›59‹

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Voller Kraft schlage ich meine Faust gegen die Haustür.

"Reggie! Reggie, mach auf!", brülle ich und klopfe noch viel fester gegen die Tür.

Ich will gerade wieder etwas schreien, da geht die Tür schon auf.

Reggie steht vor mir, betrachtet mich total bedrückt und sieht mich etwas mitleidig an.

Für ihn muss ich bestimmt unglaublich schrecklich aussehen, doch als ich vorhin das Haus verlassen habe, habe ich mich nicht für mein Aussehen interessiert.

Das einzige, woran ich gedacht habe, war Jace.

Reggie öffnet den Mund und will etwas sagen, doch ich unterbreche ihn sofort und betrete das Haus, weshalb er zurückgeht.

"Ich hatte keine Ahnung, Reggie. Ich wusste es nicht", versichere ich ihm und spüre, wie sich der Kloß in meinem Hals bildet.

Er scheint sofort zu verstehen und schenkt mir ein winziges Nicken, ehe er nach hinten zu den Jungs sieht, die mich ebenfalls alle mitleidig betrachten.

Dann schiebe ich mich jedoch an Reggie vorbei und renne die Treppe nach oben.

Vor seiner Tür halte ich inne und überlege zu klopfen, doch dann entscheide ich mich dagegen und öffne die Tür einfach.

Sofort trete ich ein und sehe mir das Chaos an, welches er veranstaltet hat.

Alles Mögliche liegt wild auf dem Boden verstreut und auch die Möbel scheinen nicht mehr an derselben Stelle zu stehen.

Der Stuhl von seinem Schreibtisch liegt an einer ganz anderen Ecke auf dem Boden und auch das Bett ist verschoben.

Mein Herz rast und alles wirkt, als würde die Zeit viel langsamer vergehen.

Während ich dachte, ich würde an meinem Fehler leiden, war Jace eigentlich derjenige, der wirklich gelitten hat.

Und ich wusste es nicht.

Tränen bilden sich in meinen Augen, als ich daran denken muss, wie mir ihr Bruder damals geschrieben hat, dass sie nicht mehr auf meine Nachrichten antworten wird.

Ich spüre seinen Blick auf mir, doch anstatt ihn anzusehen, schiebe ich mein Haar nach oben und schließe die Tür hinter mir.

Nur um dann durch das Zimmer zu laufen und einige Dinge aufzuheben, von denen ich weiß, wo sie ursprünglich hingehören.

Den Stuhl stelle ich wieder an den Schreibtisch und spüre, wie die Tränen an meinen Wangen hinab laufen.

Ich habe kein Recht zu weinen, doch gerade weine ich nicht meinetwegen.

Ich Weine wegen Jace.

Wegen des Verlustes und dem Schmerz, welchen er verspürt haben muss, während er Zeit mit mir verbracht hat.

"Lass das", sagt er, doch ich mache weiter und hebe weitere Dinge vom Boden auf.

Wochen lang, haben wir miteinander geschrieben und versucht, ihre Erinnerungen dazu zu verwenden, sie bei uns zu behalten und als er vor mir stand, wusste ich nicht einmal, wer er war.

"Raven", sagt er, doch ich höre nicht auf seinen warnenden Unterton und mache weiter mit dem Aufräumen.

Er steht vom Bett auf und kommt mit festen Schritten auf mich zu, ehe er mein Handgelenk packt und mich zu sich umdreht.

"Lass die verfickten Sachen liegen, Delilah!", brüllt er mir direkt ins Gesicht und schon schluchze ich auf.

Nicht, weil er mich angebrüllt hat.

Und auch nicht, wegen des festen Griffes um mein Handgelenk.

Sondern wegen des Anblickes.

Seine Augen rot vom weinen und seine gesamte Ausstrahlung vollkommen ausgelaugt.

Langsam hebe ich beide meiner Hände und lege sie an seine Wangen, was er mir gestattet, doch sein Blick bleibt derselbe.

Erfüllt von Wut, weil er vor mir nicht nachgeben will.

"I-Ich wusste es nicht", flüstere ich mit zittriger Stimme und sehe ihn mit glasigen Augen an.

Sanft streiche ich mit beiden Daumen über seine Wangen und nehme nur nebenbei wahr, wie er mein Handgelenk loslässt und seine Arme einfach an seinen Seiten hängen lässt.

Ich wusste es nicht, aber er wusste, wer ich war.

Wahrscheinlich hat er deshalb so schnell bemerkt, dass ich mich verstellt habe.

Weil er bereits wusste, wie ich wirklich war.

Ich trete näher an ihn heran und lehne mich zu ihm auf, nur um ihm einen flüchtigen Kuss auf das Kinn zu setzen, welches sich gerade anspannt.

Er kann sich nicht mehr zusammenreißen, doch das verlange ich auch nicht von ihm.

Als ich meine rechte Hand hebe und mit dem Daumen die Anspannung zwischen seinen Brauen nachfahre, atmet er zittrig aus.

Mein Herz schmerzt, als ich ihn so gebrochen betrachte.

Tränen bilden sich in seinen bereits roten Augen, ehe er einfach loslässt.

Er legt seine Hände an meine Hüften und zieht mich zu sich, während er seinen Kopf auf meine Schulter fallen lässt.

Sofort schlinge ich meine Arme um seinen Hals und vergrabe meine Finger in seinen Haaren, während er seine in mein Shirt gräbt.

"Ich wusste es nicht", wiederhole ich, während ich versuche, nicht gleich bei dem Klang seines Weinens, mit ihm zu weinen.

Von Anfang an hatten wir diese Verbindung zueinander und ich habe es gespürt.

Trotzdem hatte ich keine Ahnung, woher das alles kam und jetzt, wo ich es endlich herausgefunden habe, wünsche ich mir, ich wüsste es nicht.

Ich ertrage es nicht, Jace so leiden zu sehen.

Hat er immer an seine Schwester gedacht, während er mit mir zusammen war?

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