Kapitel 30

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Ungläubig rappelte ich mich wieder auf die Füße und ging langsam auf das Bett zu, in dem Sukuna lag. Er sah so friedlich aus, wenn er schlief. Sanft fuhr ich mit meinen Fingern über seine Wange, spürte seine warme Haut. Ein Kribbeln durchfuhr mich, als ich mit dem Zeigefinger die Zeichnungen auf seiner Wange nachfuhr. „Wir sind alle so überrascht wie du." Yaga hob den Kopf und sah mich durch seine Sonnenbrille hindurch an. „Kein Wunder, dass die Hohen am Rad drehen." Meinte ich bloß, ehe ich nach Sukunas Hand griff und sie vorsichtig drückte. Seine Augenlider begannen, zu flattern. Doch schnell legte sich das wieder. Ich ruckelte die Decke unter all den Seilen so gut es ging zurecht und wand mich dann Yuji zu. Auch, wenn beide nach wie vor dieselbe Haarfarbe und denselben Körperbau hatten, waren doch einige Sachen unterschiedlich. Sukuna war sicher einen Kopf größer, seine Gesichtszüge schärfer als Yujis.

Ich legte Yuji meine Hand auf die Stirn. Kein Fieber, zum Glück. „Shoko war schon hier?" Nanami nickte. „Keiner von uns weiß so richtig, wie sich das auf Yuji auswirkt. Die Beiden schlafen seit zwei Tagen, wie du. Du bist die Erste, die wieder aufgewacht ist." Satoru war vorgetreten und zog an den Seilen, die Yuji ans Bett fesselten. „Das ist bloß eine Sicherheitsmaßnahme." Beantwortete er meinen fragenden Blick. Ich hob Yujis Kopf hoch und schüttelte sein Kissen etwas auf. Ich wusste, dass er es hasste, wenn es plattgelegen war. Er seufzte leise, als ich seinen Kopf sanft wieder in das Kissen sinken ließ. Ich sah, dass er zitterte. „Haben wir nicht noch eine Decke für ihn?" Nanami öffnete einen der Schränke und deckte den Jungen mit fast schon väterlicher Fürsorge zu, ehe er sich neben Yuji ans Bett setzte. „Ihr entschuldigt mich kurz?" Yaga war aufgestanden und zückte sein Handy. „Mir stehen unangenehme Telefonate bevor." Mit diesem Worten ließ er uns zurück und Satoru machte es sich auf dem jetzt leeren Stuhl bequem.

Vorsichtig setzte ich mich an Sukunas Bettrand und nahm seine Hand. Sanft strich ich ihm die Haare aus der Stirn. Ob das, was ich gesehen hatte, wirklich seine Vergangenheit gewesen war? Wenn ja, dann konnte ich das Grauen gar nicht in Worte fassen. So etwas sollte kein Kind durchmachen müssen. Da wunderte es mich nicht, dass er eben war, wie er war. Ich drückte einen Kuss auf seinen Handrücken und wand mich dann zu Satoru und Nanami um. Beide sahen mich an, aber weder überrascht noch enttäuscht. „Warum habt ihr ihn überhaupt gerettet?" „Weil du es auch getan hättest." Satorus Antwort sprudelte quasi über vor Ehrlichkeit. „Ich weiß, dass du nicht gegangen wärst, ohne dass er dabei gewesen wäre." „Der Hauptgrund war eigentlich, dass wir bisher nur 10 Finger haben. Selbst wenn wir Sukuna dort zurückgelassen hätten, wäre er irgendwann wieder irgendwo aufgetaucht." Meinte Nanami dann. „Aber an dem Punkt sind die Hohen noch nicht angekommen."

„Was ist dort passiert?" Meine Frage schwebte zwischen uns. Satoru deutete auf Nanami. „Das muss er dir sagen. Ich war nur am Ende dabei." „Wir hatten nach ein paar Tagen herausgefunden, wo du ungefähr warst." Begann Nanami. „Yuji war auch dabei gewesen, er hatte sich verantwortlich gefühlt." Ein Seufzen kam über meine Lippen. „Das tut er immer. Er hat ein sehr großes Herz." Nanami nickte und lockerte seine Krawatte. „Es war ein Teil der Kanalisation. Da hätte ich schon früher draufkommen können. Immerhin hatten Mahito und ich dort unten auch schon eine Begegnung." Nanami gab sich ganz offensichtlich die Schuld dafür, dass es so lange gedauert hatte. Ich legte Sukunas Hand wieder unter die Decke und setzte mich neben Nanami an Yujis Bett. „Du hast doch getan, was du konntest, Nanami. Sei nicht so streng mit dir selbst." Mit einem unleserlichen Blick sah er mich an. „Wir hatten uns getrennt, um dich schneller zu finden. Utahime und Yuji, Megumi und ich. Wir hatten dich recht schnell gefunden, doch plötzlich wackelten die Wände, ganz in unserer Nähe war etwas explodiert. Ich wies Megumi an, dich nach draußen zu schaffen und sah nach, was passiert war. Am halben Weg kam mir dann Satoru entgegen." Der Weißhaarige nickte mir zu. „Utahime kam uns entgegengerannt, sagte, etwas stimme mit Yuji nicht. Und das Sukuna da war. Wir folgten ihr und kamen in eine Art Labor. Am Boden vor uns lagen sowohl Yuji als auch Sukuna, beide blutüberströmt." „Du kannst dir sicher vorstellen, wie blöd wir alle aus der Wäsche geschaut haben." Fiel Satoru Nanami ins Wort und lachte laut. „Nanami hat sich Yuji sofort über die Schulter geworfen und ist aus dem Labor gerannt. Ich habe mich um die Maschine gekümmert und Sukuna aus dem Labor geschafft. Wie gesagt, 10 Finger fehlen noch. Das wäre Verschwendung gewesen."

Mir war egal, aus welchen Gründen sie Sukuna aus dem Labor geschafft hatten. Ich war nur froh, dass er überhaupt hier war. Und das als eigenes Individuum. Uns standen interessante Wochen bevor, das war sicher. Aber Satoru hatte Recht. Ich hätte dieses Labor nicht ohne Sukuna verlassen. Niemals hätte ich ihn zurückgelassen. Und ich wusste, dass ich es meinen Freunden niemals verziehen hätte. Sie hatten nicht gesehen, was ich gesehen hatte. Ich war fest davon überzeugt, dass Sukuna eine zweite Chance verdient hatte. Seines Bruders wegen. Entschlossen stand ich auf und tapste zu dem Schrank hinüber, um eine zweite Decke für Sukuna zu holen. „Ich bleibe gern hier. Ihr müsst nicht bleiben." Die beiden Jujuzisten sahen mich etwas perplex an. „Ich bin doch nicht blöd. Mir ist klar, dass man dieses Zimmer hier nicht unbeaufsichtigt lassen kann." Nanami sah mich skeptisch an. „Du bist gerade erst aufgewacht, Addie. Ich halte das für keine gute Idee." „Papperlapapp. Was soll denn passieren? So, wie ihr die beiden verschnürt habt. Ich komme schon zurecht."

„Prima!" Satoru war aufgesprungen und zerrte Nanami mit sich aus dem Raum. Er schien dankbar zu sein, dass er jetzt nicht hierbleiben musste, um sich den Arsch plattzusitzen. „Tschüsschen!" winkend schloss er die Türe und Stille füllte den Raum. Ich machte es mir neben Sukuna auf dem Bett bequem und schickte meiner Familie eine Nachricht, dass alles okay war und es mir gut ging, zusammen mit einem Foto von Chloé, Raul und mir. Das das schon ein paar Wochen alt war störte ja keinen und würde ihnen auch nicht auffallen. Einige Minuten vergingen, in denen ich konzentriert auf meinem Handy herumtippte. „Machst du mich los, wenn du fertig bist?" vor Schreck fiel mir das Handy aus der Hand und klappernd auf den Boden. Yuji hatte den Kopf gehoben. Er sah ... fit aus. Gut, er hatte zwei Tage geschlafen. Wer da noch müde war hatte definitiv ein Problem. Doch dann wurden seine Augen groß wie Teller. Er reckte den Kopf so weit es die Seile zuließen, um an mir vorbeizusehen. „Ja sag mal träum ich? Liege da ich neben dir im Bett?" „Überraschung! Du bist Sukuna los!" meine Stimme kam nur halb so enthusiastisch raus, wie ich es gern gehabt hätte. Doch Yuji nickte. „Doch, doch. Ich erinnere mich. Vage. Unfassbar!" er stieß einen Freudenschrei aus, der keine zwei Minuten später Shoko, dicht gefolgt von Megumi und Nobara auf den Plan rief. Ich wurde von Nobara herzlich umarmt, Megumi nickte mir und Yuji zu, die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Nachdem Shoko Yuji kurz durchgecheckt hatte und bestätigte, dass Sukuna vollständig aus ihm verschwunden war, lösten wir die dicken Seile und Yuji stand wackelig auf. „Das fühlt sich seltsam an." Er tippte sich an den Kopf. „Also hier oben wieder allein zu sein. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie anstrengend er war."

„Schau mal einer an, wie schnell der Rotzlöffel putzmunter wird." Alle Anwesenden standen wie vom Donner gerührt still. Ich meinte zu sehen, dass Nobara den Atmen anhielt. Fast synchron drehten wir uns alle zu dem zweiten Bett um.

Sukunas rote Augen musterten uns der Reihe nach, er hatte ein rasiermesserscharfes Grinsen auf den Lippen. „Wenn ihr die Seile nicht löst, löse ich sie."

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Eure Erin xx

Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt