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Wie jeden Tag öffnet Jisung mir die Tür.
Wie jeden Tag geht er in sein Zimmer.
Wie jeden Tag verbringe ich meine Zeit alleine im Wohnzimmer.
Wie jeden Tag mache ich Jisung etwas zu essen.
Wie jeden Tag kommt Felix um die selbe Uhrzeit vorbei und ich sage ihm das es Jisung gut geht.
Jeden Tag. Seit drei Wochen läuft jeder Tag gleich ab und ich hasse es.
Es muss sich etwas ändern und zwar sofort, sonst werde ich noch wahnsinnig.

Ich stelle Jisung einen Teller auf den Tisch und seine Medikamente dazu. Er kommt in die Küche und ich gehe ins Wohnzimmer. Jedoch nicht für lange. Nach ungefähr sieben Minuten gehe ich zurück in die Küche, setzte mich ebenfalls an den Tisch und beginne zu essen. Jisung beachtet mich nicht. Er hört jedoch auch nicht auf zu essen. So sitzen wir uns einfach still gegenüber und das einzige, was mal hört, ist das Klirren des Bestecks.

Als Jisung fertig gegessen hatte achte ich darauf ob er seine Medikamente nimmt. Jisung jedoch macht keine Anstalten die Tabletten nehmen zu wollen. Jisung war schon im begriff zu gehen, da stehe ich schnell auf und stelle mich vor ihn. Er wollte an mir vorbei doch stelle ich mich erneut in den Weg. Jisung atmet genervt aus, richtet seinen Blick nun auf mich. Schneller als er hätte reagieren könne schnappe ich mir seinen Rollstuhl und schiebe ihn zurück an den Tisch. Ich räume alles außer Reichweite womit er mich beworfen könnte und stelle die Räder fest, damit er nicht einfach abhauen kann.
Sobald ich wieder vor ihm saß lege ich seine Tabletten vor ihm ab. Jisung starrt mich eine weile an, wendet seinen Blick dann jedoch zur Seite. 

„Wir bleiben hier so lange sitzen bis du deine Medikamente endlich genommen hast." Ich lehne mich an die Wand und verschränke meine Arme. Jisung schaut noch immer zur Seite und kaut dabei auf seiner Zunge herum.
Ich wusste nicht was ich zu ihm sagen könnte um ihn dazu zu überreden endlich seine Medikamente wieder zu nehmen. Ich wusste auch das er nicht wollte das ich mit ihm rede. Aber wir können uns die nächsten vier einhalb Monate nicht einfach nur anschweigen. Das Funktioniert nicht.

Wir sitzen nun schon seit bestimmt zwanzig Minuten hier am Tisch, ohne das Jisung mich angesehen oder seine Medikamente genommen hatte. So langsam werde ich ungeduldig. Was kann daran so schwer sein drei Pillen zu schlucken. Anders als mit der Sache beim Pool kann ich Jisung nicht dazu zwingen sie zu nehmen. Ich muss also warten bis er sie von selbst nimmt. Und das kann sehr lange dauern.

Nach weiteren zehn Minuten ruft mich jemand an. Ich gehe ran ohne nachzusehen wer es ist und ohne Jisung aus den Augen zu lassen.
„Hallo?" Melde ich mich.
„Minho, bist du noch bei Jisung?" Höre ich Hyejins Stimme fragen. Sie klingt sehr gestresst und aufgewühlt, was mich stutzig macht.
„Ja. Ist was Passiert?" Frage ich sie und bemerke das ich so langsam Jisungs Aufmerksamkeit bekomme.
„Keine sorge uns gehts gut die Sache ist die, Junseo und ich müssen noch heute nach New York fliegen. Es gab da ein Paar Missverständnisse die wir regeln müssen. Jedenfalls musst du bitte für drei oder vier Wochen bei Jisung bleiben, kommt darauf an wie schnell wir die Sache klären können." Erklärt sie mir und ich muss nervös schlucken. Jisung wird nicht zulassen das ich so lange bei ihm bleibe. Er hat schließlich klar gemacht das er nicht will das ich wieder mit ihm alleine hier wohnen muss.
„Aber-"
„Du wirst das schon schaffen. Jisung wird sich zwar einen Moment darüber aufregen aber er wird sich auch wieder beruhigen. Ich muss jetzt auflegen. Viel Glück."
„Aber Hyejin! Hyejin? Hallo?" Sie hat einfach aufgelegt.

Ich Nehme mein Handy vom Ohr, muss erst einmal tief ausatmen bevor ich wirklich verstehe was grade passiert ist. Ich reibe mir kurz übers Gesicht bis ich Jisung endlich ansehe. Jisung sieht mich neutral an und erwartet von mir das ich ihm berichte was seine Mutter mir gesagt hat.
Ich bin sowas von am Arsch.
Und Tot.
Ich bin am Arsch und Tot.
Jisung wird mich wahrscheinlich mit irgendwas im Schlaf erstechen oder so.
Na wunderbar.

Ich seufze ein letztes mal während mich Jisung nun abwartend ansieht.
„Deine Mutter hat gesagt das sie für längere zeit nach New York müssen und ich soll solange bei dir bleiben." Teile ich ihm die Hauptaussage von unserem Gespräch mit. Jisung starrt mich ohne Ausdruck im Gesicht an und beginnt langsam zu nicken. Ich bin mir nicht sicher ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Ich sehe Jisung an und kann nicht genau sagen was er grade denkt.
Selbst nach mehreren Minuten bekomme ich von ihm keine genaue Reaktion.

„Kannst du mal was dazu sagen!" Vordere ich ihn genervt auf.
Statt mir zu antworten nimmt Jisung seine Tabletten, steckt sie sich in den Mund und spült die mit Wasser runter. Danach verrenkt er sich umständlich um seine bremsen zu lösen und verschwindet aus der Küche.
Okay was war das eben?
Während Jisungs Aktion konnte ich nichts sagen und auch nicht reagieren.
Das ist doch totaler Müll. Was läuft hier eigentlich für eine Tour ab. Ich versteht überhaupt nichts mehr. Ich bin verwirrt bis zum geht nicht mehr.

Ich schrieb meiner Mutter das sie mir ein Paar Sachen vorbeibringen soll. Während ich auf sie warte versuche ich zu verstehen was Jisung mit seiner Aktion bezwecken wollte.
War es weil er damit einverstanden ist das hier bleiben muss?
Oder weil er keine Lust hatte mir zu antworten?
Vielleicht tat er es auch, weil ich gesagt habe das er erst gehen kann, wenn er die Tabletten genommen hat.
Er hat also nur einen Ausweg gesucht um nicht länger mit am Tisch sitzen zu müssen.

Als es klingelt gehe ich hin und öffne meiner Mutter die Tür. Sie hat zwei Vollbepackte Sporttaschen umhängen. Ich nehme ihr eine ab und lasse sie ins Haus. Jisung wird mich dafür hoffentlich nicht umbringen.
„Es ist schön hier" bestaunt meine Mutter das Haus. Zumindest das was sie davon bis jetzt gesehen hat.
„Ja nur sehr leise und es kommt einem nicht so vor als würde hier jemand leben." Erkläre ich ihr, da ich mich in den letzt Wochen so gefühlt habe in denen ich hier war.
„Wo ist denn der Junge auf den du aufpassen sollst?" Sie stellt die Tasche im Wohnzimmer ab und sieht sich suchend um.
„Er ist in seinem Zimmer." Meine Mutter nickt verstehend und sieht sich weiter um, während ich die Taschen ins Gästezimmer bringe. Ich kann meine Mutter durchs Wohnzimmer laufen hören während ich meine Klamotten in den Schrank räume.

„Oh Hallo." Höre ich sie plötzlich sagen.
Oh nicht doch.
So schnell ich kann renne ich aus dem Zimmer zu meiner Mutter die im Flur am Bücherregal steht und Jisung ihr gegenüber aus seinem Zimmer überrascht entgegen schaut. Ich bin sowas von tot. Okay Mom du kannst schon mal meine Beerdigung planen.
Jisung schaut nun zu mir, nachdem er bemerkt hatte das ich ebenfalls dabei stehe.
Jisung atmet tief aus bevor er sich einfach umdreht und zurück in sein Zimmer geht.

„Er ist nicht sehr Menschenfreundlich kann das sein?" Meine Mutter dreht sich zu mir, nachdem Jisung seine Zimmertür geschlossen hatte.
„Nein, Nicht wirklich."
„Na gut ich geh dann wieder, ich kann Yoona nicht ewig alleine lassen. Pass gut auf dich auf. Gute Nacht mein Schatz." Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange bevor ich mich ebenfalls von ihr verabschiede. 
Ihr geht es wieder besser und sie scheint die Trennung langsam verarbeitet zu haben. Ich bin froh das es ihr endlich besser geht.

Jetzt muss ich nur noch die Sache zwischen Jisung und mir wieder grade biegen und dann ist alles in meinem Leben wieder in Ordnung. 










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His true nature//Minsung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt