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"Ich habe keinen Vater. Bloß zwei Mütter", antwortet Jace abweisend, ehe er sich in meine Richtung dreht und mich mit einer etwas sanfteren Miene betrachtet.

"Geh dich schon mal umziehen. Ich kläre das hier eben", sagt er leise, doch aus seiner Stimme kann ich herausnehmen, dass er damit überhaupt nicht zufrieden ist.

Ich schüttel den Kopf und will gerade etwas sagen, doch schon werde ich erneut unterbrochen.

"Richte deine Aufmerksamkeit nicht auf dieses Flittchen und beweg deinen Arsch hier herunter!"
Plötzlich scheint etwas in seinen Augen aufzublitzen und schon bildet sich eine Gänsehaut auf meinem Rücken.

Keine, die mich daran erinnert, wie nervös mich seine Gegenwart macht, sondern eine, die mich daran erinnert, wie gefährlich Jace eigentlich werden kann.

Ich habe keine Angst vor ihm.

Ich bin bloß besorgt um ihn.

Gerade setzt er sich in Bewegung, da stemme ich mich mit dem Rücken gegen ihn und halte ihn zurück.

"Es ist wohl besser, wenn Sie jetzt gehen würden", sage ich, so freundlich wie es mir möglich ist, doch der Mann verzieht nur angeekelt das Gesicht.

"Ich spreche nicht gerne mit Frauen wie dir, also halte dich daraus, Kleine. Hier führen Männer ein Gespräch", sagt er mit solch einem Hass in der Stimme, dass ich ihn total perplex betrachte.

Hasst er Frauen?

Jace macht wieder einen Schritt, doch dieses Mal löse ich mich von ihm, gehe auf den Rand des Ringes zu und lehne mich über die Seile.

Mit einer festen Miene greife ich nach der Krawatte des Mannes und ziehe ihn daran etwas näher an mich heran.

"Es ist eine Sache, wenn Sie mich in einem Anflug von Wut als ein Flittchen betiteln. Doch wenn Sie dann auch noch meine freundliche Warnung ignorieren und so herablassend zu mir sprechen, kann ich Ihnen auch nicht weiter helfen. Jace hat offensichtlich keine Lust und auch keine Zeit, sich mit Ihnen zu unterhalten, also nehme Sie den Stock, welcher Ihnen in Ihrem Allerwertesten steckt und marschieren Sie hier raus."
Braune und wutentbrannte Augen liegen auf meinen, doch ich versuche, mich nicht unterkriegen zu lassen.

Wenn ich so verhindern kann, dass Jace in Schwierigkeiten gerät, tue ich es.

Plötzlich hebt er jedoch seine Hand und legt sie fest um mein Handgelenk, was sofort wieder dazu führt, dass sich dieses unwohle Gefühl in mir ausbreitet.

"Sie sollten ganz schnell Ihre schmierigen Griffel von meiner Schwester nehmen, bevor ich Sie dazu zwinge, Alterchen."
Eilig sehe ich an dem Mann vorbei und blicke direkt in die Gesichter von Declan und Jasper.

Mein Gegenüber reagiert jedoch nicht und übt noch mehr Druck aus, weshalb mir ein erschrockenes Seufzen entkommt.

Ehe ich mich versehe, steht Jace neben mir, greift den Daumen seines Vaters und biegt ihn mit zwei einfachen Fingern so nach hinten, dass sein Vater sofort von mir ablässt und vor Schmerzen das Gesicht verzieht.

"Rühr sie noch ein einziges Mal an und du verlierst deine Hand!", knurrt Jace bedrohlich, macht dabei aber keine Anstalten, den Daumen seines Vaters loszulassen.

Der Mann hingegen bettelt schon darum, dass Jace ihn endlich loslässt, doch Jace wirkt wie auf Autopilot.

"Jace!", ruft Declan, doch er reagiert nicht, während ich mir unwohl das Handgelenk reibe.

Perplex sehe ich von Jace zu der Hand seines Vaters und der Anblick scheint alles andere als gesund, weshalb die Angst noch höher steigt.

Der Mann ist mir relativ egal, doch Jace soll sich nicht meinetwegen in Schwierigkeiten bringen.

Dementsprechend mache ich einen Schritt auf ihn zu, greife mit beiden Händen nach seinen Wangen und drehe sein Gesicht in meine Richtung.

"Alles gut. Ich wette, er hat es verstanden. Du kannst ihn jetzt wieder loslassen, Jace", spreche ich vorsichtig auf ihn ein.

Zunächst war seine Miene einfach kalt, doch je länger er mich ansieht, desto sanfter wird sie, also streiche ich mit beiden Daumen über seine Wangen.

Er zögert, doch als ich leicht nicke und ihn etwas an lächel, lässt er einfach von der Hand seines Vaters ab.

Dieser stößt sofort lauter Flüche aus, doch bevor er sich noch ein weiteres Mal an Jace wenden kann, sorgen Declan und Jasper schon dafür, dass er sich verzieht.

"Hat er dich verletzt?", flüstert Jace mit kratziger Stimme und ich weiß jetzt schon, was ihm durch den Kopf geht.

"Hat er. Aber du hast mir keine Angst gemacht. Ich hatte nur Angst um dich. Nicht deinetwegen", versichere ich ihm wahrheitsgemäß.

Er nimmt meine Hände von seinen Wangen und lässt sie dann einfach los, ehe er mein Handgelenk in seine Hände nimmt und es sich genauer ansieht.

"Spielt keine Rolle. Es war dumm, sich mit ihm anzulegen. Er hasst Frauen", sagt er, ohne seinen Blick von meinem Handgelenk zu nehmen.

"Ist mir aufgefallen", sage ich mit einem freudlosen Lachen.

"Das ist nicht witzig, Delilah! Er hat meine Mütter jahrelang verprügelt und es hätte ihn kein Stück interessiert, dass du noch minderjährig bist! Wenn du ihn zu sehr provoziert hättest, hätte er auch dich geschlagen!", sagt er wütend, doch in seinen Augen schwingt es nicht mit.

Er betrachtet mich nicht wütend, sondern bloß voller Sorge und voller Angst.

Ich mache einen langsamen Schritt auf ihn zu und sehe ihn ebenso besorgt an.

"Ich habe nicht nachgedacht. Tut mir leid", sage ich bedrückt und sehe ihn traurig an.

Es tut weh, ihn so sehen zu müssen und ebenso schlimm ist es, dass ich immer mehr Dinge über seine schwierige Vergangenheit erfahre.

Kein Wunder, dass er so wenige Emotionen zulässt.

"Wirklich", füge ich noch hinzu und spüre, wie meine Unterlippe zu zittern beginnt.

Wieso geht es den schlechten Menschen bekanntlich immer gut und den guten Menschen dafür immer viel schlechter?

Das ist einfach nicht gerecht.

"Entweder du nimmst sie in den Arm und verhinderst, dass sie anfängt zu weinen, oder ich muss dich verprügeln", kommt es plötzlich von Declan, weshalb ich sofort zur Seite sehe und lachen muss, als ich bemerke, dass die beiden uns die ganze Zeit beobachten.

"Wir klären das ohne Zuschauer", sagt Jace leise, ehe er seine Hand sanft an meine Wange legt und mir dann einen flüchtigen Kuss auf den Scheitel drückt.

Ich nicke und lache weiter, da Declan mir zuzwinkert.

Meine Brüder kommen immer besser damit klar, dass ich Jace nicht einfach gehen lasse, nur weil sie es verlangen.

Anscheinend scheint alles Stück für Stück besser zu laufen.

Ich habe alles, was ich brauche.

Meine Brüder und gute Freunde, die mir innerhalb von kürzester Zeit unglaublich wichtig geworden sind.

Und natürlich noch etwas, wovon ich nicht einmal hätte träumen können.

Einen perfekten Freund, der mich wie eine Göttin behandelt und mit dem einfach alles perfekt läuft.

Vor einer Woche ist es mir das erste Mal aufgefallen, doch mittlerweile ist das Gefühl so ausgeprägt, dass ich mich unter Druck gesetzt fühle, es ihm endlich zu sagen.

Nur wann und wie?

Magnificent ConnectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt