Kapitel 46

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Später am frühen Abend klingle ich bei Sumi und werde hineingelassen. Als ich in seinem Stockwerk angekommen bin, steht seine Tür sperrangelweit offen und ich seufzte. Ich klopfe gegen den Türrahmen, um mich anzukündigen, bevor ich eintrete.
„Komm kurz rein, ich brauch noch einen Moment!" kommt es aus irgendeinem Zimmer, woraufhin ich eintrete und die Tür schließe. Ich reibe die Hände gegeneinander und unterdrücke ein Schauern. Auch wenn erst Ende Oktober ist, kündigt sich der Winter allmählich schon an.
„Wieso lässt du die Tür offenstehen? Ich hätte jetzt sonst wer sein können," knurre ich verständnislos, als Sumi in den Flur kommt.
„Ich wusste doch, dass du es bist," meint Sumi und kramt in der Garderobenbank, in der er einige seiner vielen Schuhe verstaut hat.
„Mhm," grummle ich nur und belasse es dabei. Dass sein Stalker jetzt ungehindert in seine Wohnung hätte kommen können, scheint ihm nicht bewusst zu sein.
„Beeil dich, ich habe den Wagen direkt vorm Haus stehen."
„Ja, gleich! Ich brauch noch die richtigen Schuhe!" Wie ein unsicheres Eichhörnchen wuselt der blonde Popstar durch seine Wohnung, auf der Suche nach dem perfekten Schuh. Offensichtlich ist er wegen des Termins ziemlich aufgeregt.

„Muss diese Saejin eigentlich mit?" frage ich, als Sumi endlich ein passendes Paar gefunden hat und sich nun auf die schmale Bank setzt, um sich die Schuhe anzuziehen. Eigentlich eine dumme Frage, deren Antwort ich bereits kenne.
„Wieso?"
„Ich kann sie nicht einschätzen ...und ich mag sie nicht." Und das ist nicht einmal gelogen. Ich hasse ihre aufgedrehte und hibbelige Art, auch wenn dies für ihren Job als Managerin von Vorteil sein kann. Dennoch werde ich ein seltsames Gefühl nicht los, das mich bei ihr beschleicht, wenn ich sie sehe. Ich kann es nicht beschreiben, doch es sitzt ganz deutlich in meiner Magengegend und das erweckt Misstrauen in mir.
„Du kennst sie doch überhaupt nicht!" mault Sumi.
„Du auch nicht."
„Und außerdem ist sie meine Managerin. Natürlich muss sie mitkommen!" Ich schnaube nur verächtlich.
Plötzlich hält Sumi inne und grinst mich breit an, seine Augen funkeln schelmisch.
„Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?"
Ich rolle abfällig mit den Augen und stöhne. Wieso war mir klar, dass so eine kindische Frage jetzt kommt?
„Auf die ganz sicher nicht!" maule ich und setze zu einer berechtigen Gegenfrage an: „Habe ich denn einen Grund, eifersüchtig sein zu müssen?"
Sumi zuckt nur beiläufig die Schultern und schnürt sich weiter die Schuhe zu. Ich betrachte ihn aufmerksam und abwartend von oben herab, seine blonden Strähnen zittern bei jeder seiner Bewegungen.
„Sie ist halt eine sehr hübsche Frau. Tolle Haare, schöne Augen ...eine gute Figur. Zudem hat sie etwas an sich, das einfach ansteckend ist. Ihr Lachen oder ihre motivierte Art, ich weiß es nicht. Da wäre doch jeder etwas neidisch oder eifersüchtig, oder nicht?"
„Nein, nicht wirklich," knurre ich und mir gefällt ganz und gar nicht, wohin dieses Gespräch gerade führt. Mein Magen verkrampft sich, als ich das folgende sage:
„Ich dachte eigentlich, dass du aktuell auf jemand anderes stehst."

Sumi schaut ertappt zu mir auf, sagt aber nichts mehr dazu und zieht sich seine Jacke an. Was soll der Scheiß? Jetzt wäre doch der richtige Moment gewesen, mir zuzustimmen und mir damit das Signal zu geben, dass er mich noch immer mag. Unweigerlich muss ich mich fragen, ob sich die Sache zwischen uns beiden bereits wieder erledigt hat. Und eigentlich weiß ich die Antwort bereits, doch ich will es einfach nicht wahrhaben. Wieso kann er nicht mit mir reden? Ärger und Enttäuschung keimen in mir auf und eigentlich würde ich ihn jetzt gerne darauf ansprechen, aber Sumi kommt mir zuvor.
„Ich bin fertig. Wir können fahren."

