Chapter 39

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In einer kleinen, gemütlichen Sportbar setzen Dean und ich uns an die Theke. Jede andere Sitzplatzmöglichkeit ist bereits besetzt. Also hatten wir keine andere Wahl, als uns zwischen wild rumbrüllenden Muskelprotzen zu setzen. Ich will ja nicht sagen, dass Dean keine Muskeln besitzt, denn das tut er. Seine Proportionen sind perfekt. Jeder Zentimeter seines leicht gebräunten Körpers ist perfekt. Aber jeder Mann um uns herum hat sich diese Muskeln gespritzt, das ist unübersehbar. Jede Wölbung der Oberarme erscheint künstlich. Dagegen ist Deans Körper hart erarbeitet. Um mich von seinem Körper abzulenken, sehe ich mir die Getränkeliste genauer an. Dabei lasse ich die alkoholfreien Getränke aus und sehe mir die wahren Retter in der Not an. Dean bestellt sich ein Bier, woraufhin ich kurz auflache und dem Mann hinter der Theke meine Bestellung aufgebe. Puren Wodka. Zu unseren Getränken stellt er uns noch eine Schüssel voller Salzbrezeln auf den Tresen und zwinkert mir zu. Da Dean es nicht bemerkt hatte, wende ich mich ihm zu, als sei nichts geschehen und frage ihn etwas aus. Okay, Edwards. Du sagtest du hättest Sachen geplant. Und diese Sachen will ich jetzt erfahren. Kurz lacht er und streicht sich dann über sein Kinn, an dem vereinzelte Stoppeln auftreten. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr, bekomme ich nur wieder zu hören, dass ich mich noch eine Stunde gedulden soll. Augenverdrehend nehme ich einen großzügigen Schluck meines Wodkas, um ihn in einem Zug zu leeren. Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern, sagt er mir daraufhin und nippt an seinem Bier. Du zitierst mir jetzt nicht ernsthaft Konfuzius, lache ich. Als könne er es selbst nicht glauben, dies gesagt zu haben, verkneift er ein wenig seine Augen. Ich denke das hab ich gerade getan. Während das Gebrüll um uns herum immer lauter wieder, sinkt zwischen uns beiden die Stimmung. Jeder einzelne in dieser Bar scheint das Footballspiel zwischen den Philadelphia Eagles und den Los Angeles Rams voller Emotionen zu verfolgen, bis auf uns beiden. Mein Dad hat ihn andauernd zitiert. Er war ein Riesenfan von ihm, gestehe ich Dean etwas leiser, woraufhin er mich mitleidend mustert. Er sagt aber nichts und genau das muss er auch nicht. Ich will ihm das erzählen. Über meinen Vater zu reden, scheint der beste Weg zu sein, mit allem abschließen zu können. Wieso ich es ausgerechnet Dean erzähle, liegt höchstwahrscheinlich nur daran, dass er mir das Gefühl gibt, mich ihm gegenüber öffnen zu können, ohne verurteilt zu werden. Seine warme Hand wandert auf meinen Oberschenkel, was mir einen wohligen Schauer durch meinen Körper fahren lässt. Seine Berührung ist so zart. So liebevoll. Genau wie seine Miene. Dean mustert mich voller Aufmerksamkeit. Erzähl mir mehr von ihm, bittet er leise flüsternd. Daraufhin treffen sich unsere Blicke wieder und da wird mir bewusst, dass ich ihm verfallen bin. Ich begehre ihn bereits zu sehr, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Bevor ich auch nur versucht bin, mich dem Barkeeper zu zuwenden, und nach einem neuen Drink zu fragen, liegt der Ansatz eines aufmunternden Lächelns auf seinem Mund. Seine weichen und perfekt geschwungenen Lippen verziehen sich zu dem Lächeln, was mich einfach verrückt macht. Erst als ich zu sprechen beginne, merke ich, dass sein Lächeln mehr als nur ansteckend ist. Er war mein Held, strahle ich. Sein Lächeln wird größer, aber das ist schon die einzige Reaktion von ihm. Er muss nichts sagen. Sein Lächeln allein hält mich bereits davon ab, in bitteren Tränen zu versinken. Erfolgreich schlucke ich den angestauten Kloß und all die Tränen herunter und greife nach einem neuen mit Wodka gefüllten Glas, um den Rest meiner Trauer hinunterzustürzen. Der bisherige Alkoholintus und das in mir größer werdende Selbstbewusstsein lässt mich weitererzählen. Als ich wieder zum Sprechen ansetze, fühlt es sich so an, als hätte ich keine Kontrolle mehr über mich selbst. Die Worte sprudeln einfach so heraus. Ohne jegliche Zurückhaltung. Beinahe so, als wäre Dean der Maget, der jedes Wort, jeden Buchstaben, anzieht. Wieder an meine Vergangenheit zu denken, lässt alles verschwimmen. Das Gebrüll um uns herum wird leiser. Oder meine Stimme einfach lauter. Aus Angst davor, meine Stimme würde jeden Moment wieder den Geist aufgeben, komme ich kurz und knackig auf den Punkt. An meinem sechszehnten Geburtstag wurde mein Vater tot in unserem Haus gefunden. Kaum waren die Worte raus, schossen mir immer wieder die gleichen Bilder durch meinen Kopf. Mein Vater, mein Held, leblos in seinem eigenen Blut. Sein strahlendes Blau war aus seinen Augen verblichen. Seine sonst so leicht gebräunte Haut ist auf einmal kreidebleich. Und völlig aus dem nichts zerbrach unsere Bindung in tausend einzelne Stücke und was bleibt ist nur diese Kälte. Und wo mein Herz Jahre lang lag und zufrieden schlug, ist nur dieses schwarze Loch. Meine Mom saß nur da. Ihre Augen lagen auf ihm, doch keine Emotion war herauszulesen. Nicht einmal eine Träne war zu sehen. Mir war bewusst, dass ihre Ehe ihre Höhen und Tiefen besaß, doch wie konnte man es so weit kommen lassen? Ich hasse jedes einzelne Bild. Meine Mutter halte ich Dean gegenüber jedoch verborgen. Seitdem sie in einer Nervenheilklinik, oder wie ich es nenne, Psychiatrie, sitzt und sich weigert auch nur mit der Wimper zu zucken, habe ich sie nicht mehr gesehen. Sie gehört nicht mehr zu meinem Leben. Genauso wenig wie meine kleine Schwester. Jahrelang hatte ich versucht auf irgendeiner Weise wieder eine Verbindung aufzubauen, ohne Erfolg. Dakota hasst mich. Und das noch mehr als vor der Beerdigung meines Vaters. Aus dem Nichts ergreift Dean meine Hand und verscheucht wieder jedes einzelne dieser furchterregenden Bilder aus meinem Kopf. Er mustert mich ganz genau. Er muss wohl bemerkt haben, dass meine Gedanken völlig abgeschweift sind. All die Bilder und düsteren Gedanken bringen verborgene Tränen zum Vorschein. Jede Bewegung verfolgt er mit seinen grau grünen Augen, bis sein Blick auf meinen Lippen hängen bleibt, während ich mir auf die Unterlippe beiße. Sanft, um mich nicht zu verschrecken, legt er mir seinen Daumen an die Unterlippe, um diese aus dem festen Griff meiner Zähne zu befreien. Nicht. Tu das nicht Prinzessin. Als sich unsere Blicke treffen, fühlt es sich beinahe so an, als hätte ich meine Stimme verschluckt. Wieso denn?, ist das Einzige, das ich noch hervorbringen kann. Meine Stimme dabei hörbar gebrochen. In seinem Blick steckt plötzlich etwas Düsteres. Zwar ist immer noch dieser liebevolle Funke darin, nur wirkt er jetzt von etwas abgestoßen. Nun ist ihm bewusst wie kaputt meine Familie doch ist. Besser noch, wie verkorkst mein Leben ist. Wenn er davon schon angewidert ist, sollte ich ihm nie etwas von Jayden erzählen. Es wird für immer in mir sein und mich Stück für Stück auffressen. Ich hätte meinen Mund halten sollen, gebe ich mit einem kurzen Lacher von mir. Sein Griff um meine Hand verstärkt sich, sein Blick bleibt aber auf meinen Lippen hängen. Nein, hättest du nicht. Früher oder später – Da gibt es kein Früher oder später, Edwards. Es ist offensichtlich, wie angewidert du von meiner Vergangenheit bist. Langsam schüttelt er seinen Kopf und wendet dann seinen Blick hin zum Ausgang der Bar.

"Du verstehst das falsch, Kristen. Nie wäre ich angewidert oder sonstiges von dir. Falls er diese Aussage ernst meint, bin ich ihm unendlich dankbar. Schließlich hätte er jeden Grund der Welt dazu, von mir angewidert zu sein. Abstand zu mir halten zu wollen wäre dabei völlig normal, doch er denkt nicht mal daran. Stattdessen scheint er an etwas komplett anderes zu denken, da er mit seinem Blick zuerst mich dann wieder den Ausgang der Bar begutachtet. Um keine unnötigen Komplikationen in unser Zusammensein zu bringen, belasse ich es bei seiner Aussage und nicke nur knapp. Ihm gefällt es sichtlich, wie schnell ich nachgebe – mich ihm hingebe. Bei ihm lasse ich alles geschehen. Ob es richtig ist, spielt in diesem Augenblick keine Rolle. Das, was zwischen uns ist, falls da etwas ist, ist nicht auf Dauer. Es steht bereits eine Deadline fest. Und die werde ich einhalten müssen, um mein Leben zurückgewinnen zu können. Um es wieder für mich ganz allein zu gewinnen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, wird es bald nicht mehr ganz so schlimm sein, wie es gerade ist.

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