Chapter 8

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"Und? Hattest du gestern Abend noch Spaß?", höre ich eine genervte Stimme fragend und das beinahe neben meinem Schlafplatz. "Und wie. Alter, Shelby ist unglaublich!" Okay, das ist widerlich. Das ist etwas, was ich nicht von einem Kerl gehört haben muss. Vorsichtig versuche ich aufzustehen, muss mich aber noch etwas an der Couch abstützen. Ich bin noch immer etwas benommen von gestern Abend. So, wie mich die beiden ansehen, will ich gar nicht wissen wie ich aussehe. Lachend schlägt Logan gegen Deans Brust. "Sieht so aus, als hättest du auch etwas Spaß gehabt." Kurz zwinkert er mir noch zu und geht dann in ein anderes Zimmer. Oh ja, wir hatten Riesenspaß. Der Abend war echt scheiße, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Und wenn ich meinen Fuß jetzt so ansehe, kann sich Shelby auf etwas gefasst machen. Nie wieder gehe ich mit Highheels aus dem Haus. "Tut dein Fuß noch weh?" Dean hat bemerkt, wie ich meinen Fuß betrachte. Großartig. Das Einzige, was ich will, ist zurück in Shelbys Apartment zu gehen und mich heiß abzuduschen. "Du brauchst hier nicht den Held zu spielen. Mir geht es super." Hastig nehme ich das Schuhpaar in die eine Hand und stütze mich mit der anderen so ab, dass ich ihm nun stark gegenüberstehe. "Danke fürs nachhause fahren." Leicht humpelnd gehe ich Richtung Türe. "Gern geschehen. Warte – ich begleite dich kurz." Er will mir schon die Türe öffnen, da lache ich und greife selbst nach ihr. "Ich wohne direkt gegenüber. Ich denke das kriege ich hin, Edwards." Mit erhobenen Händen geht er ein paar Schritte zurück und beobachtet mich beim Humpeln. Das tut er so lange bis ich an Shelbys Türe stehe und von Liam reingelassen werde. Er sieht echt besorgt aus. Als er meinen blau gewordenen Fußknöchel sieht wirft er Dean einen echten Killerblick zu. Daraufhin schlägt er die Türe, etwas stärker als es nötig gewesen wäre, zu.

"Wie ist das passiert?", fragt er mich schließlich, während er seinen Kiefer anspannt. "Dank den Schuhen." Kurz hebe ich das Paar der schwarzen Folter auf Augenhöhe und lasse es dann fallen. "Also hat es nichts mit diesem neuen Nachbar zu tun?" Ist wirklich süß, dass er sich so sehr um mich sorgt, doch im Moment will ich einfach nur Ruhe. Mein Schädel pocht und er droht beinahe zu platzen. "Nein, der ist harmlos. Um wen du dich eher sorgen solltest, ist deine Schwester. Shelby und dieser Logan waren gestern Abend einfach weg und wie es aussieht ist sie noch immer weg. Sie hat mir nicht mal eine Nachricht geschickt. Ich habe nichts von ihr gehört, seit sie weg ist." Liegt sicher daran, dass du dein Handy hiergelassen hast du Idiot. Ja gut, ich nehme meine vorherigen Gedanken zurück. "Bleib cool, sie hat mir gestern Abend geschrieben, dass sie dich nicht erreichen konnte und ich dir ausrichten soll, dass sie erst zur Mittagszeit heute wieder kommt. Sie hat einen neuen Job." Hoppla, Liam hat meinen zickigen Unterton bemerkt. Aber wieso rege ich mich denn so auf? Sie hat es verdient Spaß zu haben und endlich jemanden kennenzulernen, dem sie sich anvertrauen kann. Mal abgesehen von ihrem Bruder Liam. "Achso. Dann hat sich ihr Verschwinden wohl geklärt. Ich gehe mich schnell abduschen." Ich frage mich, wieso sie mir nichts von einem neuen Job erzählt hatte. Klar, ihr Barkeeper Job war scheiße, und ihr Chef wollte sie jeden Abend aufs Neue verführen. Aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie auf der Suche nach Etwas Neuem war. Verständnisvoll nickt er. "Okay. Ich wollte mich nach der Schule mit Nicole treffen. Soll ich dir später etwas mitbringen?" "Oh man, ich würde töten, um einen Karamell Macchiato zu bekommen. Am besten noch mit viel Sahne- einen Moment – hat er gerade ein Mädchen erwähnt? Nein, ich meinte, ja überrasch mich einfach. Und- wer ist Nicole?" Lachend geht er in die Küche und stopft irgendwelche Bücher und Hefte in einen Rucksack, den er sich über eine Schulter hängt und wieder zurückkommt. "Bist du etwa eifersüchtig." Mit seinem Zeigefinger stupst er meine Nase an und schlüpft in seine Schuhe. "Haha. Nein, reine Neugier." Nachdem er sich auch seinen Parka geholt und angezogen hat grinst er mich blöd an. "Ach was. Gestern wolltest du mich noch heiraten", sagt er, während er etwas sucht. "Weißt du, wo der Hausschlüssel liegt?", fragt er mich immer noch suchend. Sucht er ihn wirklich, oder will er nur ablenken? "Würdest du mir sagen, wer Nicole ist?" Heilige Scheiße. Ich klinge wie eine eifersüchtige Freundin. Oder eine überfürsorgliche Schwester, was ich wohl auch bin, in Anbetracht dessen, dass ich mich für Shelby und vor allem für Liam schon immer verantwortlich gefühlt hatte. Und seit wann bitte schön halte ich meine Arme verschränkt vor der Brust? Schnell lasse ich sie wieder seitlich hängen. Als ich meinen Blick senke sehe ich den Schlüssel ein wenig unter der Couch liegen. "Wenn du es unbedingt wissen möchtest, Nicole ist meine Naturwissenschaftspartnerin. Wir treffen uns nur, um unser Projekt abzuschließen. In der Nähe ist ein Starbucks, deshalb dachte ich mir, du würdest vielleicht etwas von dort wollen. Fuck wo ist denn dieser Schlüssel- ich muss los. Der Unterricht beginnt in zwanzig Minuten." Da er mir eine Antwort auf meine Frage gegeben hat, bücke ich mich, um den Schlüssel zu holen und ihm diesen entgegenzuwerfen. "Viel Spaß in der Hölle und fahr vorsichtig." Ich bin so froh, dass ich die Highschool erfolgreich und lebendig abgeschlossen hatte. Diese Zeit war für mich einfach nur – wie bereits erwähnt- die totale Hölle. Mach ich immer. Bis dann. Zum Abschied gibt er mir einen kurzen Klapser gegen meinen Oberarm und geht mit schnellen Schritten durch die Tür. Und so stehe ich hier – allein in Shelbys Apartment.

Nachdem ich die kurze Dusche durch ein langes und wohltuendes Bad ersetzt hatte, ziehe ich mir eine bequeme Leggins und einen langen Pullover an und mache es mir mit einer Schale Müsli auf der Couch gemütlich. Lange schon habe ich mir überlegt, ob ich Dakota – meine jüngere Schwester - besuchen sollte. Doch immer, wenn ich zu dem Entschluss komme loszufahren und sie endlich wieder zu sehen, beginne ich zu zweifeln. Wird sie mich noch immer hassen? Will sie mich jemals wieder sehen? Und dann ist da noch die Frage, wohin Mom und Dakota nach dem Tod meines Vaters gezogen sind. Das Letzte, das ich mitbekommen hatte, war der Beschluss umzuziehen. Nur habe ich absolut keine Spur, wo sie sich jetzt wohl aufhalten. Ob nah oder fern von mir. Gleich nach Dads Tod bin ich zu Jayden gezogen. Ich dachte ich hätte wenigstens noch eine Person, die mich beschützen und lieben würde. Das Ganze lief allerdings nicht so ganz wie gedacht. Völlig gedankenverloren starre ich ins Leere und rühre nur noch das letzte bisschen Milch mit den Früchten darin in der Schüssel rum. Ich muss an die frische Luft. Nur hier rumzusitzen, tut meinem Fuß zwar gut, meinen Gedanken allerdings so gar nicht. Da sind nur etwa eine Million Was wäre, wenn? Fragen, die ich wohl niemals beantworten werden, kann.

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