Chapter 48

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Nach einer warmen Dusche liege ich seit mehreren Stunden im Bett und denke nach. Darüber, wie das mit Dean weitergehen soll. Darüber, wie ich meine Zukunft gestalten soll. Jeder einzelne Gedanke macht mich verrückt und dazu schlaflos. Alles ist so still hier. Liam hatte bis vor ein paar Minuten noch ferngesehen, ist dann aber zurück in sein Zimmer. Dachte ich. Bis ich schnelle Schritte im Flur höre. Ich verhalte mich weiterhin still und horche nur seinen Taten. Als nächstes ist zu hören, wie er sich seine Schlüssel nimmt und die Türe versucht leise zu öffnen. Beim nächsten Geräusch ist mir bewusst, dass er aus dem Apartment ist, weshalb ich mir ebenso meinen Mantel überziehe und den Schlüssel meines Jeeps suche. Oh Mist. Wo hatte ich den nur hingelegt? Verzweifelt lasse ich mich aufs Bett fallen, bis ich wieder draufkomme. Im Geldumschlag. Hastig öffne ich die Kleiderkommode und hebe die paar Pullover an. Um den Umschlag heraus ziehen zu können. Bingo! Schnell schlüpfe ich in meine schwarzfarben Boots und eile Liam hinterher. Dazu versuche ich jedoch einen Abstand einzuhalten. Somit konnte er mich weder sehen noch hören. Mag sein, dass ich kurz davor bin durchzudrehen, aber Liam hat etwas zu verheimlichen. Das letzte Mal, als er weg war, hatte mit ihm auf der Intensivstation geendet. So darf es dieses Mal nicht sein. Auch wenn ich diejenige bin, die ihm kaum etwas erzählt, will ich nicht, dass er sich in eine beschissene Situation reitet und mir geradewegs ins Gesicht lügt. Glücklicherweise funktioniert die Heizung im Jeep wirklich gut. So vergesse ich beinahe, dass ich in nur einem hauchdünnen Oberteil und einer Sportleggings aus dem Haus gestürmt bin. Während der Autofahrt versuche ich immer so weit, wie nur möglich hinter Liam zu bleiben. Wir bleiben so lange auf der Autobahn, bis er eine Ausfahrt nach Queens nimmt und schließlich vor einer katholischen Kirche hält. Seit wann war Liam denn gläubig? Und hätte er nicht einfach ich eine Kirche in New York City gehen können? Um nicht aufzufallen, schalte ich die Lichter des Jeeps ab und parke in einer freigewordenen Parklücke. Darauf wartend Liam würde aussteigen und hineingehen, umklammere ich das Lenkrad immer fester. Diese Aktion war so gar nicht geplant und jetzt komme ich mir ziemlich bescheuert vor. Minutenlang überlege ich, was wohl das Beste wäre. Sollte ich einfach kehrt machen und ihm vertrauen? Als dann eine ältere Dame mit bereits grauem Haar die Kirche verlässt und in Liams Wagen steigt, komme ich zu dem Entschluss, dass Vertrauen völlig überbewertet wird. Die Anzahl der Enttäuschungen, nur weil ich jemandem vertraut hatte, ist unheimlich groß. Aus diesem Grund folge ich den beiden bis hin zu einem kleinen Vorstadthäuschen. Liam parkt direkt in der Einfahrt und hilft der Dame beim Aussteigen. Ich parke wieder ein paar Häuser weiter weg und beobachte sie. Plötzlich bereue ich es mein Handy zerstört zu haben. Wie gerne würde ich Shelby anrufen und sie fragen, wo zur Hölle sie nur steckt. In den nächsten Minuten passiert nichts. Lediglich ein Zimmer wurde beleuchtet. Aber keiner geht rein oder raus. Es bleibt mir nichts anderes übrig als auszusteigen und nach Liam zu sehen. Was er wohl mit dieser Frau zu tun hat? Je näher ich dem Haus komme, desto freundlicher wirkt es. Ein altes Boot steht ebenfalls in der Einfahrt. Es wird von einer dunkelblauen, bereits angefressenen Plane überdeckt. Bevor ich auch nur dazu komme anzuklopfen, öffnet mir die ältere Dame die Tür. Was suchen Sie um diese UhrzeitOh. Tut mir leid. Sie sind Kristen nicht wahr, lächelt sie mir entgegen. Ja, das bin ich. Woher kennen Sie meinen Namen? Völlig verwirrt versuche ich dieser Frau einen Namen zuzuordnen. Bis ich mich an den Aufenthalt im Krankenhaus erinnere. Sie war Liamˋs Krankenschwester. Gianna? Ihr Lächeln wird breiter und somit fasst sie nach meinen Händen. Nickend zieht sie mich in ihr Haus, bis ich Liam mit verschränkten Armen im Flur stehen sehe. Was tust du hier Kris?, seine Stimme klingt gereizt. Dabei hat er doch gar kein Recht wütend auf mich zu sein. Du haust mitten in der Nacht einfach ab. Und sagst nicht einmal wohin. Ich denke ich hatte ein Recht darauf dir zu folgen. Ich bin nicht mehr zwölf Jahre alt. Ich kann auf mich selber aufpassen, zischt er durch zusammengebissene Zähne. Sein Kiefer ist angespannt und seine Hände zu Fäusten geballt. Gianna geht schnellen Schrittes auf ihn zu und fasst ihm an die Schulter. Du musst es ihr sagen; flüstert sie ihm zu. Schmerzerfüllt kneift er seine Augen zusammen, mustert mich dann aber genau. Liam. Was ist hier los? Verängstigt gehe ich auf ihn zu. Und aus dem Nichts fällt er mir um den Hals und sackt sichtlich zusammen. KristenIch habe Scheiße gebaut, schnieft er. Seine Tränen laufen ihm über seine Wangen und tropfen auf meine Schulter. Er verbirgt sein Gesicht an meiner Halsbeuge und um ihn zu trösten kann ich nicht mehr tun, als ihm zuzuhören und seinen Rücken zu streichen. Gianna deutet mir wortlos an, dass sie kurz in der Küche verschwinden wird. Mit einem kurzen Nicken sage ich dann auch Liam, dass wir uns lieber auf die Couch setzen sollten und er mir dann alles genau erzählen soll. Was ich hier zu hören bekomme, hinterlässt eine wahre Gänsehaut auf jedem Zentimeter meines Körpers. Nach dem Unfall von Mom und Dad waren Shel und ich völlig am Ende. Du bist auch verschwunden. Wir wussten nicht, was wir tun sollten, aber Shelby hat dabei die Kurve gekratzt. Sie hat ihr Leben langsam wieder auf die Reihe bekommen. Dem Anschein nach hatte er es aber auch. Er ist ein wirklich schöner und dazu liebenswerter junger Mann, der kurz vor seinem Schulabschluss steht. Ich aber habe versagt Kristen. Ich hab mich bis zur Notaufnahme mit Drogen und Schmerzmitteln vollgepumpt, gesteht er mir und wischt sich dabei die letzten Tränen fort. Vollkommen ausgelaugt stützt er sich auf seinen Knien ab und greift nach einer Tasse Tee, die Gianna gerade auf den kleinen Beistelltisch gestellt hatte. Wortlos sehe ich zu Gianna, die mir die ganze Situation näher erklärte. Sie war schon von dem ersten Notfall an für ihn zuständig und lädt ihn deshalb dauernd auf ein Gespräch zu ihr ein. Wow- das ist wirklich nett von Ihnen, stammele ich. Gott, ich hatte sonst was gedacht, aber niemals wäre ich auf solch eine Erklärung gekommen. Bist du sauer auf mich, fragt Liam leise. Nein. Du hast es geschafft diesem Scheiß ein Ende zu geben. Ich bin stolz auf dich, Liam. Lächelnd nimmt er jeweils eine meiner und eine von Giannaˋs Händen in seine und drückt sie schwach. Seine Augenlider scheinen immer schwerer zu werden, bis Gianna und ich uns von der Couch bewegen, damit er sich hinlegen kann. Schweigend nimmt sie sich eine Decke aus ihrem Schlafzimmer und legt sie über ihn. Solange ich nichts sage, tut sie es auch nicht. Ich gebe Liam nur einen kurzen Kuss auf die Wange und fahre ihm durch seine seidig weichen Haare. Als ich Gianna erblicke, ziehe ich eine Augenbraue fragend an. In der Küche nehmen wir am Tisch Platz. Ich sehe es in deinen Augen, dass etwas nicht stimmt, Liebes. Erschöpft lege ich meine Hände auf den Tisch und falte sie. Ja, das mit Liam hat mich sehr überrascht, gestehe ich ihr. Sie nickt und sagt mir, dass es besser werden würde. Er muss seine nächtliche Angst und Unruhe in Gleichgewicht bringen, aber davon abgesehen bekommt er das hin. Wieder einmal sage ich dazu nichts und nicke nur. Du wirst nicht mehr lange bei ihnen bleiben, habe ich Recht? Kann sie etwa Gedanken lesen? Liam so aufgewühlt aufzutreffen, rief mir in mein Gedächtnis, ich solle die beiden nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen. Shelby hat ihr ungeborenes Kind und damit eine abgesegnete Zukunft verloren und Liam – leidet unter Ängsten und hat eine drogenabhängige Zeit hinter sich. Nein. Ich muss in den nächsten paar Tagen los. Während ich jedes Wort ausspreche, fällt mir auf, dass sie mir so tief es nur möglich ist in die Augen sieht. Das solltest du. Hier ist es nicht sicher für dich, flüstert sie. Langsam steht sie auf und sucht in einer der vielen Schubladen nach einem Notizzettel. Was – was meinst du mit nicht sicher? Falls du noch nicht genau weißt, wohin du möchtest, sie überreicht mir den Zettel und lächelt, kann dich mein Sohn bestimmt für eine Weile unterbringen. Gianna überhört meine Frage und beachtet meine Angst, die mir wohl deutlich ins Gesicht geschrieben steht. Ich meine das wäre großartig, für die kommende Zeit eine Unterkunft zu haben, während ich mich an einem fremden Ort wieder mal alleine zurecht zu finden versuche. Vorfreude und auch Bedenken überströmen mich. Meinen Sie es wäre okay für ihn?, flüstere ich ihr hinzu. Oh, aber natürlich. Er ist ein gastfreundlicher Gentleman. Und dazu frisch geschieden. Sie zwinkert mir hinzu, woraufhin ich einen kurzen Lacher auslasse. Kurz bevor sie mir erklärt, sie würde jetzt ebenfalls ins Bett gehen, bedanke ich mich noch einmal bei ihr. Ach, selbstverständlich. Und du kannst mich ruhig duzen. Andernfalls fühle ich mich so alt, kichert sie und verschwindet in ihrem Schlafzimmer. An den Gedanken ebenfalls schlafen zu gehen, kann ich mich nicht anfreunden, weswegen ich Liam die ganze Nacht im Auge behalte. Bis mich die Woge der Müdigkeit schlagartig übermannt.

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