Als mir Sumi im Auto auch noch verkündet, dass wir Saejin abholen müssen, sackt meine Laune endgültig in den Keller. Das ändert sich auch nicht, als ich sehe, wie gut sich die beiden während der Fahrt verstehen und unterhalten. Sie reden ganz aufgeregt miteinander und ihre hohe Stimme schrillt in meinen Ohren wieder, sodass ich schnell Kopfschmerzen bekomme. Sie geht mir einfach unendlich auf den Sack! Zudem stößt es mir sauer auf, dass sie Sumi meiner Meinung nach teils sehr private Fragen stellt zu seiner Kindheit oder seinen Eltern. Was geht sie das an? Zu meiner inneren Befriedigung und Genugtuung geht Sumi nicht wirklich auf diese Fragen ein, scheinbar ist er nicht nur mir gegenüber so verschlossen.

Als wir das Musikstudio erreichen, ich das Auto parke und wir gemeinsam aussteigen, werden wir bereits von einer adretten, älteren Dame auf dem Parkplatz empfangen. Sie stellt sich schlichtweg als die Assistentin vor und bringt uns ins Gebäude, wo wir von Yung Cho, dem Produzenten, und einem weiteren Assistenten erwartet werden.
„Sumi! Ich freue mich, dass du gekommen bist!" begrüßt Yung Cho seinen Gast und verbeugt sich. „Ich bin Yung Cho, der Musikproduzent und Inhaber dieses Studios. Das sind meine beiden Assistenten Juhee und Kien. Scheut euch nicht, euch an sie zu wenden, wenn ihr irgendetwas benötigt," sagt Yung an Saejin und mich gerichtet.
„Das ist Yeon, mein Bodyguard und Saejin Kim, meine neue Managerin und Assistentin," stellt Sumi uns nun vor und wie auf ein Zeichen, verbeugen wir uns gleichzeitig zur Begrüßung. Yung Cho nickt anerkennend, dann bittet er uns, ihm zu folgen und er gibt uns eine kleine Studioführung, bei der er uns ein wenig Einblick in seinen bisherigen Werdegang gewährt. Sumi scheint von der ganzen Sache, sowohl vom Studio als auch von Produzent Cho mehr als angetan zu sein. Aber auch ich muss zugeben, dass der junge Mann bisher einen guten Eindruck macht. Sein Musikstudio ist hochmodern eingerichtet, frisch renoviert und mit der neuesten Technik ausgestattet. Er selbst wirkt sehr souverän, ehrlich, sehr zielorientiert sowie engagiert und scheint bereits recht viel Ahnung von Musik zu haben.

Die Führung endet bei den Aufnahmeräumen, wo Sumi dazu eingeladen wird, ein paar seiner Lieder Probe zu singen, damit er ein Gefühl dafür bekommen kann, ob ihm das Ganze zusagt. Ich bin überrascht, wie viel Zeit und Aufwand Yung Cho in Kauf nimmt, um den blonden Popstar von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Anderswo läuft es sicher nicht annähernd so ab. Sumi bleibt im schallisolierten Raum zurück, während Yung Cho, ein junger Angestellter, Saejin und ich ins kleine Zimmer nebenan gehen. Durch eine große Glasscheibe können wir zu Sumi blicken, der vor einem großen Mikro steht, an dem dicke Kopfhörer hängen. Vor dem Fenster steht ein gewaltiges Mischpult, an dem bereits einige Lämpchen leuchten. Daneben steht ein eiserner Schrank, in dem ich weitere Tontechnik vermute. An der Wand gegenüber vom Mischpult steht ein Ledersofa, auf dem die junge Managerin und ich Platz nehmen, während sich Yung auf einen Drehstuhl setzt und einen Knopf gedrückt hält, um mit Sumi sprechen zu können.
„Okay, Sumi. Du kannst dich etwas einsingen, wir müssen hier noch bisschen was einstellen. Wenn du so weit bist, gib uns ein Zeichen."
Sumi nickt und beginnt mit einigen Gesangsübungen, um seine Stimmbänder aufzuwärmen. Der Raum ist so gut isoliert, dass sein Gesang keinen Ton zu hören ist. Ich beobachte den Jungen neugierig dabei, wie er einige Knöpfe dreht und Regler verschiebt, während sein Boss gerade telefoniert und ihm immer wieder Anweisungen gibt. Da der Angestellte noch recht jung wirkt, könnte er neu sein oder ein Auszubildener. Es ist spannend zu sehen, was erst alles passieren muss, bevor man Musik überhaupt richtig produzieren kann.

„Glaubst du, Sumi wird den Plattenvertrag unterschreiben?" fragt mich Saejin aus heiterem Himmel leise. Aus dem Augenwinkel bemerke ich ihren strahlenden Blick hinüber durch das Fenster zu Sumi, der sich immer noch konzentriert einsingt. Ich schnaufe genervt.
„Keine Ahnung. Er soll erstmal seinen alten Vertrag auflösen, bevor er sich was neues sucht," grummle ich eisern.
„Ich habe ihm dazu geraten, um keinen Leerlauf zu haben. Er wird Ende des Jahres auf Promotour und nächstes Jahr auf große Tournee gehen, da darf er sich keine Produktionslücken erlauben." So, wie sie gerade über Sumi spricht, klingt es eher, als sei er ein Automat und kein Mensch. „Wenn er ein neues Studio gefunden hat, kann er immer noch kündigen."
Ich blicke sie verärgert ran, sie bestärkt ihn auch noch in seiner Ansicht, in der Sache das Richtige zu tun!
„Das ist aber kein richtiger Umgang mit der Situation und könnte seinen jetzigen Produzenten sehr verärgern. Das könnte Ärger geben!"
„Ich hätte dich nicht so feige eingeschätzt," lächelt mich Saejin süffisant an.
„Das hat nichts mit Feigheit zu tun! Sumi hat einen Vertrag unterschrieben, den er nicht einfach so übergehen darf."
„In der Musikbranche muss man manchmal eben Risiken eingehen, um voranzukommen. Es ist viel zu zeitaufwendig, erst einen bestehenden Vertrag zu kündigen und sich dann nach einem neuen Produzenten umzuschauen. Wieso also nicht andersrum, um Zeit zu sparen und mit der Musikproduktion direkt weiterzumachen? Wenn das bedeutet, ein bisschen Stress mit irgendeinem alten Produzenten zu haben, Sumi aber dadurch seine Karriere vorantreiben kann, dann sollte man das in Kauf nehmen."

Mir schlägt mein erhöhter Puls laut in den Ohren und ich balle die Fäuste in den Jackentaschen. Glaubt sie eigentlich diese Scheiße, die sie da von sich gibt? Trotzdem bleibe ich ruhig, als ich ihr darauf antworte.
„Ich meine ja nur, dass ihr aufpassen solltet, mit wem ihr euch anlegt. Ich kenne den Produzenten zwar nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ihm diese Art nicht gefallen wird."
Saejin lacht leise hinter vorgehaltener Hand, doch ich kann erkennen, dass es gekünstelt ist.
„Der alte Sack ist keine Gefahr! Darüber solltest du dir nicht deinen hübschen Kopf zerbrechen, immerhin bist du nur Sumis Bodyguard. Ich hingegen bin seine Managerin, ich weiß also, was ich tue."
Ihre Stimme trieft nur so vor Arroganz und Selbstüberschätzung, doch ich lasse mich davon nicht beeindrucken, sondern kippe mich leicht zur Seite, um ihr näher zu kommen und ihr ins Ohr zu flüstern.
„Deswegen hoffe ich für dich, dass du Sumi in keine Schwierigkeiten bringen wirst. Sollte das mit seinem Produzenten in die Hose gehen und Sumi in irgendwelche Probleme reiten, kann ich für deine Sicherheit nicht garantieren. Denn ich bin ja nur Sumis Bodyguard, richtig?"

Nun schaut mich Saejin nicht mehr so süffisant und selbstsicher an, sondern sie blinzelt mich aus unsicheren Augen an. Ihr Mundwinkel zuckt leicht nach unten und sie scheint zu begreifen, was das für sie bedeutet. Das hätte sie sich vorher überlegen sollen, bevor sie mir gegenüber große Töne spuckt und mich verbal degradiert. Dumme Kuh! Das zu sehen gibt mir eine tiefe Befriedigung und ich lasse alles Weitere unkommentiert, indem ich aufstehe und leise den Raum verlasse, um draußen eine zu rauchen. Doch auch wenn ich als Sieger aus dieser Unterhaltung hervorgegangen bin, glaube ich leider, dass ich auf lange Zeit gesehen am kürzeren Hebel sitze. Sumi scheint sehr viel auf ihre Meinung zu geben und egal, was ich sage oder sagen würde, es würde auf taube Ohren treffen. Was für Sumi nun zählt, ist die Meinung seiner ach so tollen Managerin. Der Gedanke an sie verursacht mir Bauchschmerzen und eine unterschwellige Übelkeit, die ich noch immer nicht einzuordnen weiß. Aber ich bin ziemlich sicher, dass ich ihr auf die Schliche kommen werde und herausfinde, welchen Dreck sie am stecken hat!


From Guardian to Lover -  A Korean LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt