Kapitel 42

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Am nächsten Morgen wache ich alleine in meinem Bett auf. Ich brauche einen ewig langen Moment, um richtig wach zu werden und vor allem um zu begreifen, was letzte Nacht passiert ist. Mein Herz macht einen Satz, als die Erinnerungen wieder hochkommen und ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Verdammt, war das scharf! Ich kann kaum glauben, dass ich es so wild mit Yeon getrieben habe! Ich drehe mich auf die Seite und drücke mein Gesicht ins Kopfkissen. Habe ich ihm wirklich gesagt, dass ich ihn auch mag? Habe ich es wirklich so gemeint oder nur durch die berauschenden Gefühle des Augenblicks gesagt? Ich grüble darüber nach und frage mich, ob ich einen anderen Mann wirklich auf diese Art und Weise mögen kann.

Der Sex war geil, das steht außer Frage. Aber mag ich Yeon wirklich? Empfinde ich so viel, dass ich es laut aussprechen kann? Unter mein Glücksgefühl mischt sich Unsicherheit und irgendwie auch Unbehagen. Der Gedanke, mich mit einem anderen Mann zu outen versetzt mich etwas in Angst. Was würde meine Familie dazu sagen? Was würden meine Fans und die Öffentlichkeit davon halten? Vielleicht war es doch ein Fehler, mit Yeon intim zu werden und ihm zu sagen, dass ich ihn mag, wenn ich nicht einmal selbst weiß, was ich fühle und will. Und vor allem, wenn ich scheinbar noch nicht bereit dafür bin. Trotz der negativen Gedanken, die sich plötzlich ungewollt in meinen Kopf schleichen, hält mein Glücksgefühl an und dieser Zwiespalt verursacht mir seltsame Kopfschmerzen. Vielleicht sollte ich erst einmal nicht weiter darüber nachdenken. Ich setze mich auf und realisiere erst jetzt, dass ich wirklich alleine bin. Ist Yeon schon gegangen? Aber wieso? Er hätte sich wenigstens verabschieden können.

Gekränkt stehe ich auf, werfe mir einen Bademantel um und gehe durch den Flur in die Küche. Mir stößt zuerst der Kaffeegeruch in die Nase, bevor ich nach rechts blicke und Yeon an der schmalen Küchenzeile sitzen sehe. Einen großen Becher in der einen, das Handy in der anderen Hand.
„Morgen," begrüßt er mich mit rauer Stimme und schmunzelt amüsiert, als ich ihn wahrscheinlich mit einem ziemlich dümmlichen Gesichtsausdruck anstarre. Wie komme ich darauf, dass er einfach abgehauen sein könnte? Ich kriege sofort Herzflattern, als ich seine sexy Morgenstimme höre und bin schlagartig wieder geil. Verdammt! Hatte ich letzte Nacht nicht schon genug? Ich dränge das Gefühl zurück, weil ich wirklich erst mal genug habe, denn ich habe Muskelkater und mir tut alles weh.
„Ich hoffe, du hast gut geschlafen," murmle ich, nachdem ich mich aus meiner Starre gelöst habe und in die Küche geschlurft komme. Gott sei Dank habe ich meinen Bademantel noch zugemacht, sonst würde ich jetzt halbnackt vor ihm stehen und dann könnte wahrscheinlich keiner von uns beiden mehr für irgendetwas garantieren.
„Ich kann nicht klagen. Und du?" meint Yeon und ich kann in seiner Stimme das breite Grinsen hören, auch wenn ich ihm den Rücken zugewandt habe. Stützend halte ich meine Hand in den Rücken und gehe zur Kaffeemaschine. Was hat er nur mit mir angestellt? Gerade fühle ich mich wie einmal gerädert und vom Laster überfahren. Yeon lacht kehlig, als er meine gebückte Haltung sieht.
„Ist es so schlimm?"
„Ich sag mal so, ich bin es einfach nicht gewohnt," entgegne ich ehrlich, „das Tempo ..." Yeon blickt mich sexy an und lächelt.
„Tja, das war erst der Anfang."

Dieser Satz turnt mich so dermaßen an, dass ich augenblicklich wieder einen Ständer habe. Schnell drehe ich mich wieder zur Kaffeemaschine, um es zu verbergen und hole eine Tasse aus dem oberen Schrank. Kann er nicht eine Sekunde aufhören, so wahnsinnig heiß zu sein? Während ich mir Kaffee einschenke, versuche ich mich wieder zu beruhigen, aber es dauert einen Moment, bis es besser wird. Yeon scheint nichts bemerkt zu haben, doch als ich mich endlich wieder zu ihm umdrehen kann, sehe ich noch, wie er verschmitzt in seine Kaffeetasse grinst.
„Steht heute was bei dir an?" fragt er dann.
„Murdoc und ihre Freundin Saejin wollen am Nachmittag vorbeikommen. Weil ich auf Anhieb keinen Manager finden kann, denke ich darüber nach, ihr eine Chance zu geben, auch wenn sie noch kaum Erfahrungen hat. Ich möchte sie aber vorab besser kennen lernen," meine ich und nehme einen großen Schluck Kaffee und verbrühe mir fast die Zunge. Yeon nickt verstehend und legt sein Handy weg.
„Also brauchst du mich heute nicht?"
„Nein, wir treffen uns hier."
„Ich muss heute was Dringendes erledigen, aber falls du mich doch brauchen solltest, sag Bescheid." Yeon trinkt seine Tasse aus, kommt um die Küchenzeile herum und geht auf mich zu, sodass er dicht vor mir stehen bleibt. Seine Augen mustern mich ausgiebig und gleiten von meinem Gesicht kurz zu meinem Bademantel und wieder hoch, ich ahne, dass er weiß, dass ich darunter völlig nackt bin. Sein Zeigefinger geht an den Stoffgürtel und hakt sich dort ein, um mich zu sich heranzuziehen. Eine kleine Geste, die mich aber völlig aus dem Konzept bringt und meine Knie weich werden lässt.
„Soll ich heute Abend wieder vorbeikommen?"
Alles in mit schreit Ja. Ja, ich will ihn wiedersehen und abgefahrenen Sex mit ihm haben! Ja, ich will ihn bei mir haben und mich glücklich fühlen! Die Antwort kann so einfach sein, ich muss es nur aussprechen. Ich blicke in seine grau-grünen Augen, die mich abwartend und durchdringend anschauen. Doch irgendetwas hält mich von einem einfachen Ja ab.

„Mal schauen, ich ...ruf dich an," sage ich kühl. Mit dieser Antwort hat Yeon scheinbar nicht gerechnet, denn er geht einen Schritt zurück und sieht mich fragend und zeitgleich irritiert an. Sofort steigt Panik und Angst in mir auf, doch statt meine Antwort zu korrigieren, gehe ich an ihm vorbei zum Kühlschrank.
„Ich weiß ja nicht, wie lang Murdoc und Saejin bleiben werden und du bist sicher auch schwer beschäftigt mit dem, was du heute vorhast. Deswegen können wir ja kurzfristig schauen."
Verdammter Mist! Wieso sage ich diesen Müll? Es ist doch eigentlich kein Problem, ihn heute Abend wiederzusehen, da habe ich doch eh nichts vor! Sag es ihm einfach! Sag ihm, dass du dich freuen würdest, wenn er heute Abend wieder vorbeikommt! Als ich mich mit der Milch aus dem Kühlschrank wieder umdrehe und Yeons verständnislosen Blick sehe, rutscht mir das Herz in die Hose. Verdammt. Ich habe es vermasselt.
„Klar, ich werde dich nicht weiter stören," knurrt er finster, verschwindet aus der Küche und kommt einen Moment später komplett angezogen aus dem Schlafzimmer zurück.
„Dann viel Glück nachher," meint er unterkühlt, während er sich die Jacke anzieht. Dann hält Yeon kurz inne und blickt mich finster, aber durchdringend an und für einen Moment habe ich Angst, er kann mir ins Innere meines Kopfes schauen. Ich schlucke schwer und ein Kloß bildet sich in meinem Hals.
„Ich weiß, dass irgendetwas nicht stimmt, also sag es mir einfach. Aber diese Art hier ist nicht fair."
Bevor ich noch etwas dazu sagen oder ihn aufhalten kann, macht Yeon auf dem Absatz kehrt und verschwindet mit einem lauten Zuschlagen der Tür.


Am Nachmittag kommt Murdoc etwas früher als vereinbart. Das kommt mir ganz gelegen, damit ich mich nicht weiter mit meinen bescheuerten Gedanken rumschlagen muss. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber seit Yeon die Wohnung verlassen hat, habe ich nichts mehr von ihm gehört, was meinen Gemütszustand nur noch verschlimmert. Wieso bin ich so ein Idiot?

„Saejin kommt auch gleich. Ich wollte noch mit dir allein reden."
Ich bringe ihr etwas zu trinken und setze mich neben sie auf die Couch, dann blicke ich sie abwartend an.
„Ich wollte nur mal vorsichtig nachhorchen, wie es mit Yeon lief. Hast du ihn nach der Party gefragt, ob er bleiben möchte?" Sie grinst mich frech und neugierig an.
Ich zucke innerlich zusammen bei dieser indiskreten Frage. Zwar weiß Murdoc Bescheid von mir und Yeon, aber trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass sie so sehr ihre Nase reinstecken will. Sie kennt wirklich keine Grenzen!
„Bist du nur deswegen früher gekommen?" frage ich entsetzt, woraufhin sie mir nur ein breites Lächeln schenkt und näher an mich heranrückt. Was soll das auf einmal?
„Na, sag schon!"
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!" maule ich und drücke sie von mir weg. Irgendwie ist mir die Situation gerade sehr unangenehm und ich habe nicht das Bedürfnis, mit ihr darüber zu sprechen, zumal ich eh nicht weiß, ob sie meine Lage wirklich verstehen kann. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sie mich vielleicht sogar für meine Unbeholfenheit und Hilflosigkeit auslachen würde. So wie es viele Frauen bisher getan haben. Ich bezweifle, dass sie verstehen kann, wie es ist, mit jemandem des gleichen Geschlechts intim zu werden, was wiederum die eigene Sexualität komplett infrage stellt. Mit all den anderen Problemen, die ich aktuell noch habe. Sie ist ein Mensch, der einfach macht, ohne groß nachzudenken oder über irgendwelche Gefühle zu grübeln, sie würde mich und meine Lage keineswegs verstehen. Plötzlich zieht Murdoc ein beleidigtes Schüppchen und blickt mich mit ihren großen, braunen Augen an.

„Aber ich dachte, wir sind Freunde?"
Innerlich freue ich mich, dass sie uns offiziell als Freunde bezeichnet hat.
„Ja, das stimmt und es ist auch echt süß, dass du dir Gedanken machst, aber das geht dich wirklich nichts an," sage ich höflich und hoffe, dass es damit erledigt ist. Ich kenne sie ja kaum, da würde ich mich sehr komisch fühlen, direkt aus dem Nähkästchen zu plaudern und ihr meine Sexgeschichten zu erzählen.
„Das verstehe ich jetzt nicht," meint Murdoc und blickt mich irritiert an, „letztens wolltest du noch meinen Rat oder meine Meinung zu dem Thema und jetzt so? Ist irgendetwas passiert?" Plötzlich wirkt sie sichtlich besorgt. „Du kannst mit mir darüber reden, auch wenn Yeon mein Freund ist. Ich werde ihm nichts sagen, versprochen! Hat er etwas falsch gemacht? Oder hat es dir vielleicht doch nicht gefallen?"
„Es ist alles Bestens!" knurre ich gereizt und rutsche noch etwas weiter von ihr weg. Gerade ertrage ich so viel Nähe und Sorge um mich nicht. Ich habe es nicht verdient, weil ich selbst an der misslichen Lage schuld bin. „Es geht dich einfach nur nichts an, mehr nicht. Über so private Dinge möchte ich nicht reden."
„Sumi, bitte. Ich merke doch, das etwas los ist."
„Es ist nichts!"
„Sumi, rede mit mir."
„Murdoc, bitte lass es gut sein!"
Ich kriege plötzlich ein beklemmendes Gefühl in der Brust und mein Herzschlag verschnellert sich. Wenn sie mich noch weiter so bedrängt, flipp ich noch aus. Ich sehe, wie Murdoc den Mund aufmacht, doch zu meinem Glück klingelt es an der Tür.

From Guardian to Lover -  A Korean LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt