Chloé sollte Recht behalten. Die Anhörung war noch am selben Tag. Ich kam mir wie ein Schwerverbrecher vor, als Satoru begleitet von Shoko unsere lustige kleine Runde in meinem Gefängnis störten. Mittlerweile waren auch Nobara und Yuji zu uns gestoßen und hatten sich beide von Chloé schminken lassen. Ich musste ehrlich sein, Yuji stand der Eyeliner verdammt gut und auch Raul stand der goldene Lidschatten, den Chloé vielleicht etwas zu großzügig aufgetragen hatte. Er passte gut zu Rauls gebräuntem Teint. „Ist es schon so weit?" Chloé stand auf und sah Satoru und Shoko prüfend an, ehe sie den Zeigefinger hob und damit auf Satoru deutete. „Ich hoffe sehr für dich, dass du dein Bestes da draußen gegeben hast! Addie ist meine Freundin und ich werde nicht zulassen, dass lauter alte Sesselfurzer, die keine Ahnung von Nichts haben sie wortwörtlich einen Kopf kürzer machen, d'accord?" Satoru hob lachend die Hände. Shoko vergrub die Hände in ihrem Kittel und deutete dann mit Blick auf Satoru auf Chloé. „Ich mag sie."
„Addie darf ihren Fall vortragen." Satorus Blick traf meinen. „Das ist das Beste, was ich erreichen konnte." Er seufzte, kollektives Schweigen machte sich im Raum breit, bis ich mir schließlich auf die Oberschenkel klopfte und aufstand. „Dann bringen wir es hinter uns. Je eher es um ist, desto besser."
Satoru und Shoko begleiteten mich, die anderen wurden angewiesen, im Kellerzimmer zu warten. Chloé und auch Yuji hatten heftig protestiert, aber hatten dann schließlich klein beigegeben und sich brav mit den anderen in das Zimmer verzogen. Mit jedem Schritt, denn ich ging, wurde der Knoten aus Angst in meiner Brust immer größer und drohte, mir die Luft abzuschnüren. Ich erinnerte mich daran, beim letzten Mal mit Yuji noch darüber gescherzt zu haben, wie Lämmer zur Schlachtbank geführt zu werden. Heute war das nicht mehr so lustig, dafür fühlte es sich zu real an. Shoko lächelte mich müde an. „Kopf hoch. Das wird. Wir sind ja da." Sie deutete auf sich und Satoru, der tief in Gedanken zu sein schien, während er sich die Augenbinde umband. „Ich weiß. Dafür bin ich euch auch dankbar." Sagte ich, ehe wir vor der großen Flügeltüre stehenblieben und warteten, dass sie geöffnet wurde.
Da war sie also. Meine Schlachtbank.
Der Raum war so schummrig, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Auch die großen Sichtschutze standen an denselben Orten wie damals, dahinter versteckten sich exakt die Leute, die auch beim letzten Mal hier gewesen waren. Das erkannte ich an den Silhouetten. Ich hatte sie mir alle eingeprägt. Mit einem lauten Knall fiel die Türe hinter uns ins Schloss, Shoko und Satoru warteten an der Türe, während ich nach vorn in den Kreis trat und stumm wartete, dass mein Prozess losging. „Wie zu erwarten, sitzen wir heute erneut hier. Das alles hätten wir uns ersparen können, hätten wir sie viel früher ausgeschaltet, zusammen mit Sukunas Gefäß. Dann wäre sie gar nicht hier." Wut kochte in mir hoch, als ich Gakuganjis Stimme hinter einem der Sichtschutze hörte. Yuji hatte hiermit überhaupt nichts zu tun!
Geladen machte ich einen Schritt auf den Sichtschutz zu. „Und ihr hättet es bereut! Ihr alle!" ich drehte mich im Kreis. „Yuji ist von Sukuna getrennt worden, er ist jetzt für niemanden gefährlich, geschweige denn birgt er weiterhin einen gefährlichen Fluch!" Ich merkte, wie ich mich in Rage redete. „Ihr hättet einen fähigen jungen Mann getötet, ohne ihm die Chance zu geben, sich zu entwickeln und sein Potential zu entfalten." Ein Lachen entwich mir. „Und wisst ihr was? Ich bin froh, dass sich Satoru so für ihn eingesetzt hat! Das hat Yuji verdient, er ist ein guter Mensch."
„Bist du das denn auch?" eine Frau mischte sich ein, ihrem Ton nach zu urteilen schien mein Ausbruch sie nicht berührt zu haben. „Ein guter Mensch?" ich stockte. War ich ein guter Mensch? Früher hätte ich diese Frage ohne Zweifel mit Ja beantwortet. Aber jetzt? Nachdem ich jemanden getötet hatte? Ich wusste, dass die Frau darauf anspielte. Angeekelt betrachtete ich meine Hände, meinte kurz, Blut an ihnen kleben zu sehen. Langsam hob ich den Kopf und blickte in Richtung der Frau. „Ich weiß, dass ich mein Bestes gebe, um ein guter Mensch zu sein. So wie wir es alle tun. Aber letztlich ist man selbst nicht in der Position, sich selbst als guten Menschen zu bezeichnen. Das steht niemandem zu." „Warum steht es niemandem zu, Frau de Wall?" eine neue, recht jung klingende männliche Stimme kam dazu. Ich hörte echtes Interesse in seiner Stimme. Ich drehte mich zu seinem Sichtschutz um. „Ob man ein guter Mensch ist oder nicht, definiert sich darüber, ob man Gutes für andere tut. Und ob man das tut, kann meiner Meinung nach nur von anderen beurteilt werden." Ich hob meine Stimme. „Würde nicht jeder sich selbst als guten Menschen bezeichnen, wenn er in der Position wäre, darüber zu urteilen? Wenn es denn so einfach wäre? Das fühlt sich nicht richtig an." Erneut betrachtete ich meine Hände. „Nein, dass wäre nicht richtig."
„Du hast jemanden getötet, Fluchmädchen." Gakuganji trat hinter seinem Sichtschutz hervor. „Das ist ein unverzeihlicher Fehler." Der Knoten in meiner Brust drohte, zu zerspringen. „Es war keine Absicht. Ich wollte ihn nicht töten. Ich war ... ich war ... ich habe halluziniert." „Davon hat Herr Gojo uns bereits erzählt." Erneut sprach die Frau. „Woher wissen wir, dass so ein Anfall nicht wieder vorkommt? Nicht nur, dass du einen Menschen getötet hast, zu allem Überfluss sind noch zwei Zivilisten in das ganze Schlamassel mit hineingezogen worden. Womöglich hättest du auch sie getötet, wäre Herr Gojo nicht eingeschritten." Erschrocken machte ich einen Schritt zurück. „Nein, nein. Ich würde Chloé und Raul nie etwas antun. Niemandem hier in der Akademie." „Das glauben wir dir auch, Herzchen." Eine alte Damenstimme durchschnitt den schummrigen Raum. „Aber ganz offensichtlich gibt es Momente, in denen das, was du willst, nicht das ist, was du umsetzen kannst." Gakuganji ging einen weiteren Schritt nach vorne. „Du warst, bist und wirst immer eine Gefahr sein, Fluchmädchen."
In dem Moment traf es mich wie ein Schlag in die Magengrube. Mein Schicksal war schon lange besiegelt worden, bevor ich den Raum betreten hatte. Ich konnte sagen, was ich wollte, es würde ihre Meinung nicht ändern. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, mein Herz lief einen Marathon.
Ich würde sterben.
Sie würden mich aus dem Verkehr ziehen und meiner Familie eine tragische Geschichte auftischen, was mit ihrer Tochter in Japan passiert war. Das sie umgekommen war. Wie oft sie das wohl schon getan hatten? Gott zu spielen? Ob sie Shoko dazu zwingen würden, mich zurechtzustutzen wie es bei Yatsuda der Fall gewesen war?
Nein ... nein ... nein!
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Ihr wolltet mir nie eine Chance geben ... ihr hattet bereits beschlossen, was mit mir passiert!" Gakuganji hob beschwichtigend die Hände. „Das alles ist ein fairer Prozess." Sein scheinheiliges Getue machte mich krank, so unfassbar krank. „Lügner." Zischte ich durch zusammengebissene Zähne und straffte dann die Schultern.
Ich würde mich nicht umbringen lassen!
Ich wusste, was ich zu tun hatte. Die Idee war so schrecklich leichtsinnig, dass sie gerade darum funktionieren müsste. Wenn ich Sukuna spüren konnte, hatte spüren können, wenn er die Fluchtechniken nutzte, dann musste er es auch spüren, wenn ich sie nutzte.
Und er würde der Spur folgen. Nicht, weil er mich retten wollte. Er erinnerte sich ja nicht an mich.
Nein, er würde kommen, um mich zu töten.
Es war eine Chance.
Eine Chance für mich, vielleicht doch noch zu leben.
Binnen weniger Sekunden lagen die Sichtschutze der Hohen zerschnitten am Boden, es fühlte sich gut an, nach den vielen Tagen endlich wieder die Sezierung zu nutzen. Schreckgeweitete Augen sahen mich an. Einer von ihnen, die alte Frau, öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Doch sie kam nicht weiter.
Plötzlich bebte die Erde, seine Präsenz raste durch mich hindurch wie ein Lauffeuer.
Er war da.
Und er wollte Blut.
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Hier ist das versprochene Kapitel!
Ich hoffe, es gefällt euch!
Eure Erin xx
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Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Ihren Aufenthalt in Japan, Tokyo, über ein Jahr hatte sich die 22-jährige Adelina anders vorgestellt. Zum ersten Mal echtes Ramen essen, einen Mangashop besuchen und ganz nebenbei ihre Japanischkenntnisse nach dem abgeschlossenen Sprachkurs auf...