Oben angekommen schaue ich mich skeptisch um. Auch wenn dieses ranzige Gebäude von innen renoviert wurde, hat es keinen Aufzug und wir sind vier Stockwerke über die Treppe hinaufgestiegen. Für mich weniger ein Problem als für Sumi, der mir gerade den Anschein macht, als bräuchte er ein Sauerstoffzelt. Schwer atmend stemmt er seine Hände in die Seiten und versucht, wieder zu Atem zu kommen. Ich schmunzle in mich hinein.
Das Loft, in dem wir uns befinden, ist riesig und scheint sich über die halbe Etage zu erstrecken. Außer ein paar kleine, abgetrennte Bereiche und Büros ist es offen und großflächig. Die strahlendweißen Wände sind komplett nackt, nur hier und da steht eine schicke Designerlampe oder ein farbiges Sofa. Es herrscht reges Treiben und ein Lärmpegel, der mir sofort in den Ohren dröhnt. Schon von klein auf stören mich zu laute Geräusche und gerade versuche ich, mich nicht allzu sehr darauf zu konzentrieren. Überall wuseln gut gekleidete Menschen umher, setzen beschäftigte Mienen auf oder schieben volle Kleiderständer von einer Ecke zur anderen. Bei dem ganzen Trubel ist mir nicht so recht wohl, aber ich lasse mir nichts anmerken und blicke auf Sumi hinab, der inzwischen wieder eine gesunde Gesichtsfarbe angenommen hat. Aus irgendeinem Grund scheint er zu bemerken, dass ich das Ganze nicht sonderlich mag, denn er murmelt mir zu:
„Bleib einfach in meiner Nähe." Er lächelt mir zu. Eine Geste, die nicht so ganz zu seinem bisherigen Verhalten passt.
Im nächsten Moment kommt eine kräftige, hübsche und äußerst stylisch gekleidete Frau auf uns zu und begrüßt Sumi kurz, aber herzlich.
„Darf ich kurz vorstellen? Das ist Daisy McNeal, eine renommierte Designerin aus den USA. Und das ist Yeon, mein neuer Bodyguard. Ich hoffe, es ist kein Problem, wenn er mich zur Anprobe begleitet." Ich bin überrascht, dass Sumi uns vorstellt. Vorhin im Friseursalon hatte er es nicht für nötig gehalten. Ob der kleine Popstar wohl aus seinen Fehlern lernt? Ich bezweifle es.
Kurz mustert mich die Designerin, dann schnauft sie und winkt ab.
„Ach was, Schätzchen, das geht klar. Kommt mit, ihr Süßen."
Sumi gibt mir mit einem knappen Kopfnicken zu verstehen, ihnen zu folgen und schnellen Schrittes folgen wir Daisy quer durch das Loft, zwischen all den hektischen Menschen und den vielen Klamotten hindurch, die überall hängen oder gestapelt lagern. Sie kräftige Frau führt uns in den hinteren Teil zu einem Bereich, der durch mehrere Milchgläser vom Rest des Ateliers abgeschirmt ist und in dem gefühlt nochmal mehr Kleiderständer stehen als im restlichen Loft. In der Mitte steht ein riesiger Spiegel mit mehreren Flügeln, ein kleines Podest und dahinter kann ich eine Art Garderobe sehen. An einer Wand steht ein gewaltiger Schreibtisch, auf dem ein Laptop und etliche Designzeichnungen liegen. Ihr Arbeitsplatz? Während sich die beiden bereits angeregt unterhalten und die ersten Kleidungsstücke inspizieren, stehe ich noch etwas blöde im Raum und blicke mich um.
„Darling, bedien' dich an dem kleinen Kühlschrank da drüben, falls du Durst hast," ruft mir Daisy plötzlich zu und zeigt zum Schreibtisch. Unter der dicken Tischplatte entdecke ich einen Minikühlschrank. Ich nicke als Dank, gehe hinüber, entnehme eine Dose Cola und steure direkt auf die großen, alten Fenster zu und setze mich auf die breite Fensterbank. Zischend öffne ich die Dose, nippe daran und schalte, was das langweilige Gespräch über Klamotten angeht, auf Durchzug.
Plötzlich vibriert mein Handy. Ich hole es aus der Hosentasche und schaue aufs Display. Mr. Namgung schreibt mir. Ich öffne den Chat und lese:
Ich habe dich heute noch nicht im Büro gesehen und eine Beschwerde gab es auch noch keine. Dann scheint ja alles in Ordnung zu sein ;-)
Verärgert stecke ich das Handy wieder weg und nehme einen großen Schluck aus der Dose, nur um im nächsten Moment Sumi oberkörperfrei auf dem Podest stehen zu sehen. Beinahe wäre mir das süße Getränk aus der Nase wieder rausgekommen, aber ich kann es rechtzeitig runterschlucken und huste kurz. An einem halbnackten Mann ist jetzt nichts Besonderes, aber mit diesem plötzlichen Anblick habe ich nicht gerechnet. Jetzt frage ich mich, was ich mir eigentlich unter einer Kleideranprobe vorgestellt hatte.
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From Guardian to Lover - A Korean Lovestory
RomanceWährend Yeon sein Dasein als Gelegenheitsbodyguard mit einem ziemlich brutalen Ruf fristet, lebt Sumi als weltbekannter Kpop-Star und regelrechter Strahlemann ein Leben in übermäßigem Reichtum. Unterschiedlicher könnten die beiden also nicht sein. D...