Die Stimmung an der Akademie war bedrückend und angespannt. Kaum einer sprach ein Wort und wenn, dann war es nur das Nötigste. Trotz großangelegter Suchaktionen nach Sukuna, an der auch die Partnerschule aus Kyoto beteiligt war, war keine Spur von ihm zu finden. Es war, als hätte der Erdboden ihn verschluckt und bis jetzt nicht wieder ausgespuckt. Ich vermisste ihn schrecklich, behielt diese Gedanken aber für mich. Ich wusste, dass ich mit diesen Gefühlen allein war. Jede Nacht verbrachte ich in dem kleinen Kellerzimmer in Sukunas Bett. Vor der Türe war niemand mehr, es gab nichts mehr, was man hätte bewachen müssen, und so bekam es auch keiner mit, wie ich mich jeden Abend in die Bettdecke einwickelte, die langsam, aber sicher seinen Duft verlor und leise vor mich hinweinte.
Die naheliegendste Theorie, die an beiden Schulen kursierte, war die, dass der plötzliche Machtzuwachs Sukunas Erinnerungen entweder gelöscht hatte oder sie zumindest blockierten. Quasi so, als hätte man ihn auf die Werkeinstellungen zurückgesetzt. Getos Theorie mit der Raserei war ja offensichtlich nur halb wahr gewesen. Ja, Sukuna hatte gewütet, aber dass nicht wie ein wütendes Tier, sondern wie ein herzloser Psychopath.
Mit ersterem wäre ich womöglich leichter zurechtgekommen. Da wäre es leichter gewesen, alles, was er getan hatte und noch tun würde, auf die Finger zu schieben. Aber Letzteres? Das war eine andere Hausnummer. Das wog schwerer.
„Addie?"
Yutas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Der junge Jujuzist setzte sich neben mich auf Sukunas Bett und starte mit mir die nackte Steinwand an. Doch ich reagierte nicht und zog stattdessen die Decke enger um meine Schultern. „Ich weiß, wie du dich fühlst." Sagte er schließlich. „Tust du das, ja?" meine Stimme war kratzig und kam viel eisiger rüber, als ich es beabsichtigt hatte. Ich wusste, dass Yuta mir nur helfen wollte. Doch er ließ sich von meinem Tonfall gar nicht beirren, seine Finger spielten mit Rikas Ring an seinem Finger. „Du hast sie geliebt, nicht wahr?" fragte ich schließlich. Yuta nickte und atmete tief durch. „Und das ist ihr zum Verhängnis geworden. Wegen meiner Liebe ist sie ein Fluch geworden, an mich gebunden und das über viele viele Jahre."
Ich hatte nur Geschichten über Rika gehört, die meist mit verängstigten Mienen und zitternden Stimmen verbunden gewesen waren. Doch jetzt, wo Yuta über sie sprach, suchte man das vergeblich. Er hatte ein kleines Lächeln auf dem Gesicht, seine Stimme war warm und fest, seine Augen funkelten. „Weißt du, was Gojo-Sensei mir damals gesagt hat?" ich schmunzelte. „Wahrscheinlich was Albernes?" Yuta lachte, schüttelte zu meiner Verwunderung aber den Kopf. „Er sagte, dass Liebe grotesker sei als jeder Fluch." Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Das klingt aber sehr düster." „Das dachte ich anfangs auch. Aber letztlich heißt es, meiner Meinung nach, nur, dass Liebe stärker sein kann als jeder Fluch. Sowohl in zerstörerischer als auch in ... heilender Hinsicht."
Yuta sah mich an. „Liebst du Sukuna?" ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Doch mir war auch klar, dass ich mich vor Yuta dafür nicht schämen musste. Immerhin war es ihm mal wie mir ergangen. Langsam nickte ich und senkte den Blick. „Ja. Ich ... ich glaube schon." Yuta fummelte daraufhin unter der Matratze herum und zog schließlich ein Buch darunter hervor. „Ich habs zufällig gesehen, als ich ihm neue Bettlaken gebracht hatte." Yuta blätterte in dem Buch herum und schien plötzlich fündig zu werden. „Er hatte gedroht, mir die Lunge herauszureißen, wenn ich es wem sage und nachdem ich an meine Lunge hänge, wortwörtlich, und es auch letztlich keine weltbewegende Aktion war, hab ich den Mund gehalten." Yuta zog etwas aus dem Buch heraus. Es war das Blatt, dass ich damals, in meiner ersten Stunde mit Sukuna mit der Sezierung vom Baum geschnitten hatte. Jetzt erinnerte ich mich wieder, dass er es ja mitgenommen hatte!
„Er hat es aufgehoben und in dem Buch gepresst, damit es nicht kaputt geht." Yuta ließ das Blatt in meine offene Hand fallen und lächelte. „Ich glaube, dass er dich auch liebt, Addie. Wenn auch auf eine vielleicht sehr verkorkste Art und Weise." Jetzt gab es für mich kein Halten mehr. Als ich das kleine gepresste Blatt in meinen Händen liegen sah, brachen alle Dämme, schluchzend presste ich es an meine Brust und ließ die Tränen ungehemmt laufen. Yuta zog mich in seine Arme und strich mir sanft über den Rücken. „Ob es ihm gut geht?" brachte ich schluchzend über die Lippen und nahm Yuta dankbar das Taschentuch ab, dass er mir reichte. Er lächelte. „Nun, Sukuna wäre die letzte Person, bei der ich mir Sorgen um das Wohlbefinden machen würde." Mir entwich ein Geräusch, dass eine Mischung aus Schluchzen und Lachen war. „Ja da hast du wohl recht." Ich trocknete mir die Tränen und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Danke. Das du hergekommen bist."
„Ich hatte das Gefühl, dass du etwas emotionale Unterstützung gebrauchen könntest. Und nachdem ja hier niemand gut mit Emotionen umgehen kann und ich zumindest nachvollziehen kann, wie es dir geht, habe ich vorbeigeschaut." Ich nickte und packte das vollgerotzte Taschentuch in die Hosentasche meiner Jogginghose. „Du bist ein guter Freund, Yuta. Das mit Rika tut mir sehr leid." „Das muss es nicht, Addie. Es ist gut, so wie es jetzt ist. Und immerhin werde ich sie irgendwann wiedersehen." Ein strahlendes Lächeln trat auf sein Gesicht. „Ich muss nur geduldig sein." Ich knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. „Ich hoffe doch sehr, dass du mir noch lange erhalten bleibst. Wo hier ja nur Spinner herumlaufen." Yuta lachte laut. „Na wenn du wieder Witze machen kannst, scheint es dir ja besser zu gehen als die letzten Tage." Meinte er und gemeinsam gingen wir den langen Gang entlang zurück zur Treppe. Oben an der Türe hielt Yuta mich zurück.
„Da gibt es was, dass du noch wissen solltest." „Was denn?" Yuta seufzte. „Nun, womöglich habe ich mit unserem Gespräch gerade das Nötige mit dem Nützlichen verbunden." Er hob den Blick. „Auf der einen Seite war es nötig, dass es dir wieder etwas besser geht. Auf der anderen Seite ist es sicher nützlich, wenn du emotional etwas stabiler bist für das, was jetzt hier auf dem Akademiegelände mit herumlaufen wird."
„Und was wäre das?"
Yuta seufzte. „Gakuganji ist wieder hier. Und er hat seine Schüler mitgebracht."
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Kapitel 46 für euch!
Erneut bedanke ich mich ganz herzlich für all eure tollen Kommentare und Votes!
Es freut mich sehr zu sehen, dass meine FanFiction so vielen Leuten so gut gefällt!
Eure Erin xx
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Plötzlich Fluch (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Ihren Aufenthalt in Japan, Tokyo, über ein Jahr hatte sich die 22-jährige Adelina anders vorgestellt. Zum ersten Mal echtes Ramen essen, einen Mangashop besuchen und ganz nebenbei ihre Japanischkenntnisse nach dem abgeschlossenen Sprachkurs auf...