Chapter 30

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Frisch geduscht genieße ich eine Schüssel Cornflakes und plane alles schon ganz genau. Eigentlich hatte ich gesagt, dass ich zwei Wochen hier in New York bleibe und mir danach erst was überlege, jedoch muss ich früher los. So ist es besser. Kaum hatte ich die Müslischüssel in das Spülbecken gestellt, klingelt das Telefon.

Freundlich melde ich mich und warte auf die Antwort des Anrufers. Schönen guten Morgen, Direktor Holbrook ist mein Name. Spreche ich mit Miss Carter? Nein, tut mir leid. Sie ist gerade nicht zu sprechen. Kann ich ihr etwas ausrichten?, biete ich Mr. Holbrook höflich an. Das wäre nett. Es geht um ihren Bruder Liam Carter. Es ist bereits die zweite Woche, dass er nicht zum Unterricht erscheint. Falls es sich um etwas gesundheitliches handelt, benötigen wir ein ärztliches Schreiben. Ist dies nicht der Fall, wird er die Abschlussprüfungen diesen Frühsommer nicht schreiben dürfen, weshalb er dieses Schuljahr wiederholen müsste. Verwirrt verabschiede ich mich und lege den Hörer ab. Schnell renne ich zu meinem Handy und versuche Liam zu erreichen. Wochenlang hat er Shelby – seine einzige Schwester – belogen. Und wie aus dem nichts fallen mir die Situationen wieder ein, in denen er so schnell wie möglich immer wieder verschwinden wollte. Hatte er nicht sogar noch vor Kurzem behauptet, er würde mit seiner Wissenschaftspartnerin Nicole an einem Projekt arbeiten. Er verbirgt etwas. Ich hoffe nur, dass Liam nicht in Schwierigkeiten steckt. Als auch nach dem dritten Versuch ihn zu erreichen, die Mailbox rangeht, stecke ich das Handy in meine Hosentasche und ziehe mir meine Jacke über. Stürmisch öffne ich die Haustür und will schon durchrennen, bis ich wieder mal gegen eine harte Brust knalle. Du konntest es wohl nicht mehr ohne mich ertragen, grinst er schelmisch. Mit einer Hand klatsche ich ihm auf die wohltrainierte Brust und ziehe mich wieder von ihm fort. Das klären wir später. Augenverdrehend tippe ich ihm mit meinem rechten Zeigefinger auf seine Schulter. Ich muss Liam suchen. Er antwortet auf keinen meiner Anrufe oder Nachrichten. Eilend gehe ich bereits die Treppe hinunter, als ich höre, wie Dean noch einmal sein Apartment betritt, um sich eine von Fell überzogene Lederjacke zu greifen. Vor dem riesigen Gebäude bleibt er stehen, zieht sich seine Jacke über und fordert mich auf, in seinen Wagen zu steigen.

*

Wo denkst du, könnte er sein?, fragt mich Dean, während wir seit zwanzig Minuten vor seiner Highschool warten. Ich weiß es nicht. Ich kenne hier niemanden. Ich kenne keinen seiner Freunde. Nur – Er hat mal eine Nicole erwähnt, platzt es aus mir heraus. Meinst du, sie ist da? Fragend lässt Dean seinen Blick über mich schweifen. Mein Blick schnellt in Richtung Dean. Schulterzuckend greife ich nach dem Türgriff und entferne mich von ihm, in Richtung des Schulgebäudes. Doch er denkt nicht mal daran mich allein gehen zu lassen, und somit folgt er mir mit schnellen Schritten. Nichtsahnend öffne ich die Eingangstüre und bereue es sofort wieder. Massen von Schülern drängeln sich durch den schmalen, langen Flur. Sie beschimpfen sich oder werfen irgendwelche Sachen umher. Das reinste Chaos. Um mir Schutz zu bieten, greift Dean nach meiner Hand, was unsere Körper nah beieinander hält. Bei so vielen Schülern ist es beinahe unmöglich eine einzige Schülerin herauszusuchen. Ich habe nicht mal eine Ahnung davon, wie sie aussieht. Dean scheint zu wissen, dass wir Nicole so nicht finden werden, und zieht mich zur Mädchentoilette. Als uns große, weibliche Teenageraugen erblicken flüstert Dean: Okay, das ist jetzt peinlich. Als die Mädels zu Dean blicken, scheinen sie nicht wütend oder ähnliches zu sein. Ich meine, wieso auch? Ein gutaussehender Mann, der aussieht, als wäre er aus einem Designermagazin entsprungen, steht vor ihnen. Ihr Glückstag. Bis Dean anfängt das Ganze in die Hand zu nehmen, habe ich mich noch gefragt, weshalb er mich aufs Mädchenklo schleppt. Hey, Mädels. Kennt ihr zufällig eine Nicole, die mit einem Liam Carter in Kontakt steht?, fragt er mit seiner rauen und unfassbaren sexy Stimme in die Gruppe hinein. Während die meisten der Mädels damit beschäftigt sind ihn anzustarren, fange ich an, mich an seinen Arm zu klammern. Indirekt versuche ich ihnen zu zeigen, dass er zu mir gehört. Aber das stimmt nicht. Er verdient eine Frau, zu der er komplett hindurchsehen kann. Und bei mir darf er das nicht. Eine große Blondine aus der Gruppe scheint wohl kapiert zu haben, dass sie keine Chance hat und hilft uns weiter. Klar. Sie sitzt gerade im Unterricht. Raum 102. Nachdem Dean sich bedankt hatte, zieht er mich hinter sich her, bis wir Raum 102 erreichen. Du wartest hier. Ich gehe rein und kläre das mit dem Lehrer ab, um sie hier draußen zu befragen, befehlt er. Ich schaffe es nicht mehr frühzeitig zu antworten. Durch ein kleines Schaufenster an der Klassenraumtüre, behalte ich Dean im Blick. Er redet kurz mit dem Lehrer und kommt mit einer großen, schlanken Brünetten auf den Flur. Inzwischen ist es hier wieder still und somit ein guter Ort, um mit ihr zu reden. Fragend betrachtet sie uns. Hey, ich bin Kristen. Eine gute Freundin von Liam. Er sagte mir vor einigen Tagen, dass ihr beide ein Projekt zusammen macht. Inzwischen haben sich ihre Gesichtszüge verfeinert und schon wirkt sie sympathischer. Liam hat mir schon viel von dir erzählt. Ja das ist richtig. Aber wieso seid ihr hier? Ist Liam etwas zugestoßen? Hör zu – Liam ist anscheinend nicht hier in der Schule und zuhause auch nicht. Weißt du vielleicht, wo er stecken könnte? Ihr Ausdruck zeigt große Panik. Ich dachte er wäre krank, flüstert sie mit dem Blick zu Boden gerichtet. Ihr Blick zeigt plötzlich keinerlei Gefühle mehr. Ihr Blick ist leer. Es scheint so, als würde sie überlegen. Tommy. Er könnte bei ihm sein. Er fehlt auch schon seit über einer Woche, antwortet sie schnell und hoffend darauf, dass wir ihn bald finden werden. Danke dir für deine Hilfe. Ich wende mich zum Gehen an, als sie fragt, ob sie mitkommen dürfe. Dean nickt ihr wortlos zu, woraufhin sie zurück in den Klassenraum rennt. Sie zieht sich ihre Tasche über die Schulter und redet kurz mit dem Lehrer, bis wir schließlich zu Dritt in Deans Range Rover sitzen und schweigen. Zwischen der Stille, sagt Nicole alle paar Kilometer, welchen Weg Dean fahren muss.

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