Achtunddreißig

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Die Ferien hatten begonnen.

Genug Zeit für die Zwillinge, um dich an die bekanntesten Orte zu führen, die ihr auch als Kinder besucht hattet.

„Der Minatogawa-Schrein", murmeltest du leise.

„DU KANNST DICH ERINNERN?", aufgeregt rüttelte Atsumu an deinen Schultern. Es tat dir leid, dass du ihm widersprechen musstest. Als du deinen Kopf schütteltest, brach dir sein enttäuschtes Gesicht fast das Herz.

„Es stand da", sprachst du leise aus und zeigtest auf das Schild.

Eine warme Hand legte sich auf deine Schultern. Du musstest dich nicht umdrehen, um zu wissen wer es war. Die letzten Tage ist dir aufgefallen, dass Osamu der Fürsorglichere von beiden war und Atsumu sich viel zu schnell seinen Emotionen hingab. Doch auch das fandest du liebenswert.

„Bis du weggezogen bist, sind wir mit unseren Eltern fast jeden Sonntag hier gewesen", teilte er dir lächelnd mit.

Ihr tratet näher und du stauntest nicht schlecht. Es war ein kleiner Schrein, doch unbeschreiblich schön. Zumindest in deinen Augen.

„Wieso dieser Schrein, andere sind doch viel näher an unserem Wohngebiet", nachdenklich sahst du dich um, die idyllische Atmosphäre brachte dir innere Ruhe.

Atusumu musterte dich lächelnd, dabei schlug sein Herz um einiges schneller, wenn er dein vor Begeisterung strahlendes Gesicht sah.

„Wir waren früher einmal am Neujahrsmorgen hier, du warst so fasziniert, dass du jedes Mal lieber hierherkommen wolltest", antwortete dir Atsumu auf deine Frage.
Osamu lachte herzhaft. „Stimmt, du hattest dich oft mit deiner Mutter deswegen gestritten", ungläubig sahst du ihn an.

Deine Mutter?

Sie lebte nicht mit euch, das war dir schon bewusst. Doch viel sprach dein Vater nicht über sie. Sie hatten einige Male miteinander telefoniert, du wusstest nur dass sie bald kommen würde.

„Sie sagte auch immer, dass es genug andere Schreine gibt, die genauso schön sind", fing Osamu erneut an. „Ja, aber du meintest dann immer: Die Schönheit-"

„-liegt im Auge des Betrachters", unterbrachst du Atsumu unhöflicherweise. Doch du warst viel zu sehr in deinen Gedanken versunken.

Mit großen Augen sah er dich an und konnte nicht fassen, was du gerade von dir gegeben hast. Er traute sich aber nicht zu fragen, ob du dich an etwas erinnern konntest. Seine Angst wieder der Enttäuschung ins Auge zu blicken, war zu groß und ihm fiel auch auf, dass du jedes Mal ein trauriges Gesicht machst, wenn man von dir erwartete dass du dich erinnerst.
„D-Das.. Das kam mir nur so in den Sinn", schnell hobst du abwehrend deine Hände und Atsumu lächelte dir zaghaft zu. Du konntest dich zwar an all diese Momente nicht erinnern, doch er war ganz zuversichtlich, wenn du schon so einen banalen Spruch, wieder abrufen konntest. Und das automatisch..

„Und hier saßen wir immer heimlich?", amüsiert sahst du zu Atsumu. Osamu hatte sich bereits verabschiedet, er wollte seinem Bruder ein wenig Zeit mit dir geben. Für ihn war es deutlich schwieriger, mit der Situation klarzukommen.

„Ja, deine Mutter hat und jedes Mal runter gescheucht", gluckste er.
Nachdenklich sahst du in den Sternenhimmel.

„Kann es sein.. dass ich mich nicht so gut mit ihr verstehe?", fragtest du gerade heraus.
Atsumu konnte deine Bedenken verstehen, denn das strenge Verhalten deiner Mutter kam heute öfter mal zum Vorschein.

„Hm..", fing er an.
„Also ich würde nicht behaupten, dass ihr euch nicht versteht.. doch mit deinem Vater bist du immer besser ausgekommen, er hat dich immer eher verstanden, als sie", gab er zu.
„Dennoch war sie immer für euch da, also für dich und Riku. Aber wie schon gesagt, dein Vater war immer lockerer drauf und gab dir mehr Freiheiten.. die du gebraucht hast", vor allem während ihren ganzen Streitigkeiten, doch das wollte er dir nicht sagen.

Du wurdest langsam müde und lehntest dich unbewusst an seine Schulter. Am liebsten würde er dich noch mehr an sich drücken und dich küssen, bis du nach Luft ringen müsstest. Doch das konnte er leider nicht. Sein rasendes Herz, brachte ihn beinahe um. Dein Duft, der ihm in die Nase stieg und ihn um den Verstand brachte. Du fragtest dich, ob zwischen euch mehr war als nur Freundschaft.. zumindest fühlte es sich so für dich an. Doch du wolltest ihn keinesfalls darauf ansprechen.

Als er deinen gleichmäßigen Atmen hörte, zog er dich näher an sich heran. Du warst eingeschlafen.

„Ich liebe dich.. so sehr Chizu", hauchte er und drückte dir einen Kuss auf das Haar.

Dein Vater kletterte die wohlbekannte Leiter hinauf. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er euch beide so sah.

„Sie ist also eingeschlafen, hm?!", belustigt hob er eine Augenbraue. Er hätte dich mit Leichtigkeit ins Bett tragen können, wenn du dir nicht den besten Platz zum einschlafen ausgesucht hättest. Das Dach..

„Müssen wir sie schon wecken?"
Atsumu genoss diesen Moment viel zu sehr, um dich gehenzulassen. Dein Vater bemerkte das und konnte es auch einerseits verstehen. Es muss schrecklich sein, jemanden zu lieben.. der einen vergessen hat. Da kam ihm schon eine Idee.

„Ich bringe euch paar Decken und das Zelt, dann werdet ihr wenigstens nicht krank. Camping mal anders", lachte er leise, um dich nicht zu wecken.

Torn - Miya Atsumu x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt