Sobald ich den Rand des Waldes erreicht hatte, blieb ich einmal kurz stehen, um tief durchzuatmen. Der Tag war anstrengend gewesen und ich hoffte, im Wald etwas Ruhe zu finden vor dem schlafen gehen. Zuhause hatte ich oft ausgedehnte Waldspaziergänge unternommen, wenn ich unkonzentriert oder gereizt gewesen war. Oder einfach nur meine Ruhe wollte. Diese Angewohnheit wollte ich hier in Japan nicht ablegen. Also stöpselte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und startete die Musik. Gemächlich schlenderte ich den schmalen Waldweg entlang, der Mond hoch am Himmel strahlte stumm vor sich hin und gab dem Wald einen romantischen Touch. Je nachdem, wie dicht die Bäume standen wechselte sich die romantische Atmosphäre mit der eines Horrorfilmes ab. Die Kopfhörer wanderten schnell wieder in meine Hosentasche, zusammen mit meinem Handy. Ich ging noch eine Weile weiter, bis ich abrupt stehen blieb. Und etwas bemerkte. Es war ruhig.
Der Wald war grabesstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Keine Vögel, keine Insekten. Kein gar nichts. Nicht mal der Wind wehte. Nur die Sterne blinkten über mir und schienen mir nicht verraten zu wollen, was hier vor sich ging. Was der Wald beherbergte. Neugierig sah ich mich um, mein Blick schweifte über die Bäume, die Büsche. Doch ich sah nichts. Erneut lauschte ich in den dunklen Wald hinein doch er blieb so still wie eh und je. Plötzlich meinte ich, etwas huschen gesehen zu haben. Etwas kicherte. Ich warf meine Neugier hochkant über Bord, machte am Absatz kehrt und rannte so schnell ich konnte zurück Richtung Campus. Der Weg wurde länger, länger, immer länger. Die Bäume verschwammen, Angst flackerte in mir wie eine unruhige Flamme und spornte mich weiter an. Ich ignoriete meine Beine, die langsam aber sicher zu protestieren begannen. Ich war bei weitem keine Marathonläuferin. Doch der Weg endete einfach nicht. Ich biss die Zähne zusammen, verbot es mir, meine Fantasie mit mir durchgehen zu lassen. Erfolglos. Das Kichern wurde lauter, kam näher, näher. Warmer Atem streifte meine Wange. "Pass auf!" schrie eine Jungenstimme, ehe ich auch schon von den Füßen gerissen wurde. Ich kniff die Augen zusammen, wartete auf den Aufprall. Doch er kam nicht.
Der Fall schien entlos. Ich öffnete die Augen, sah, dass ich durch eine Art Tunnel fiel. Schwarze Schwaden umwaberten mich und den Jungen, der mich festhielt. Blut floß ihm aus dem Mund, von der Stirn und tropfte auf seine Jacke. "Bist du okay?" brüllte er über das ohrenbetäubende Tosen an, dass den Tunnel urplötzlich füllte. Die Situation wurde immer absurder. So absurd, dass ich das Lachen anfing. Was war bloß in dem Essen heute gewesen? "Mir geht es besser als dir!" brüllte ich zurück. Er hob überrascht eine Augenbraue. Der Wind wurde immer stärker, immer heftiger zerrte er an meiner Kleidung. Ich hob den Blick und sah, dass weiter oben noch zwei weitere Personen durch den Tunnel in die Dunkelheit stürzten. Ich drehte den Kopf, um zu sehen, wann ungefähr wir aufschlagen und in Stückchen gerissen werden würden. Immerhin würde das schnell gehen. Doch ich sah nichts. Gerade wollte ich den Jungen fragen, da wurde ich von ihm weggerissen. Erschrocken schrie ich auf, ehe die Dunkelheit mich ganz verschluckte und ich ohnmächtig wurde.
Mein Schädel dröhnte, als ich die Augen langsam öffnete. Wie lange war ich weg gewesen? Ich tastete meinen Kopf ab. Dem getrockneten Blut an meiner Schläfe nach zu urteilen mindestens ein paar Minuten. Vorsichtig richtete ich mich auf und sah mich um. Es war als säße ich im Inneren eines wirklich schlecht beleuchteten Brunnens. Die Wände jedoch, deren Ende ich aufgrund der Dunkelheit nicht sehen konnte, schienen endlos in die Luft zu gehen und kein Ende zu finden. Ich rieb mir über die Augen. Sah mich nochmal um. Rieb mir erneut die Augen. Nein, der Brunnen war nach wie vor da. "Glaube es ruhig." ertönte eine Stimme vor mir aus der Dunkelheit. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Zwei rot glühende Augen starrten zurück. Hektisch krabbelte ich einige Meter zurück, was dem Ding in der Dunkelheit ein amüsiertes Glucksen entlockte. "Du bist keine der Jujuzistengören." stellte die Stimme fest. Ich kratzte meinen verbleibenden Mut mitsamt meiner Würde zusammen und stand schwankend auf. Mein Kopf pochte protestierend und am liebsten wäre ich wieder auf den Boden zurückgesunken. Aber den Triumpf würde ich dem Ding nicht geben. Auch wenn es wirres Zeug faselte. "Interessant. Wirklich interessant." Aus den Schatten vor mir schälte sich eine große Gestalt. Ein Mann im weißen Kimono. Nein, der Junge von eben? Er sah anders aus. Älter. Und selbstgefälliger. Schwarze Male die mich an Tattoos erinnerten zierten seine definierten Gesichtszüge, seinen Nacken. Wie fest hatte ich mir den Kopf gestoßen? "Du bist doch der Junge von eben." sagte ich das Erstbeste das mir durch den Kopf schwirrte und erntete ein belustigtes Lachen meines Gegenüber. Mit Entsetzen beobachtete ich, wie sich unter seinen Augen ein weiteres Paar rot glühender Augen öffnete. "Der Rotzbengel ist nicht hier." er sah sich um. "Wie es scheint spaltet der Fluch nicht in Körper, sondern in Bewusstsein." Ich verstand nur Bahnhof. "Der was spaltet in Bewusstsein?" der Mann vor mir seufzte genervt und machte eine ausladene Handbewegung in meine Richtung. Ich kam mir vor wie eine lästige Fliege die er verscheuchen wollte. Wut machte sich in mir breit und ich stapfte erhobenen Zeigefingers auf ihn zu. "Sprich mal Klartext!" fuhr ich ihn an. "Wenn ich was nicht leiden kann dann Menschen die nicht auf den Punkt kommen können!" meine Stimme war immer lauter geworden. Irgendwas an ihm ließ mich rasend werden vor Wut. Sicher seine Arroganz. Oder der Ort hier? Ich wusste gar nichts mehr. Mein Gehirn war ein einziges Fragezeichen. Er wiederholte seine Geste, doch diesmal blieb sie nicht folgenlos. Wie von Geisterhand wurde ich an das andere Ende des Raumes katapultiert. Meine Rippen knackten, als ich an die Wand prallte und zu Boden sank. Blut tropfte von meiner Lippe auf den grauen Boden. Trotzig hob ich den Kopf und blickte geradewegs in seine blutroten Augen. Er thronte über mir wie ein Racheengel. Fehlten nur die Flügel. "Weiß steht dir nicht." spuckte ich ihm wütend entgegen und rappelte mich auf die Füße. Erfreut sah ich, wie sich sein Kimono rot färbte an den Stellen, an denen er durch mein Blut gelaufen war. Grob packte er mich am Kinn. "Der Grad zwischen Mut und Verrücktsein ist schmal." seine Nägel gruben sich schmerzhaft in meine Wangen. Ein irres Grinsen trat in sein Gesicht. "Und dieser Tanz auf Messersschneide gelingt dir ausgezeichnet." Wütend spuckte ich ihm ins Gesicht und löste mich von ihm. Was immer er war, es war mir egal. An der Realität des Spukes hier glaubte ich komischerweise ohne Zweifel. Etwas in mir sagte mir, dass ich hier unten sterben würde. Ob es er war oder etwas Anderes spielte keine Rolle. Also zog ich meine letzte Trumpfkarte. Meinen Stolz. Ich würde nicht heulen. Nicht hier. Nicht so kurz vor dem Ende.
--------------
So, die Spannung steigt!
Ich hoffe, ihr bleibt am Ball!
Eure Erin xx
Über Feedback würde ich mich sehr freuen :)
DU LIEST GERADE
Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Ihren Aufenthalt in Japan, Tokyo, über ein Jahr hatte sich die 22-jährige Adelina anders vorgestellt. Zum ersten Mal echtes Ramen essen, einen Mangashop besuchen und ganz nebenbei ihre Japanischkenntnisse nach dem abgeschlossenen Sprachkurs auf...