Kapitel 26

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An alles, was in der Sphäre passiert war, konnte ich mich nicht erinnern. Nur an verschwommene Bruchstücke. Aber was ich noch wusste, war, dass Mahito nicht lange gebraucht hatte, mich an den Rand des Todes zu bringen. Diese Sphären waren wirklich gottverdammte Todesfallen. War man einmal in einer gefangen, gab es kein Zurück, sofern man nicht selbst eine stärkere Sphäre hatte. Ein Heraus gab es nicht. Man war schutzlos ausgeliefert. Das High hatte mir zwar kurzeitig Kraft gegeben, aber die Fluchtechniken hatte ich deshalb noch lange nicht beherrschen können. Das die Sezierung gelungen war, wenn auch nur am Fuß des Zyklopen und an der seltsamen Frau war reines Glück gewesen. Das war mir erst klar geworden, als das High abgeklungen war. Ich fühlte mich schmutzig, ekelte mich vor mir selbst, vor diesen Gefühlen, die ich gehabt hatte. Es hatte mir Spaß gemacht. Das Töten. Ich hatte Freude daran gefunden, hatte Blut geleckt. Die leise Stimme in meinem Hinterkopf, die bisher kaum mehr als ein Fiepsen gewesen war, hatte an Stärke gewonnen. Sie wollte mehr, riet mir, mich loszureißen und sie alle zu töten. Doch das Gruseligste war nicht das, was die Stimme sagte. Sondern dass es meine eigene Stimme war. Ein Teil von mir war damals in Sukunas Sphäre gestorben und als Monster zurückgekommen.

Ich biss die Zähne zusammen, heiße Tränen liefen mir über das Gesicht, tropften auf den kalten Steinboden zu meinen Füßen. Die dicken Seile, die mich an die Wand fesselten, waren über und über mit Zetteln versehen, auch die Wände waren damit versehen worden. Nicht das ich groß Ahnung hatte. Aber sicher hinderten sie mich daran, auszubrechen. Dabei war ich gar nicht in der Lage, mich zu bewegen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich wusste, dass Sukuna auch eine Umkehrtechnik beherrschte. Doch das hieß nicht, dass ich sie einsetzen konnte. Streng genommen wusste ich einen Scheiß über all seine Fähigkeiten. Jeder meiner Verletzungen wurde mir bei jedem Atemzug schmerzlich bewusst. Ich konnte kaum etwas sehen, so viel Blut war in meinem Gesicht getrocknet. Das Atmen tat weh, hin und wieder hustete ich Blut und sprenkelte damit den Boden vor mir. Ob ich hier sterben würde? So weit weg von zuhause?

Quietschend öffnete sich die Türe vor mir, Geto kam herein. „Wie fühlst du dich?" wütend sah ich ihn an. „Ist das eine rhetorische Frage?" jedes Wort war ein Stich in meiner Kehle. Er sah mich doch, wie sollte es mir schon gehen? „Du bist zäher als gedacht." Ich lachte hohl. „Glaub mir, wenn ich sage das ich wohl diejenige hier bin, die das am meisten überrascht." Geto nahm auf einem der beiden Stühle Platz, die vor mir standen. „Hast du das denn nicht von dir erwartet?" prüfend sah ich ihn an. „Normalsterbliche Leute schlagen sich im Regelfall nicht mit derartigen Fragen herum." Er nickte. „Da ist wohl was dran." Stille füllte den Raum. „Was ist jetzt der Plan?" vielleicht konnte ich so Zeit schinden. Geto schien gerne über seine neue Weltordnung zu reden, vielleicht würde mir in der Zwischenzeit etwas einfallen. „Wir werden dich untersuchen, um zu sehen, ob wir es so schaffen, hinter dein Geheimnis zu kommen." Das stank ja förmlich nach einer Alternativlösung. „Und wenn das nicht klappt?" Geto schlug die Beine übereinander und tat so, als würde er nachdenken. „Dann werden wir wohl zur letzten Möglichkeit greifen müssen." In meinem Kopf gingen die Alarmglocken los, ein ungutes Gefühl schlich sich in mein Herz. „Die da wäre?" Geto lächelte, sein Blick bohrte sich durch mich hindurch. „Dann wird uns nur übrigbleiben, dich zu obduzieren und so nach dem Ursprung zu suchen. Aber mach dir da gar keine Sorgen. Dein Körper würde fast unversehrt zurück nach Deutschland kommen. Mein befreundeter Arzt ist in derartigen Dingen sehr genau." Ich lachte rau, trockenes Blut löste sich in meinem Hals und ließ mich Husten. „Ja, da muss ich mir wirklich keine Gedanken machen. Das ist total krank."

„Ich freue mich, dass du mir so viel Vertrauen zukommen lässt." Als ich den Blick zur Türe hob, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Dort stand Toshiro, gehüllt in einen weißen Arztkittel. Kurz setzte mein Verstand aus, als ich ein mir so vertrautes Gesicht sah, Hoffnung keimte in mir auf. Doch ich schüttelte den Kopf, schlug die Hoffnung in mir nieder. Toshiro war nicht hier, um mir zu helfen. Eher das Gegenteil. „Wie passend. Da wäre gleich noch wer mit im Boot, der meiner Familie glaubhaft versichern kann, dass es ein Unfall war." Ich malte mit meinen Fingern Gänsefüße in die Luft und spuckte Blut auf den Boden. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, erneut brannten Tränen in meinen Augen. „Und sollte auch das nicht klappen, nun dann bliebe uns nur noch Plan C." Toshiro war vorgetreten, hielt eine dünne Stablampe in der Hand und untersuchte mein Gesicht. „Ich lasse dich mal machen, Doktor." Sagte Geto, die Türe fiel hinter ihm laut ins Schloss.

„Toshiro. Bitte. Bitte lass mich gehen." Meine Stimme war leise, wie ein Wimmern. Sanft hob Toshiro meinen Kopf an. „Aber Addie. Das geht nicht. Siehst du denn nicht, an was du hier mitwirken kannst? An einer neuen, reinen Welt. Alles wird besser, wenn wir unser Ziel erreicht haben. Und wenn es dafür nur ein Opfer geben muss, wäre damit allen geholfen." Fast väterlich strich er mir eine blutverklebte Haarsträhne hinter das Ohr. „Das verstehst du doch sicher. Denk nur an deine Familie. Sie alle könnten in unserer Welt weiterleben, sie müssten nicht sterben. Willst du etwa, dass sie sterben, Addie?" stumm schüttelte ich den Kopf. „Manchmal muss man sich Dingen hingeben, die größer sind als man selbst." Toshiros Blick wurde warm. „Das nennt man Schicksal. Und so sehr man es auch will, so sehr man es versucht, vor seinem Schicksal kann man nicht davonlaufen. Auch du nicht, Addie." Er lächelte mich freundlich an. „Je eher du dich deinem Schicksal ergibst, umso eher wird alles wieder gut sein. Nur so kannst du deine Familie retten."

Toshiros Worte hallten lange in mir nach. Ich hatte nie an Schicksal und Bestimmung geglaubt, für mich war das immer wilder Unsinn gewesen. Doch was, wenn das alles stimmte? Wenn es kein Zufall war, dass ich dort in Sukunas Sphäre gekommen war? Sondern Schicksal. Nein, nein, Addie. Glaub den Scheiß nicht, denn dir die Fanatiker hier erzählen! Ich schrie mich selbst an, rüttelte an den Seilen, doch nichts bewegte sich und als mich endlich die Müdigkeit übermannte, gab ich mich ihr dankbar hin.

Ich versuchte, die Tage zu zählen, in denen Toshiro immer wieder vorbeikam und allerlei Proben nahm. Haare, Blut, Hautzellen, Speichel. Doch ich verlor den Faden und mit ihm mein Zeitgefühl. Ich schaffte es kaum, dass Essen bei mir zu behalten, dass man mir gab. Das meiste erbrach ich kurze Zeit später wieder, immer öfter nickte ich weg.

Als ich wieder wach wurde, fiel mir als erstes auf, dass es unglaublich heiß war. Schweiß lief mir über das Gesicht, meine zerrissene Kleidung war bereits nass und klebte mir am Körper. Ich sah, dass unter der Türe Rauch hindurch kam, entfernt meinte ich, Stimmen zu hören. „Addie! Addie wo bist du?" war das Yuji? Ich war mir nicht sicher. Gut möglich, dass meine Verletzungen bereits in eine Sepsis umgeschlagen waren und ich bereits fantasierte. Halluzinationen konnten ein Nebeneffekt einer Sepsis sein, ob es wahr war wusste ich aber nicht. Wer weiß, wie lange ich schon in diesem Loch war. Mit einem Schlag flog dir Tür aus den Angeln, verfehlte meinen Kopf nur knapp. Verschwommen sah ich Yuji, Megumi und Nanami in das Zimmer stürmen. Sie alle waren schweiß- und rußverklebt. „Addie!" Nanami stürzte auf mich zu und machte sich gemeinsam mit Megumi daran, die Seile zu lösen. „Sie muss schnell zu Shoko!" wie durch eine Wand nahm ich Megumis Stimme wahr, sie war nah und entfernte sich dann doch wieder. Als die Seile gelöst waren fiel ich wie ein nasser Sack auf den Boden. „Ich bezweifle, dass sie das schafft." Nanamis besorgte Stimme drang durch den Nebel in meinen Kopf, ich hustete, als der Rauch meine Lungen füllte. „Yuji! Pack mit an!" Megumi zog mich auf die Füße, zusammen mit Nanami schleppten sie mich zur Türe. Laut schrie ich auf, als Megumi gegen meine gebrochenen Rippen stieß und sie sich nur weiter in meinen Körper bohrten. „Du hast Recht, Nanami. Sie schafft es nicht." Yuji straffte die Schultern, er schien einer nichthörbaren Stimme zuzuhören. Ein entschlossener Ausdruck trat in seine Augen. „Wir tauschen!"

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Eure Erin xx

Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt