Siebenunddreißig

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Atsumu dachte noch eine ganze Weile über die Worte seiner Mutter nach.

„Der Arzt meinte anscheinend, dass ihre Erinnerungen zurückkommen könnten, sobald sie etwas erneut erlebt oder an bestimmte Orte geht. Es sei wichtig, dass sie ihr Leben so weiterführt wie gehabt. An all die Orte geht, die für sie von Bedeutung waren. Ihre Mutter wird nächstes Wochenende kommen und gemeinsam werden sie nach Tokio fahren.. immerhin hat sie dort ebenfalls einige Zeit gelebt"..

Wie würde er es schaffen, dass deine Erinnerungen wieder zurückkommen. Verzweifelt dachte er nach und zog sich schnell einen Hoodie über, bevor er zu euch rüberging.

Mit Osamu im Schlepptau, standen sie vor deiner Haustüre. Dein Vater öffnete beiden, mit einem erschöpften Lächeln die Türe.

„Sie ist auf der Terrasse", teilte er ihnen mit.

Vorsichtig lugten sie durch die große Glasfront. Als sie dich in der Nestschaukel sahen, musste zumindest Osamu erleichtert ausatmen. Diese Momente konnte er die letzten Monate oft miterleben. Wie du in deiner Nestschaukel, mit einem Buch saßt. 'Das ist doch ein gutes Zeichen', dachte er sich.

„Hey Chizu-chan", kam es ungewöhnlich schüchtern von seinem Zwilling.

Du wusstest nun wer die beiden waren, dein Vater hatte dich sachte und dezent aufgeklärt. Die Jungs von neben an, sind deine Kindheitsfreude. Dass du mit Atsumu eine romantischere Bindung hattest, ließ er zuerst aus. Um dich nicht zu sehr zu verschrecken. Doch du konntest selbst ohne deine Erinnerungen, eine gewisse Spannung wahrnehmen. Beinahe elektrisierend, sobald er dich mit seinen honigfarbigen Iriden ansah. Dein Herz begann wie wild gegen deine Brust zu schlagen. Doch etwas anderes beschäftigte dich noch mehr. Dein Vater meinte zwar, dass die Miyabrüder deine Freunde sind.. doch etwas hatte er verschwiegen.

„I-Ihr.. ihr seid ja Zwillinge", mit großen Augen sahst du zwischen den beiden Jungs hin und her. Kurz dachtest du, dass du doppelt sehen würdest. Doch die verschiedenen Haarfarben, belehrten dich eines besseren.

Kurz sahen sie dich verwirrt an, die Tatsache dass du sie wirklich nicht erkanntest, schmerzte zwar. Doch dein verdutztes Gesicht, war einfach viel zu süß, sodass die beiden nicht anders konnten als zu schmunzeln.

„Niemals!", riefst du erschrocken und hieltst dir dabei die Augen zu.

Ihr saßt zu dritt am Küchentisch und blättertet durch das Fotoalbum, welches dein Vater zuvor ausgepackt hatte.

Die Zwillinge warfen sich einen belustigten Blick zu.

„Wieso um alles in der Welt, hat man uns drei in eine Wanne gesteckt", deine Wangen färbten sich rot und du versuchtest sie vergeblich abzukühlen.

„Unsere Mutter war auf 180, als wir draußen im Matsch gespielt hatten. Wenigstens hatten wir alle noch unsere Unterhosen an", lachte Osamu und nahm das Bild von euch in der Badewanne, in seine Hand.

„Wir waren 5 kommt runter", lachte Atsumu und warf dir einen verträumten Blick zu. Denn deine Mundwinkel zuckten auch nach oben, als du das nächste Bild in die Hand genommen hattest.

Sechs Kerzen waren auf der Torte zu sehen. Du saßt in der Mitte und die beiden Jungen links und rechts von dir. Wütend funkeltest du Atsumu an, der seinen Finger in die Sahnetorte steckte und Osamu schmollte neben dir, weil du seine Hand zurückhieltst, damit er nicht dasselbe tun konnte.

„Das war dein Geburtstag..", Atsumu schien gedankenversunken und strich sanft über das Bild von euch. Es war eine so schöne Erinnerung, die er gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Dennoch konnte er sich an diesen Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen. Der Gedanke, dass du damit gar nichts in Verbindung bringen konntest, stimmte ihn traurig.

„Wir waren wohl überall zu dritt, was?", lachtest du, während du auf das nächste Bild zeigst.
Es zeigte euch drei mit euren Schultüten in der Hand. Breit hattet ihr in die Linse gegrinst und die identisch aussehenden Jungs zeigten beide das Victory-Zeichen.

Die Zwillinge sahen sich ebenso amüsiert das Bild eurer Einschulung an und warfen dir einen undefinierbaren Blick zu.

Sie würden alles in ihrer Macht stehende unternehmen, damit du dich wieder an alles erinnern kannst.

Mit einem Lächeln hattest du dich an der Haustüre von den Zwillingen verabschiedet. Als sie um die Ecke gingen und nicht mehr zu sehen waren, ließt du die Türe ins Schloss fallen und seufzt einmal hörbar auf.

„Verdammte Scheiße", fluchst du leise, bevor du dich mit dem Rücken an die Türe lehntest.

Sie waren so wundervolle Menschen, so bemüht mit dir Zeit zu verbringen.. und du? Du konntest dich nicht mal an sie erinnern. Du bekamst Gewissensbisse und fühltest dich nutzlos. Nichts bekamst du auf die Reihe. Nicht einmal, als ihr die Bilder angesehen hattet, kamen dir irgendwelche Erinnerungen zurück.

Du ließt dich an der Türe heruntergleiten und winkeltest automatisch die Beine an. Du kamst dir so seltsam vor. Als wäre das, das Leben eines anderen und nicht deines. Alles schien fremd. Das Haus, deine Freunde, deine Familie und vor allem du selbst.

Als dein Vater dein Schluchzen vernehmen konnte, eilte er so schnell es ging zu dir. Kniend legte er die Arme um dich und streichelte dir den Rücken entlang.

Er konnte sich denken, weshalb du so reagiertest. Der Psychologe im Krankenhaus hatte ihn auf solche Situationen vorbereitet.

„Das wird schon alles wieder, Liebling. Gib dir selbst die nötige Zeit!"

Torn - Miya Atsumu x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt