt sie und versucht dabei stark zu klingen, doch es wirkt nur verzweifelt und schwach.

"Ich war so genervt von ihr, weil sie mich in einer meiner Fasen aus dem Haus schaffen wollte. Sie wollte, dass ich mit ihr und ihrer Freundin Zeit verbringe. Und das nur, damit ich mich nicht in meinen Depressionen vergrabe."

"Du warst ein Kind!", schreit sie mir plötzlich entgegen, während sie zeitgleich die Augen aufreißt und meine Hand von sich schlägt.

Für einen kurzen Moment starre ich sie bloß an, doch dann hebe ich meine Hand ein weiteres Mal und wische ihr die Tränen von den Wangen.

"Spielt keine Rolle. Ich kann sie niemals wissen lassen, wie sehr ich sie eigentlich geliebt habe und ich kann meine Worte niemals wieder zurücknehmen. Wenn du mich auch in meinen Fasen liebst, wie Jayda es immer getan hat, kann ich nicht wissen, was ich dir antue", erkläre ich und lasse den Tränen wieder freien Lauf.

Mein Herz schmerzt und meine Hände zittern, während ich ihr auch die neuen Tränen von den Wangen wische.

"Meine Fasen kommen und gehen, Raven. Ich kann sie nicht kontrollieren und keiner kann mir mit ihnen helfen. Jahrelang war ich in Therapie und nichts davon hat geholfen. Ich will und verdiene deine Liebe nicht", sage ich noch, ehe ich meine Hände widerwillig von ihr löse und einen Schritt auf Abstand gehe.

"Es wird besser", versucht sie mir zu versichern, doch ich schüttel den Kopf, weil ich weiß, dass es nicht der Fall ist.

Es fühlt sich an, als würden alle Emotionen gleichzeitig auf mich hinab stürzen und mich erdrücken.

Ständig habe ich das Bedürfnis danach, einfach aufzugeben und auch meine Leidenschaft zum Boxen hilft nicht gegen all das.

Es lenkt mich ab, doch nichts von all dem verschwindet vollständig.

Alles wird bloß von mir weggesperrt.

Stück für Stück bricht es dann wieder auf mich herein, bis ich es nicht mehr ertrage und wieder Fehler mache.

Ich brauche Hilfe, doch nichts kann mir helfen.

Keine Ärzte, keine Familie, keine Freunde und schon gar keine Medikamente.

"Geh nach Hause, Raven. Ich will deine Liebe nicht", wiederhole ich und drehe mich endlich wieder um, nur um nach dem zu suchen, was mir als einziges noch fehlt.

Zwar habe ich bereits alles abgesucht, doch ich werde nicht gehen, bis ich es in meinen Händen halte.

"Suchst du das hier?", ertönt plötzlich eine vertraute Stimme und schon sehe ich zur Seite.

Reggie steht im Türrahmen und hält die silberne Kette in der Hand, nach der ich schon den gesamten Morgen suche.

Normalerweise würde ich seine plötzlich kurz geschnittenen Haare genauer betrachten, da es immer einen Grund hat, wenn er sich die Haare schneiden lässt, doch gerade liegt meine vollkommene Aufmerksamkeit auf der Kette in seiner Hand.

Magnificent ConnectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt