Neunundzwanzig

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Auf die Frage, wieso er wusste dass du da warst, antwortete er dir nie richtig. Immer wurde es umgangen und er stellte dir stattdessen eine Gegenfrage. Du wurdest langsam misstrauisch. Doch du konntest nicht leugnen, dass du den Grauhaarigen vermisst hattest. Weshalb du ihm nicht einmal wirklich argwöhnisch gegenüber treten konntest.

Verdächtig war jedoch auch, dass er ständig auf sein Handy schielte. Doch du dachtest dir nichts weiter dabei und fuhrst in deinem Tun fort. Deine Tasche fertig gepackt, ließt du dich kurz auf dein Bett fallen.

Vor ca. 1 Stunde

„Samu, du musst sofort zu Chizu-chan nach Hause und sie aufhalten, bis ich wiederkomme", Osamu konnte seinen Bruder hecheln hören, als würde er irgendwohin sprinten.

„Wie meinst du das, bis du wieder kommst und dass ich sie aufhalten soll, sie ist doch in Tokio?", deutlich verwirrt, konnte Osamu keinen klaren Gedanken fassen.

„Ich bin gerade am Bahnhof, sie ist bereits im Shinkansen und fährt nach Hause um ihre Sachen zu packen. Sie wird eine Stunde vor mir ankommen, also musst du sie diese eine Stunde aufhalten, verstanden?"

„Dafür bekomme ich einen Pudding von dir. Aber nicht den billigen aus dem 4er Pack verstanden?"

„Wenn es sein muss, kaufe ich dir das ganze Kühlregal leer!"

Ungeduldig sahst du auf die Uhr.

„Osamu ich muss jetzt wirklich los, der letzte Zug kommt in einer halben Stunde", leicht gereizt fuhrst du dir durch die Haare. Dir kam es so vor, als würde er dich hinhalten wollen, doch du wusstest nicht wieso.

„Ich weiß.. nur noch ein bisschen. Du weißt ja noch nicht genau, wann du zurückkommst", gab er etwas mitgenommen von sich. Er tat es zwar hauptsächlich für seinen Zwilling, doch ehrlich gesagt war er wirklich frustriert, dass du wieder zurück nach Tokio wolltest.

Es vergingen weitere 15 Minuten, in denen ihr euch ausgelassen unterhalten hattet. So ausgelassen, dass du die Zeit nicht mehr im Auge behalten hattest.

„Mist", fluchst du leise und ranntest schnell die Treppen herunter, dicht von Osamu gefolgt.

„Otōsan!", kreischst du beinahe.

„Du musst mich an den Bahnhof fahren, sonst bekomme ich den Shinkansen nicht mehr", du schlüpfst eilig in deine Schuhe und zogst dir deine Jacke über.
Den Blickaustausch, den die beiden Männer miteinander hatten, bekamst du gar nicht mit. Selbstverständlich war dein Vater in deren Plan eingeweiht.

„Tut mir leid Liebling, der Wagen ist in der Werkstatt.. du kannst ja den am Morgen nehmen!", log er dich an, ohne dabei rot zu werden. Als Osamu hier auftauchte und ihm das Gröbste erklärte, fuhr er sein Auto in die Garage, da er so etwas bereits erwartet hatte.

Seufzend setzt du dich auf die kleine Ablage an der Garderobe und kickst deine Schuhe von den Füßen.

Da Osamu nun sein Ziel erreicht hatte, verabschiedete er sich von euch, denn deinen Frust wollte er ganz gewiss nicht abbekommen.

Du schriebst Akaashi noch eine Nachricht, dass du es nicht mehr schaffen würdest und erst morgen kommen könntest. Natürlich ahnte er bereits, dass du aufgehalten wurdest und es nicht auf den letzten Zug geschafft hattest.

Leise tapst du aus deinem Zimmer. Die Sonne war bereits untergegangen. Es ist schon eine ganze Weile vergangen, seitdem Osamu heim gegangen ist und du hattest keine Lust auf eine Konfrontation mit deinem alten Herrn. Somit schlichst du dich unbemerkt aus der Terrassentüre heraus und standest nun im Garten. Du musstest nicht lange suchen, bis du die angelehnte Leiter an der Außenfassade erkennen konntest. Sie stand immer noch da.
Als du noch ein Kind warst, bist du öfter auf das Dach gestiegen. Wenn deine Mutter es mal mitbekam, gab es selbstverständlich Ärger. Doch das war dir so ziemlich egal. Dein Vater fand es lustig. Ein weiterer Grund, wieso er immer dein Lieblingselternteil war.

Nachdem du hochgeklettert warst, lehntest du dich am Schornstein des Flachdaches. So wie damals.

Als du Geräusche von unten wahrnahmst hieltst du dir den Mund zu. Du wolltest nicht erwischt werden. Dein Vater wäre dir nie böse, doch dann müsste das unangenehme Gespräch beginnen. Es reichte nicht aus, dass du ihn damit verletzten würdest, dass du wieder nach Tokio ziehen möchtest. Nein, er würde auch noch den wahren Grund wissen wollen. Wenn er es nicht schon ahnte.

Der dumpfe Aufprall auf dem Dach, erschreckte dich und du ließt ungewollt einen schrillen Schrei heraus. Wenn dein Vater bis jetzt nicht wusste, dass du auf dem Dach warst. Dann spätestens jetzt.

Deine Augen weiteten sich, als du die Gestalt neben dir erkanntest. Selbst ohne ihn zu sehen, hättest du ihn alleine an seinem vertrauten Duft erkannt. Du wusstest nicht genau, ob es sein Parfüm oder doch sein Duschgel war. Doch es verzauberte dich ungemein. Der Duft von Sandelholz und eine zusätzlich süße Vanille-Note, entzückten deine Nase und ließen dich gierig einatmen.

„Was machst du hier?", deine Stimme glich einem Hauch. Doch er konnte dich klar und deutlich hören.

„Dich sehen, du Dummkopf. Was denn sonst?", lachte er verbittert auf und konnte seine Augen nicht von dir nehmen. Es kam ihm viel zu lange vor, als er dich das letzte Mal sehen durfte.

Torn - Miya Atsumu x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt