YEON
Die nächsten Tage sind rein nervlich gesehen eine Qual. Nicht, weil ich mir jetzt sicher bin, dass ich auf Sumi stehe - weiß der Geier warum - sondern eher, weil ich mich frage, wie das Ganze weitergehen soll. Seit ich als Bodyguard arbeite, habe ich mir immer geschworen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, sollten irgendwelche Gefühle aufkommen. Sie sind nur im Weg und behindern mein klares Denken und Beurteilen von Situationen. Bisher ist es auch nie so weit gekommen und trotzdem muss ich viel nachdenken. Nach wenigen Tagen ist mir eigentlich klar, dass ich kündigen muss. Dass es so besser für Sumi und mich ist. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn irgendetwas passiert, nur weil ich wegen Sumi emotional geworden bin und dadurch falsch gehandelt habe. Sobald ich die Möglichkeit habe, werde ich es ihm sagen. Also nicht, dass ich auf ihn stehe, sondern dass ich kündigen werde. Dass ich ihn mag, muss er nicht wissen.
Am Mittwoch kehre ich zum Anwesen der Dongbangs zurück, da mich Sumi für einen Termin hergebeten hat. Mit einem komischen Gefühl betrete ich die Villa und werde vom schnöseligen Butler zum Wohnzimmer geführt. Im Haus ist es wie immer sehr ruhig und ich frage mich, wo sich Sumis Eltern immer herumtreiben. Im Wohnzimmer auf der riesigen Wohnlandschaft, umringt von großen, schweren Kissen, sitzt der blonde Popstar und wartet auf mich, während er am Handy spielt. Mich durchfährt ein warmer Schauer, als ich ihn sehe. Verdammt, mich hat es wahrscheinlich schlimmer erwischt, als ich mir eingestehen will. Als er mich bemerkt, springt er auf und steckt sein Handy schnell in die Hosentasche. Er sieht wie immer gut aus in seinem üblichen Outfit bestehend aus einem bunten Hemd, einer hochgekrempelten Stoffhose und modischen Vans. Wir begrüßen uns mit einer Verbeugung und als ich näher komme, wirkt er etwas nervös.
„Wir müssen reden," sagt Sumi und lädt mich mit einer Handbewegung ein, mich auf das große Sofa zu setzen. Ratlos gehe ich dem nach und blicke ihn abwartend an. Sumi knetet seine Hände und er tippelt von einem Fuß auf den anderen. Offenbar scheint er nach den richtigen Worten zu suchen, dann setzt er sich mir gegenüber und holt einmal tief Luft.
„So offen über etwas zu sprechen, ist mir noch nie leichtgefallen."
„Lass dir Zeit," meine ich ruhig und Sumi lächelt mich dankbar an. Mein Herz hüpft kurz höher.
„Ich habe die letzten Tage sehr viel nachgedacht. Über mich und das, was du gesagt hast. Auch wenn wir uns oft nicht immer grün sind, schätze ich deine Meinung inzwischen sehr, weil sie ehrlich ist. Das ist etwas, was ich momentan gut gebrauchen kann. Ehrlichkeit und ab und zu einen ordentlichen Arschtritt." Er atmet kurz durch.
„Ich werde deinen Rat beherzigen und ausziehen. Ich weiß jetzt schon, ohne es gemacht zu haben, dass es mir guttun wird. Ich werde mir zudem einen neuen Manager suchen, meine Mutter ist eine Zumutung für mich und andere geworden."
Kurz herrscht Stille, in der mich Sumi erwartungsvoll anblinzelt und unruhig auf dem Sofapolster herumrutscht. Was erhofft er sich, jetzt von mir zu hören?
„Ich kann mir vorstellen, dass die Entscheidung nicht leicht für dich ist und dass es dich Überwindung gekostet haben muss, mir das anzuvertrauen. Aber du kannst stolz auf dich sein," sage ich dann und will schon zu meiner Entscheidung zu kündigen ansetzen, da fällt mir Sumi schnell ins Wort.
„Ich weiß wie gesagt, dass wir beide so unsere Diskrepanzen haben und dass ich nicht ganz einfach bin, geschweige denn dass die kommende Zeit einfach wird, aber du bist momentan der einzige zuverlässige Mensch, den ich habe und dem ich vertraue. Und ohne dich werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen, deswegen ...bitte ich dich aufrichtig, mir zu helfen. Als Bodyguard und als mein Freund. Ich brauche jemanden an meiner Seite." Er steht auf und verbeugt sich höflich, um seine Bitte zu unterstreichen.
Prompt rutscht mir das Herz in die Hose. Das ist genau das, was ich eigentlich vermeiden wollte. Durch mein ständiges Einmischen in sein Privatleben hat Sumi eine emotionale Bindung zu mir aufgebaut, die dazu geführt hat, dass Sumi sich nicht mehr von mir trennen will. Dabei hatte ich noch die Hoffnung gehabt, dass er mich nicht leiden kann und meine Kündigung mit Kusshand entgegennehmen wird. Schöne Scheiße! Was mache ich denn jetzt? Als ich ihn mustere und seine großen, blau-grünen Augen sehe, die mich hoffnungsvoll anfunkeln, werde ich weich. Ich kann ihm doch jetzt unmöglich eine Kündigung vor den Latz knallen, wenn er mich um meine Hilfe gebeten hat.
„Ich werde dir auch mehr bezahlen, wenn es daran hängen sollte!" sagt Sumi schnell, der mein Schweigen als Zögern verstanden hat. „Daran soll es nicht scheitern. Ich möchte nur nicht, dass du gehst."
Nun zögere ich wirklich. Alles schreit in mir, die Kündigung endlich auszusprechen und zu gehen, um meinen Seelenfrieden zu bewahren und dem bevorstehenden Stress aus dem Weg zu gehen. Eigentlich sollte ich es tun. Ich muss es tun! Das hier wird nur Ärger geben, das weiß ich jetzt schon! Und zu gern würde ich auf das Geldangebot scheißen, aber ich kann die zusätzliche Kohle gut gebrauchen. Nachdenklich fahre ich mir mit der Hand durchs Gesicht und grummle vor mich hin.
„Ja, von mir aus," sage ich dann schließlich.
„Wirklich?" ruft Sumi aufgeregt, „Das ist ja klasse! Danke!" Plötzlich kommt er auf mich zu und breitet seine Arme nach mir aus. Erst im letzten Moment hält er inne und starrt mich für eine Sekunde mit großen Augen an, als habe ihn der Blitz getroffen. Dann scheint er es sich anders überlegt zu haben und verneigt sich noch einmal tief. Fragend blicke ich zu ihm hoch. Was soll das werden?
„D-Danke," stammelt er, macht einen großen Schritt zurück und räuspert sich, während ihm die Schamesröte ins Gesicht steigt. „Ich ...ich zieh mich schnell um, dann können wir los."
Und mit diesen Worten flitzt Sumi aus dem Wohnzimmer und lässt mich völlig verdattert zurück. Wollte er mich etwa umarmen?
SUMI
Oben in meinem Ankleidezimmer schließe ich schnell die Tür hinter mir und fasse mir an die Wangen. Na super, ich bin wieder total am Überkochen. Ich blicke in den Spiegel und sehe, dass ich knallrot bin. Oh Gott, schlimmer kann es wirklich nicht mehr werden. Was hatte ich eigentlich vor? Warum wollte ich ihn umarmen? Ich ticke doch nicht mehr richtig! Wie er mich angesehen hat, als würde er mir gleich an die Gurgel gehen wollen. Oder? Beschämt vergrabe ich das Gesicht in den Händen und versuche, meinen Puls wieder runterzufahren. Irgendwie überwiegt dennoch meine Freude darüber, dass ich mit ihm über meine Entscheidung gesprochen und mich ihm anvertraut habe. Es scheint ihm nicht viel zu bedeuten. Aber für mich ist es umso wichtiger. Ich fühle mich gut damit und es hilft mir auch dabei, bei dieser Entscheidung zu bleiben und sie nicht wieder über Bord zu werfen. Jetzt blicke ich mich etwas selbstsicherer im Spiegel an. Es tut sogar gut zu wissen, dass Yeon mich versteht. Vielleicht nicht so sehr, wie er es gesagt hat, aber ich glaube ihm dennoch, dass er es ernst gemeint hat. Und ja, ich kann stolz auf mich sein! Und irgendetwas in mir sagt mir sogar, dass ich mich auch jetzt auf ihn verlassen kann, trotz alledem, was da auf mich oder uns zukommen mag. Ich schüttle selbst den Kopf, als mir der Gedanke in den Sinn kommt, wie falsch ich ihn eigentlich eingeschätzt habe.
Schnell ziehe ich mir etwas anderes an und eile wieder die Treppe hinunter. Yeon steht bereits im Eingangsbereich und starrt angestrengt - oder genervt? - auf sein Handy. Als er mich auf den Stufen hört, schaut er finster auf. Sofort werde ich wieder neugierig.
„Schreibt jemand Wichtiges?" frage ich neckisch und komme die letzten Stufen hinab. Kurz öffnet er den Mund, dann grummelt er nur und steckt das Handy weg. Auch wenn er es scheinbar mit der Hand in der Tasche umklammert, kann ich es vibrieren hören und frage mich unweigerlich, wieso er nicht einfach rangeht. Oder darf ich es nicht mitbekommen? Bevor ich weiter fragen kann, schenkt Yeon mir einen finsteren Blick nach dem Motto „Denk nicht mal daran zu fragen!"
Eine halbe Stunde später kommen wir zu der Location für mein exklusives Fotoshooting. Eine riesiges Haus und ich bin ein wenig überrascht, hatte ich doch irgendwie ein richtiges Studio oder ähnliches erwartet. Auch Yeon wirkt noch nicht ganz überzeugt, als wir das wunderschöne Haus betreten. Die Inneneinrichtung ist sehr modern und luxuriös und typisch koreanisch gehalten und durch die großen Terrassentüren kann ich einen gewaltigen Pool im Garten sehen. Soweit mir gesagt wurde, werden einige Bilder auch im Wasser gemacht. Mich fröstelt es jetzt schon bei dem Gedanken, denn trotz des sonnigen Herbsttags ist es sehr frisch und windig. Überall steht Equipment herum, Scheinwerfer, Kamerastative, Kleiderständer und vieles mehr. Ich frage mich, wer sein eigenes Haus für dieses Shooting zur Verfügung stellt. Es dauert keine fünf Sekunden, da werde ich von einem großen Team aus Stylisten empfangen und ich versuche gar nicht erst, mir ihre Namen zu merken. Eine Stylistin für das Makeup, ein Stylist für die Haare, drei Stylisten für die Kleidung und eine Assistentin für mein leibliches Wohl, so kriege ich sie zumindest etwas auseinandergehalten. Sie reden wild durcheinander und wuseln um mich herum, während sie mich ins große Badezimmer führen, wo ich auf einem Stuhl vor dem Spiegel Platz nehmen soll. Ich blicke kurz zurück und sehe, wie Yeon etwas verloren im Wohnzimmer stehen bleibt und sich umschaut. Dann kommt die junge Assistentin zu ihm und zeigt ihm das Buffet, an dem er sich großzügig bedienen darf. Während des ganzen Stylings hält er sich aus dem Badezimmer raus, um dem Team nicht im Weg zu stehen, dennoch bleibt er immer in der Nähe und ich genieße diese indirekte Aufmerksamkeit. Auch wenn ich mit dem Rücken zur Badezimmertür sitze, kann ich im Spiegel sehen, dass mir Yeon immer wieder Blicke zuwirft, die ich nicht deuten kann und die mich nervös machen. Ist er wieder schlecht gelaunt? Geht ihm etwas anderes gegen den Strich? Ich versuche mich auf mein bevorstehendes Shooting zu konzentrieren, erwische mich aber dabei, wie ich verstohlen zu meinem Bodyguard rüberlinse. Mir fällt auf, dass er ungewöhnlich oft auf sein Handy schaut und Anrufe wegdrückt, genauso wie heute Morgen auch. Ich muss mich unweigerlich fragen, ob eine Freundin dahinterstecken könnte. Ein seltsames Gefühl kommt in mir hoch, das ich nicht ganz einordnen kann.
YEON
Nachdem der Starfotograf endlich aufgetaucht ist und Sumis aufwendiges Styling beendet ist, beginnt das Shooting ohne große Umschweife. Die Stylisten ziehen sich etwas zurück und überlassen dem Fotografen und seinem kleinen Team den Raum. Die ersten Bilder werden im Wohnzimmer geschossen, wo sich Sumi fast schon aufreizend auf dem Sofa räkelt und mir kommt allmählich die Vermutung, dass das Haus und die gesamte Einrichtung als Fotostudio dienen wird. Immer wieder stehe ich im Weg, also verziehe ich mich in den hinteren Teil des Wohnzimmers und bediene mich am Buffet. Das dritte Mal an diesem Morgen. Zum x-ten Mal vibriert mein Handy und genervt blicke ich aufs Display, wieder dieser nervtötende Kerl. Chanmi oder so hieß er. Nachdem ich ihn nach unserer kurzen Einlage im Hauseingang eiskalt abblitzen ließ, müsste ihm eigentlich klar sein, dass ich nichts mehr von ihm will. Vor allem, wenn ich jetzt auf keinen seiner Anrufe eingehe. Hat denn keiner mehr etwas Würde? Schlecht gelaunt beiße ich in meinen Muffin. Die junge Assistentin kommt vorbei und zieht sich am Buffet einen Kaffee.
„Wie lange dauert so ein Shooting?" frage ich, während mein Blick zu Sumi rüber geht. Er hat inzwischen von der Couch zum großen Ohrensessel gewechselt und setzt sich gekonnt in Szene. Nicht nur ein Musiker, sondern auch noch ein Model durch und durch.
„Schon so ein paar Stunden," antwortet die junge Frau, nachdem sie einen kurzen Moment überlegt hat. Meine Laune rutscht in den Keller und ich schiebe mir den restlichen Muffin ganz in den Mund.
„Es muss sehr aufregend sein, für einen so berühmten und erfolgreichen Star zu arbeiten. Er ist ja so talentiert, freundlich und beliebt bei seinen Fans. Und dabei ist er noch so gutaussehend!"
Gibt es denn irgendjemanden, der Sumi nicht leiden kann? Ich blicke noch einmal zu ihm rüber und unsere Blicke treffen sich. Schnell drehe ich mich um, weil ich die Backen immer noch voll habe und ich wahrscheinlich aussehe wie ein gieriger Hamster. Ich würge meinen trockenen Muffin runter, während die junge Assistentin weiter vor sich hin schwärmt.
„Bei so jemandem hat niemand eine Chance! Nicht einmal andere Prominente. Da kann man noch so gut aussehen oder berühmt sein. Er steht wirklich über allem!" Wäre das hier ein Comic, hätte sie jetzt große Herzchenaugen und das naive Herz würde ihr aus der Brust springen. Wenn sie nur wüsste. Plötzlich dreht sie sich um und blickt zu mir hoch.
„Du siehst auch sehr gut aus. Vielleicht könnten wir beide ja mal-."
„Nein!" sage ich sofort, nehme mir noch zwei Muffins und verlasse das Buffet, bevor sie noch auf andere, dumme Ideen kommt.
Alle Bilder wie immer auf Instagram unter beesting95_schreibt zu finden! :-)
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From Guardian to Lover - A Korean Lovestory
RomanceWährend Yeon sein Dasein als Gelegenheitsbodyguard mit einem ziemlich brutalen Ruf fristet, lebt Sumi als weltbekannter Kpop-Star und regelrechter Strahlemann ein Leben in übermäßigem Reichtum. Unterschiedlicher könnten die beiden also nicht sein. D...