Als wir an einem klischeehaften Stadthaus stehen bleiben steige ich aus und nehme meinen Koffer von der Rückbank und bemerke erst jetzt, wie kalt es eigentlich ist. Schnell schließt Shel die Tür auf und beginnt mit dem Treppensteigen und hört nicht mehr auf bis wir im 6. Stock ankommen.
"Shelby wie schaffst du das nur jeden Tag diese Treppen hoch und runterzugehen? Gibt es denn hier keinen Aufzug?" Völlig aus der Puste stütze ich meine Arme auf meine Knie. Ich sollte definitiv wieder joggen gehen. "Gewohnheit, süße." Strahlend steht sie vor ihrem Apartmenteingang und lässt mich rein in die Wärme. Innen ist es kuschelig gestaltet, sodass man sich hier nur wohlfühlen kann. "Ich habe dir ein kleines Zimmer frei geräumt und umdekoriert. Ich hoffe es ist okay für dich." Einladend öffnet sie eine Tür, hinter der sich alles Nötige für mich verbirgt. Ein Bett mit einigen Decken und Kissen dekoriert und eine Kommode für meine Klamotten. Dankend schlinge ich meine Arme um ihren Hals. "Danke. Es ist echt süß." Das ist es wirklich. Ihre Bemühungen geben mir das Gefühl wenigstens für eine Weile willkommen zu sein. Mehr brauchte ich nicht. Nur ein vorübergehendes, gefühlvolles Du bist willkommen.
*
Kurz nachdem ich meinen Koffer ausgeräumt hatte und eine kleine Führung durch ihr Apartment bekommen habe, machen wir beide es uns auf der Couch gemütlich und stellen uns alles bereit, was wir für diesen Abend noch brauchen werden: genug Alkohol, Essensreste von gestern und gute Musik. Während mir Shelby von ihrem Job als Barkeeperin erzählt, höre ich nur den Bass, den ich in meinen gesamten Körper aufsauge und esse die Lasagne, die sie für mich nochmal warm gemacht hat. Zum Runterspülen trinke ich einige Schlucke von dem Bier, das ich bereits geöffnet hatte. "Kristen Mitchell greift nicht sofort zum harten Zeug. Das ist gut. Aber wie kommt es dazu?" Kurzerhand greift sie zu einer Wodkaflasche und trinkt aus ihr heraus. Knapp gebe ich "reine Gewöhnungssache" von mir und trinke mein Bier leer. Bis ich dann doch zum Tequila greife und einige Gläser nacheinander hinunterkippe. Der Geruch des ganzen Alkohols stieg in meine Nase, was mich sofort an ihn erinnert. So geht der ganze Abend bis in die späte Nacht. Lachen, tanzen zu gutem Beat und trinken bis zur Übelkeit. Das hatte ich gebraucht. Einen Abend, an dem ich mich gehen lassen kann und den Gedanken an alle Menschen, die mir nicht guttun verdrängen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer einen gewissen Druck, der mich davon abhielt, das zu tun, was ich will, doch für diese Nacht darf ich das. Das Ganze geht so lange, bis ich meine Augen nicht mehr offenhalten kann und einschlafe.
Mit schmerzenden Gliedern wache ich langsam wegen eines Geräusches aus der Küche auf. Langsam hebe ich meinen Kopf vom Boden und wackele in Richtung Küche. Shelby lasse ich noch etwas liegen. In der Küche steht eine muskulöse Gestalt an der Kaffeemaschine. Ich selbst wollte keinen Laut von mir geben und am besten wieder kehrt machen und mich ins Bett legen. Mein Magen dagegen will unbedingt einen Kaffee und beginnt zu knurren. Natürlich hört der Kerl das und dreht sich mir zu, und da weiß ich wieder, wen ich vor mir habe. "Liam Carter ist endlich mal gewachsen. Verdammt, du hast angefangen zu trainieren", sage ich neckend und ernte darauf ein raues Lachen. "Ich habe dich irgendwie vermisst, Kristen. Alles klar bei dir?" Schon nimmt er mich in den Arm und drückt so fest zu, bis ich fast keine Luft mehr bekomme und ihm deshalb gegen seine steinharte Brust haue. "Wenn du eine Antwort haben möchtest, solltest du mich zuerst reden lassen und dann erwürgen. Nicht andersherum, okay?" Lachend stehen wir uns gegenüber. Eigentlich wollte ich mich mit ihm unterhalten, doch als sich mein Magen wieder meldet, lacht Liam nur auf und fährt sich durch seine hellbraunen, ganz verstrubbelten Haare. "Ich kann dir ein paar Eier machen. Toast?" Oh man, er ist der Hammer. Konnte er etwa Gedanken lesen? "Ja Bitte. Leicht angebrannt?" Kurz ziehe ich eine bittende Miene, bis er lacht. "Falls du es nicht mehr weißt, genieße ich es das Toast etwas verkokeln zu lassen." Und schon macht er sich an mein Frühstück. "Ich habe gerade Kaffee gemacht. Wenn du möchtest, kannst du dir eine Tasse aus dem Schrank hinter dir herausholen." Strahlend zeigt er auf den Küchenschrank, während ich ihn nur anschaue. Er ist ein wahrer Traummann. "Liam, ich weiß du bist Shelbyˋs kleiner Bruder, aber ich könnte dich hier und jetzt heiraten." Und schon wieder stehen wir lachend in der Küche. Als das Frühstück fertig ist, gieße ich die köstliche, dunkle Flüssigkeit in eine Tasse und setze mich an den runden Holztisch. "Oh Frühstück!", kommt es erleichtert von Shelby, die gerade in die Küche kommt. Und schon bevor ich etwas sagen konnte, vergreift sie sich an meinem Kaffee und meinem Toast. Echt jetzt? Als Dank schenke ich ihr meinen Killerblick, der sie ganz kalt lässt. Ein Gentleman, wie es Liam eben ist, stellt mir eine neue Tasse mit Kaffee auf den Tisch und flüstert mir in mein Ohr: "Hab Geduld. Du bekommst sofort einen neuen verbrannten Toast." Um mein Grinsen zu verkneifen, stütze ich einen Arm auf den Tisch und verdecke mit der Hand meinen Mund. "Habe ich irgendwas verpasst?", fragend wechselt Shelby ihren Blick von mir zu Liam. "Nah, nicht wirklich. Kristen hat mir nur einen Antrag gemacht." Schulterzuckend legt er mir mein bereits erwartetes Toast auf den Teller. Shelby lacht nur und isst weiter, denn sie spürt nicht diese Schwingungen zwischen Liam und mir. Dabei frage ich mich nur ob er mehr als nur geschwisterliche Liebe empfindet. Ich meine er ist älter und offensichtlich viel attraktiver, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Nichts desto trotz ist er mein kleiner Bruder. Auch wenn wir nicht blutsverwandt sind. "Also, was steht heute an?", frage ich Shelby nach einer Weile. "Was du willst. Aber ich habe den neuen Nachbarn versprochen ihnen heute Nachmittag beim Einzug zu helfen." Kurz nicke ich und verfalle in ein nettes Gespräch mit Liam. Nach einer kurzen Erklärung, weshalb ich mir meine Haare hab kurz schneiden lassen, hole ich mir frische Klamotten und steige endlich unter die warme Dusche.
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Trust me - solange du bleibst
Romance"Man sagt, die erste wahre Liebe vergisst man nicht. Wie sollte ich auch, wenn er mir dicht auf den Fersen ist." Um ihre tiefsitzende Trauer zu lindern, flüchtet Kristen nach New York. Doch zwischen der Liebe und der Trauer herrscht ein schmaler Gr...