Chapter 17

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Eine weitere Stunde sitze ich auf der Couch und sehe mir irgendwelche Sendungen an. Ich dachte es könne mich ablenken, doch da lag ich sowas von falsch. Ich denke nur nach. Darüber, was heute geschah. Darüber was vor einem Monat geschah. Aus Gewohnheit streiche ich mit meinen Fingern über die Wunde an meinem rechten Handgelenk. Während ich darüber nachdenke, wie leicht es mir fiel, die Wunde so tief wie nur möglich einzuritzen, nehme ich nichts mehr wahr außer der spürbaren Narbe. Ich spüre nicht einmal wie mir zuerst eine, dann die nächste Träne über die Wange rollt. Bis zu einer wärmenden Umarmung. Hastig wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und setze mein Schutzschild wieder ein. Es ist ein Jahr her, als ich das letzte Mal geweint habe und es dieses Mal vor Shelby zu tun, gibt mir ein Gefühl von Schwäche. Während sie mir sanft über den Rücken streicht und mir sagt ich soll es rauslassen, sagt mir meine Selbstbeherrschung, dass ich es nicht tun soll. "Shelby ist okay, du kannst mich loslassen", bestätige ich ihr selbstsicher. Langsam zieht sie sich zurück. Ihre Hände ergreifen meine Schultern und mit ihren Himmelblauen Augen mustert sie mich fragend. "Sicher?", fragt sie. Solange ich mich dasselbe noch einmal frage, knurrt mein Magen. Während sie kichert, gebe ich ihr lächelnd ein "Klar" zurück und gehe in die Küche. Zusammen waren wir dabei unser Frühstück zu machen. Sie presst frischen Orangensaft, während ich den Pancake Teig rühre. Als Shelby eine Schale Obstsalat auf den Tisch stellt klingelt ihr Handy. Zuerst klingt sie besorgt, dann aber schnell wütend. Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, schlüpft sie in ihre Schuhe. "Ist alles okay?", rufe ich ihr aus der Küche zu. Kurz erhasche ich sie am Türrahmen. "Nein, Liam hatte eine Schlägerei. Nachdem diese Vollidioten meinen Bruder grün und blau geschlagen haben, sind sie auf seinen Wagen los. Alle Reifen wurden zerstochen und jetzt wartet der Rektor auf mich. Gott wie ich diesen alten Sack hasse." Stinksauer wendet sie sich der Haustüre zu. Fluchend greift sie nach dem Schlüssel. "Ich weiß nicht, wie lange wir brauchen. Frühstücke du schon mal und es tut mir wirklich leid. Hab dich lieb." Und ehe ich auch nur ein Wort rausbringen kann, ist sie weg. So sitze ich hier und frühstücke. Allein. Bis es klingelt. Womöglich hat Shelby ihr Handy vergessen. Schnell gehe ich zur Tür und sehe eine völlig andere Person, als ich eigentlich erwartet hatte. Dean steht vor mir. Ich sollte solangsam mal lernen, durch dieses bescheuerte Guckloch zu schauen, bevor ich die Tür öffne. Sein Haar noch ganz verstrubbelt, als hätte er keine Minute im Bad verbracht. Was mich daran erinnert, dass ich nicht besser aussehe. "Brauchst du noch jemanden, um die Pyjamaparty so richtig krachen zu lassen?" Lachend lehnt er sich an den Türrahmen. Mit gereiztem Unterton gebe ich ihm eine andere Antwort als er erwartet hätte. "Ehrlich gesagt: nein. Ich will nur in Ruhe frühstücken." Trotz dessen lädt er sich selbst ein und betritt das Apartment, während er mich zur Seite schiebt. Keinerlei Spuren von einem Gestank nach Alkohol. Er wirkt wie ausgewechselt. Der Dean, der sich an mir vorbei schiebt und unverschämt draufgängerisch wirkt, hat nichts mit dem Dean von heute Nacht gemeinsam. Mit orientierten Schritten schlendert er dem Pancake Geruch hinterher in die Küche und setzt sich auf meinen Stuhl. Zwar versuche ich ihn vom Stuhl hochzuziehen – aber keine Chance. Dean ist ein stures Muskelpaket. Dazu ist er völlig anders gestimmt als noch vor ein paar Stunden. Als wäre es noch nicht gemein genug, dass er mich einfach zur Seite schubst, als wäre ich nichts, nimmt er sich die Sprühsahne, verteilt sie auf den Pancakes auf meinem Teller und genießt sie genüsslich. Während ich mit verschränkten Armen neben ihm stehe und versuche ihn mir gerade weg zu wünschen stopft er sich weiter Früchte in den Mund. "Die schmecken echt gut", sagt er mit vollem Mund an mich gewandt. "Danke. Könntest du jetzt wieder gehen?" Kurz tut er so, als würde er überlegen, sagt mir dann aber schnell "Nope" und trinkt aus meinem Glas. "Du bist so ein Idiot." "Und du bist so eine Spaßbremse", kontert er direkt und ernst. Autsch! "Ich bin keine Spaßbremse!", gebe ich sofort zurück. "Oh, doch das bist du. Du scheinst einfach viel zu brav und verkrampft zu sein", sagt er total beiläufig und legt sich weitere Pancakes auf den Teller. Naja, das werden wir ja noch sehen. "Okay, vielleicht hast du Recht. Soll ich dir helfen? Ich bin ja so brav." Schnell häufe ich die Sprühsahne auf die Pancakes und klatsche ihm den Teller ins Gesicht. Wer ist jetzt die Spaßbremse, hmm? Ich kann mir einfach kein Lachen verkneifen. Überrascht fährt er sich mit den Händen übers Gesicht, um die Sahne wegzuwischen. Teuflisch grinsend sagt er mir nur: "Das bekommst du sowas von zurück!" Ehe er aufgestanden ist, bin ich bereits ins Wohnzimmer geflüchtet, woraufhin er mir schnell folgt. Um ihm auszuweichen, renne ich um den kleinen Beistelltisch, direkt auf dem Weg ins Schlafzimmer, um die Türe abzuschließen. Doch kurz bevor ich nach der Zimmertüre greifen kann, umfangen mich seine muskulösen Arme. Sie schlingen sich um meine Taille heben mich an und somit wirft er mich lässig über seine Schulter. Im Badezimmer stellt er mich dann wieder ab und ehe ich auch nur einmal blinzeln kann, zielt er mit der Duschbrause auf mich und lässt dem Wasser freien Lauf. Wäre es doch wenigstens warmes Wasser. Die kalte Nässe bringt mich zum Zittern und immer wieder rufe ich er solle aufhören, doch er tut es nicht. Grinsend lässt er mich noch einige Minuten lang frieren, bis er Gnade zeigt und mir ein frisches Handtuch gibt. "Und wie war die Dusche, Prinzessin?" Ihm scheint das echt Spaß gemacht zu haben, denn keine Sekunde über schwindet sein Lächeln. Erst als Dean mein durchnässtes weißes Shirt begutachtet schwindet sein Lachen. Seine Augen verdunkeln sich, bis ich verstehe, was abgeht. Meine harten Nippel stellen sich auf und strecken sich Dean geradewegs entgegen. Er räuspert sich kurz und wendet den Blick von meinen beiden großen Mädels ab. Kurz grinse ich und verschränke meine Arme direkt vor meinen Brüsten. "Nenn mich nicht so. Dank dir bin ich jetzt nass." Diese Aussage scheint er völlig falsch zu verstehen, weil er mich jetzt wieder mit diesem scharfen Blick ansieht. Ich haue ihm gegen seinen Arm, um diese schmutzige Atmosphäre etwas aufzulockern. "Du solltest dein Gesicht mal sehen. Die Sahne steht dir", grinse ich, während ich meine tropfenden Haare mit dem Handtuch ausquetsche. "Dir würde meine Sahne bestimmt besser im Gesicht stehen", grinst er. Allerdings bekommt er nicht die Reaktion von mir, die er wohl erwartet hatte. Kopfschüttelnd gehe ich an ihm vorbei und höre seinen weiteren Worten halbherzig zu. "Ich sollte sowieso wieder rüber gehen, schließlich darf ich mich jetzt erst noch schnell duschen." Schmollend verschränke ich meine Arme vor der Brust. Sanft kneift er mir an mein Kinn. "Ist die kleine Prinzessin jetzt etwa beleidigt, weil ich gehen muss?", fragt er besorgt. Die Art wie er mit mir spricht lässt meinen Körper auf ihn reagieren. Verdammt. "Nö. Ich bin beleidigt, weil ich jetzt kein Frühstück bekomme", erkläre ich ihm genervt. Kleine Fältchen machen sich auf seiner Stirn breit, bis ich ein hoffnungsvolles Flackern in seinen Augen wahrnehme. Ich mache es wieder gut. Versprochen. "Der Grund, weshalb ich überhaupt geklingelt hatte, ist, dass ich dich zum Abendessen einladen wollte." Mit Dean zu Abend zu essen könnte jegliches Verhältnis zwischen uns nur komplizierter machen. Also war es ganz klar keine gute Idee. "Danke für die Einladung, aber ich habe schon etwas vor." Das war nicht ganz gelogen. Heute Abend wollte ich ein wenig Zeit für mich haben, um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Enttäuscht nickt er. "Wirklich schade. Ich hoffe dann ein anderes Mal?" "Ein anderes Mal", antworte ich, auch wenn ich es nicht ernst meinte. Dean Edwards durfte mir nicht näherkommen, als er es ohnehin schon ist. "Mach's gut, Kris", und somit verschwindet er aus dem Bad. Einige Sekunden später fällt auch die Haustüre wieder ins Schloss, was bedeutet, dass er weg ist. Einen Moment – was war das? Kris. So wurde ich bisher nur von wenigen Menschen genannt. Meinem Vater und meinem Ex Jayden. Wie kommt er auf diesen Kosenamen? Beide brachen mir das Herz und ließen mich am Boden zerstört zurück. Das alles kommt mir jetzt, wo ich alles noch einmal Revue passieren lasse, so surreal vor. Doch Realität oder nicht – die Tatsache ist, dass Dean mich jeglichen Schmerz aus meinem Leben vergessen lässt. Er lässt mich – auch wenn ich es ihm gegenüber nicht zeige- etwas spüren. Über das, was es ist, bin ich mir noch nicht im Klaren. Aber ich muss es auch nicht wissen. Solange ich ihn auf Abstand halte und es bei kleinen Sticheleien bleibt, habe ich kein Problem mit dieser Situation. Ich denke gar nicht weiter darüber nach, sondern steige schnell unter eine warme Dusche.

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