Chapter 16

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Nachdem ich mich wieder etwas gesammelt hatte, ging ich zurück in Shelbys Apartment. Sie fragte nicht einmal nach, wo ich mich herumtrieb. Sie entschuldigte sich nur dafür, dass sie mich allein gelassen hatte. "Halb so schlimm, ich hatte ein gutes Buch dabei. Die Geschichte ist interessant", sagte ich ihr, woraufhin sie nur lächelte und sich dann ins Bett legte. Tja, wie ich sagte: die Geschichte ist wirklich interessant. Nur so ganz verstehen tue ich es noch nicht. Und darüber denke ich auch jetzt noch nach. Der Abend fühlte sich surreal an. Zuerst wollte ich Dean noch hassen, und im nächsten Moment landet seine starke Hand auf meinem Bein. Deans Berührungen fühlten sich wie Brandmarken an. Ich werde das Gefühl seiner Hand nicht los. Wie schon sehr viele Male davor drehe ich mich auf die andere Seite des Bettes, in der Hoffnung wieder einschlafen zu können.

3:47 – Ich schaffe es nicht wieder einzuschlafen.

Wieder drehe ich mich zur anderen Seite und schließe meine Augen. Bis ich wieder auf den Smartphone Display starre.

4:21 – Ich schaffe es immer noch nicht.

Um fünf Uhr gebe ich es dann vollständig auf und schleiche in die Küche, um mir ein Glas Orangensaft einzuschenken. Kein wenig müde lehne ich mich gegen die Küchentheke und genieße jeden Schluck des Fruchtsaftes. Nachdem ich das Glas geleert hatte, mache ich es mir auf der Couch gemütlich und lausche in die Stille. Nicht einmal diese Todesstille bringt mich zum Einschlafen. Da ist nur ein Gedanke. Dean. Dean. Dean. Diese Zärtlichkeit seiner Berührungen brachten mich Stunden zuvor beinahe zum Zerschmelzen. Lange sitze ich noch da und sehe aus dem Fenster.

5:34 – Die Stille wird gebrochen. Eine Stimme ist im Flur zu hören. Leise – um niemanden aufzuwecken – schleiche ich zur Tür und drücke mein Ohr dagegen. "Komm mal runter. Du weißt hoffentlich, dass wir einen Deal haben". Zuvor war ich mir noch nicht sicher, doch jetzt bin ich es. Es ist Dean. Mit wem er wohl spricht? Und was für ein Deal meint er? Bis mir plötzlich die einzig logische Erklärung ins Hirn springt. Das würde sein merkwürdiges Verhalten erklären. Er musste wohl etwas mit Drogen zu tun haben. Ein weiterer Grund, weshalb ich mich fernhalten muss. Ich versuche das Ende des Gespräches zu erhaschen, allerdings spricht er dafür viel zu leise. Das Einzige, was ich mitbekomme, sind ein Paar Zahlen. Er wiederholt sie. Dann höre ich nur noch einen Faustschlag gegen die Wand und dann plötzliche Stille. Ohne zu wissen, was genau ich da tue, öffne ich die Tür einen Spalt weit und trete in den Flur hinaus. Deans Faust ruht noch immer an der Wand und sein Blick ist zu Boden gerichtet. Um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da sein kann, ohne ihm zu nahe zu treten gehe ich wenige Schritte auf ihn zu. "Dean, geht es dir gut?" Und dann passiert es ganz schnell. Er zieht mich in seine starken Arme und haucht immer wieder leise Worte an meine Halsbeuge. "Es tut mir so unfassbar leid." Er sagt es immer wieder. Ich sage nichts. Er riecht unheimlich stark nach hölzernem Whiskey. Er muss wohl betrunken sein, was sein vorheriges Verhalten erklären würde. Im Grunde ist es mir egal, da Dean nichts weiter als mein vorübergehender Nachbar ist. Ich bin für diesen Moment einfach für ihn da. Wie lange ich ihn bisher kenne, spielt jetzt keine Rolle. Warum es ihm leid tut, spielt auch keine Rolle. Ich weiß, wie es sich anfühlt einfach eine Person zu brauchen, die, ohne auch nur ein Wort zu sagen für einen da ist. Allein die Anwesenheit schenkt unfassbar viel Trost – den scheint er bekommen zu haben, denn jetzt lassen seine Arme mich wieder los. Dean betrachtet mich noch wenige Sekunden bis er mir sagt ich solle weiterschlafen. Es klingt echt erbärmlich, doch jetzt wo er mich nicht berührt, ist mir ganz kalt. Ich darf ihn mir nicht noch einmal so nah an mich herankommen lassen. Er ist wie eine Droge – gewöhne ich mich an sie, beginnt die Sucht. Nickend gehe ich die Schritte, die ich zuvor auf ihn zu gegangen bin wieder zurück ins Apartment und schließe die Tür. Dean ein weiteres Mal gesehen und berührt zu haben hat mich endgültig aus der Fassung gebracht. Das bin nicht ich. So will und darf ich nie wieder sein. Die Lösung war theoretisch gesehen so einfach. Ich sollte mich emotional an nichts und niemanden mehr einlassen oder binden. Die Angst davor erneut verletzt oder verlassen zu werden ist hierfür einfach zu groß. Ich kann nicht mal dran denken wieder zurück ins Bett zu gehen. Einen Moment lang stehe ich noch an der Tür, bis ich höre, wie er auch wieder in sein Apartment verschwindet.

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