Kapitel 11

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Ungläubig starrte ich auf Satorus Handybildschirm. Er war so freundlich gewesen, die Male in meinem Nacken zu fotografieren, bevor sie wieder verschwunden waren. Langsam, aber sicher verschwamm meine Sicht, ich spürte die Tränen über meine Wangen laufen. Überwältigt von der Situation sprang ich auf, warf Satorus Handy achtlos auf das Sofa und stürmte aus der Türe. „Addie! Warte!" ich hörte Yuji in meinem Rücken rufen, hörte, wie er und noch ein paar Fußpaare hinter mir her liefen. „Bitte bleib stehen!" rief er erneut. Ich ignorierte ihn und wurde schneller, die Schritte hinter mir verstummten. Mit aller Kraft warf ich mich gegen die Türen am Ende des Ganges, die auch sofort aufschwangen und mich auf den Innenhof ließen. Blind rannte ich weiter über die Grünfläche, in den Wald hinein. Jetzt, wo ich außer Hörweite war, konnte ich meinem Gefühlschaos ungehindert Luft machen. Laut schrie ich meine Wut und mein Ohnmachtsgefühl in den Wald hinein. Erschrocken erhoben sich einige Vögel in den klaren, wolkenlosen Himmel und gackerten empört. Ich rannte durch den Wald, bis meine Lungen brannten wie Feuer. Nein, dass konnte alles nicht wahr sein. Flüche sehen, ja, damit hätte ich mich arrangieren können. Aber einer sein? War ich denn überhaupt noch ein Mensch?

Meine Füße trugen mich wie von selbst weiter, bis ich an einem kleinen See ankam. Erschöpft ließ ich mich in den weichen Waldboden am Ufer des Sees fallen. Mein Gesicht war tränennass, ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Wimmernd sah ich auf den See hinaus. Ruhig schwappten die Wellen ans Ufer vor mir, ich sah, wie langsam die Sonne unterging. Ich dachte zurück an meine Familie. Meine Eltern, meinen Bruder. Wie sollte ich denn so zurück nach Hause gehen? Als Fluchmonster? Wieder spürte ich diese Wut in mir kochen, sie kitzelte mich im Nacken und breitete sich rasend schnell aus. Durch den Tränenschleier betrachtete ich meine Hände. Meine Nägel waren länger und dunkler geworden, schwarze, wenn auch nur schwach sichtbare Male zierten meine Arme, wohl auch wieder meinen Nacken. Ich beugte mich vor, um mein Spiegelbild im See zu sehen. Exakt jene Male, die ich auch an Sukuna im Schacht gesehen hatte, zierten jetzt auch mein Gesicht, begleitet von einem leichten roten Schimmer in meinen sonst blauen Augen. Auch meine Brust wurde von schwachen Malen gezeichnet. Sie waren zwar nur schwach zu sehen, aber doch klar genug, um mich in ein tiefes Loch aus Angst und Verzweiflung zu werfen. Wütend schlug ich mit der Hand auf die Wasseroberfläche, mein Spiegelbild zerfloss sofort und ich zog mich schluchzend zurück, kauerte mich am Seeufer zusammen und schlang die Arme um meine Beine. Mittlerweile war ich zu müde, um weiter weinen zu können.

Ich spürte, dass Satoru kam, noch bevor man ihn hätte hören oder sehen können. Musste wohl an diesen neuen Fähigkeiten liegen. Doch ich drehte mich nicht zu ihm um, reagierte auch nicht, als er sich neben mich an das Seeufer setzte. „Schöner Mist, was?" fragte er. Wieder sagte ich nichts und starrte weiter auf das Wasser. Eine Weile lang saßen wir in einvernehmlicher Stille da, hörten bloß dem Plätschern des Wassers zu. „Wie soll ich denn so wieder nach Hause?" flüsterte ich schließlich und spürte erneut, wie mir die Tränen über die Wangen liefen. Ein Blick auf meine Hand verriet mir, dass die Male wieder verschwunden waren. „Das mag nach einer leeren Alltagsfloskel klingen, Addie." Satoru wand sich mir zu und schenkte mir ein Lächeln. „Aber wir werden dafür eine Lösung finden. Ich möchte es nicht schönreden oder dich anlügen. Aber man wird es wohl nicht rückgängig machen können." Ich schniefte. „Woher willst du das wissen?" „Nun, bei Yuji ist das etwas anders. Er hat durch die Finger Sukunas die Fluchkraft bekommen. Er konnte vorher wohl auch keine Flüche sehen. Würde man, rein theoretisch, ihm die Finger wieder abnehmen müsste sich auch das mit der Fluchkraft erledigt haben. Aber du, du hast nichts bekommen was man dir so gesehen wieder abnehmen könnte. Verstehst du, was ich meine?" ich nickte. Es machte Sinn, was Satoru sagte.

Ich wischte mir mit dem Ärmel über das Gesicht, um es ganz zu trocknen. „Und was kann ich jetzt tun?" „Na du bleibst bei uns und lernst das alles!" rasch drehte ich mich um. Ich hatte Yuji, Megumi und Nobara im Gegensatz zu Satoru nicht gespürt. Yuji lächelte mir, nachdem er gesprochen hatte, aufmunternd zu. Megumi nickte bloß. „Wie aufregend. Dann bin ich nicht mehr das einzige Mädchen im ersten Jahr." Warf Nobara ein und lächelte. „Ihr meint ich soll an eure Akademie kommen?" „Unsere Akademie." Satoru lächelte und half mir auf die Füße. „Wenn du das möchtest."

Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt