Warmes Licht fällt mir ins Gesicht, als ich langsam wach werde. Ich lasse die Augen geschlossen und genieße für einen Moment die Wärme, die mich umgibt. Gerade in diesem Moment wirkt alles so friedlich und eigentlich will ich nicht aufwachen. Ich seufze innerlich, öffne ich die Augen und blinzle hoch an die Zimmerdecke. Es dauert einen Moment, dann stutze ich verwirrt. Eine fremde Deckenleuchte. Ich blicke zu meiner Rechten und sehe ein Fenster, vor dem mir unbekannte Gardinen hängen. Die warme Nachmittagssonne scheint hindurch und wirft ihr gelbes Licht an die Wände. Ich schließe meine Augen wieder und versuche mich zu erinnern, was passiert ist. Richtig, ich hatte einen heftigen Streit mit meiner Mutter. Aber was ist danach geschehen? Ich runzle die Stirn, als ich nach Erinnerungen suche, aber alles wirkt verschwommen, als habe man mit Wasserfarben drüber gemalt. Ich gebe es schließlich auf und drehe mich auf die Seite und sehe ein kleines, aber ordentliches Zimmer. Ein großer Kleiderschrank, eine Kommode, ein Standspiegel, einige Bilder an den Wänden von Menschen und Katzen, eine Gitarre, ein Nachttisch. Ja, eindeutig ein Schlafzimmer, aber von wem? Ich blicke auf den kleinen Wecker, der auf dem Tischchen steht, 18:36. Ich muss den ganzen Tag geschlafen haben oder sogar noch länger. Müde gähne ich und hieve meine Beine aus dem Bett. Ich lasse meinen Kreislauf langsam von selbst hochfahren und merke, dass der lange Schlaf gut getan hat. Im Spiegel sehe ich mich an der Bettkante sitzen und erkenne erschrocken, dass ich nur ein Shirt und meine Boxershort anhabe. Mir wird sofort heiß bei dem Gedanken, dass mich jemand so gesehen haben könnte. Als ich mir sicher bin, dass ich aufstehen kann, ohne gleich umzukippen, gehe ich langsam zur Tür, um mich auf die Suche nach jemandem zu begeben. Ich betrete einen dunklen, schmalen Flur, der sofort in einem kleinen, aber gemütlichen Wohnzimmer endet. Zu meiner Rechten steht ein dunkelgraues Sofa, davor ein schmaler, niedriger Tisch aus schwarzem Metall. Auf einem niedrigen Schrank steht der Fernseher, der zwar läuft, aber leise gestellt ist. Ich sehe eine passende Kommode, einige Pflanzen und wieder ein paar private Fotos an den Wänden. Zur Linken befindet sich eine offene und große Küche mit hellen Schränken, einem kleinen Kochfeld und einer langen Kochinsel. Davor steht ein runder Esstisch mit vier Stühlen. Und dort sehe ich auch Yeon, der am Herd steht und zu kochen scheint. Völlig konsterniert starre ich seinen breiten Rücken an. Ich bin so überrascht über diesen Anblick, dass mir kurz die Spucke wegbleibt. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass er selbst kocht! Irgendwie steht es ihm, das muss ich zugeben. Irgendwann raffe ich mich aus meiner Starre und räuspere mich unsicher. Kurz schaut Yeon über seine Schulter.
„Du kannst dich setzen, das Essen ist gleich fertig."
Langsam gehe ich zum Esstisch, der bereits gedeckt ist und setze mich. Noch immer blicke ich mich verwundert und überrascht, aber nun auch neugierig um. Nie im Leben hätte ich ihm eine so hübsche und gemütliche Wohnung zugetraut und ich bin ein wenig neidisch.
„Ist ...ist das hier wirklich deine Wohnung?"
Ich höre ihn nur zustimmend brummen.
„Nach der Aktion wusste ich nichts besseres. Du musstest einfach von da weg. Ich hoffe, das ist okay für dich."
„Das wäre wirklich nicht nötig gewesen," entgegne ich und belüge mich damit automatisch selbst. War nicht ich derjenige gewesen, der panisch von zuhause weg wollte, aber nicht wusste, wohin? „Du hättest mich auch in ein Hotel bringen können, ehrlich."
Ich sehe, wie Yeon mit dem Kopf schüttelt und das Essen auf die Teller verteilt. Dann kommt er mit einem Tablett an den Tisch und setzt sich. Er hat Bibimbap gekocht, ein typisch koreanisches Gericht bestehend aus einer Schüssel Reis mit verschiedenem Gemüse und Fleisch und als ich das leckere Essen sehe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich merke, wie hungrig ich bin. Heute Morgen kam ich ja nicht dazu zu frühstücken. Yeon hat meinen hungrigen Blick wohl bemerkt, denn er schmunzelt und reicht mir eine der Reisschüsseln.
„Greif zu."
Wir essen einen Moment schweigend und ich genieße das gute Essen, dass mir nicht nur den Magen füllt, sondern auch mein Herz erwärmt. Es schmeckt so gut und gibt mir ein Gefühl von einem warmen Zuhause, dass ich nie hatte. Ich bin tief beeindruckt, wie gut Yeon kochen kann.
„Dich in ein Hotel zu bringen, wäre eine beschissene Idee gewesen. Du weißt doch, die die Paparazzi sind. Die kriegen alles spitz. Dein Ohnmachtsanfall und die Prügelei haben schon genug für Aufruhr gesorgt. Du warst deswegen heute Mittag überall in den Nachrichten."
Ich lasse meine Essstäbchen sinken und nicke verstehend. Schöner Mist! Als wäre der Ärger mit meiner Mutter nicht schon genug.
„Wenn man mich jetzt auch noch in einem Hotel sieht, heizt das die Gerüchteküche nur noch mehr an. Sie werden sich sonst was zusammenreimen, Hauptsache die Medien haben eine kranke Schlagzeile," raune ich genervt. Wir essen wieder schweigend und ich genieße es irgendwie, in Yeons Gegenwart nicht ständig reden und ihn unterhalten zu müssen. Im Hintergrund ist ganz leise der Fernseher zu hören und von draußen dringt der Lärm des Stadtverkehrs ganz dumpf zu uns hinein. Gerade könnte es nicht besser sein. Meine Seele kommt etwas zur Ruhe.
„Hast du noch andere Familienmitglieder, bei denen du übergangsweise unterkommen könntest? Die dich vor deinen Eltern in Schutz nehmen würden?" fragt der Schwarzhaarige plötzlich. Kurz blinzle ich ihn überrumpelt an, mit der Frage habe ich jetzt gar nicht gerechnet. Dann schüttel ich aber den Kopf.
„Die Großeltern väterlicherseits leben zu weit weg und die Großeltern mütterlicherseits stehen voll und ganz auf ihrer Seite. Sie würden mich sofort ausliefern und mich in ihre Klauen werfen."
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, oder wie sagt man. Und was ist mit Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen?"
Ich schlucke schwer und mein Herz verkrampft sich kurz bei dieser Frage. Nicht, weil Yeon sich scheinbar Mühe gibt, mir eine anständige Bleibe zu suchen, sondern eher, weil er Familienmitglieder erwähnt, an die ich nur schlechte Erinnerungen habe. Ich unterdrücke den Kloß, der sich in meinem Hals bilden will und trinke einen Schluck Wasser.
„Da gibt es noch einen Onkel und seine Frau, der Bruder meines Vaters. Aber die beiden leben ebenfalls sehr weit weg und der Kontakt ist seit Langem abgebrochen," sage ich und bemühe mich, so gleichgültig wie nur möglich zu klingen. Yeon mustert mich lange und ausgiebig und ich ahne eigentlich schon, dass er bereits weiß, dass mehr hinter meiner Antwort steckt. Trotzdem bohrt er nicht weiter nach und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Das habe ich inzwischen sehr an ihm zu schätzen gelernt, dass er meine Grenzen erkennt und akzeptiert.
„Solange ich hier bleibe, werde ich dir was zu deiner Miete dazugeben und die Einkäufe werde ich auch bezahlen. Ich möchte aber nicht lange bleiben, ehrlich! Ich will deine Hilfe und Gastfreundlichkeit nicht überstrapazieren."
Yeon blickt mich an, als würde ihm irgendetwas daran ganz und gar nicht gefallen. Er legt die Essstäbchen zur Seite und stützt sich mit verschränkten Armen auf den Tisch, um mir ein Stückchen näher zu kommen.
„Das kommt gar nicht in Frage," raunt er dominant.
„Ich bestehe darauf! Andernfalls werde ich dir das Geld einfach bei der nächsten Gehaltsabrechnung dazu geben. Du hast also keine andere Wahl!" kontere ich und schmunzle selbstsicher, als ich in Yeons Gesicht sehen kann, dass ihm das nun auch klar ist. Er grummelt vor sich hin, dann nickt er widerwillig.
„Ich werde mich bei meinen Leuten mal umhören, vielleicht wissen die was wegen einer freien Wohnung," meint er dann, steht auf und räumt die Teller auf das Tablett. „Fühl dich solange wie zuhause hier. Das Bad ist neben dem Schlafzimmer, frische Handtücher sind im Schlafzimmerschrank oder in der Kommode im Bad." Er geht in die Küche. „Du kannst im Notfall auch alles an Duschgel und Shampoo benutzen. Ich weiß nicht, was die kleine Haushälterin dir alles eingepackt hat."
Kurz blicke ich meinem großen Bodyguard nach und hätte fast feuchte Augen bekommen, so dankbar bin ich in diesem Moment. Wofür habe ich so viel Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit verdient?
Plötzlich klopft es an der Tür und kurz darauf tritt ein kleiner, junger Mann einfach ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Erschrocken fahre ich hoch und halte die Hände vor meine Boxershort. Die beiden begrüßen sich und ich höre Yeon murmeln: „Ich bin gleich so weit." Dann bemerkt mich der junge Mann, kommt auf mich zu und begrüßt mich höflich mit einer leichten Verbeugung.
„Ich bin Sammy, Yeons bester Freund," stellt er sich mit einem breiten Grinsen vor. Er ist die Reinkarnation des Sonnenscheins. Lustige, hellbraune Locken, leichte Sommersprossen im Gesicht und freche, braune Augen. Er ist so groß wie ich, von der Statur her aber deutlich kräftiger und fitter, denn er scheint viel Sport zu betreiben.
„Sammy arbeitet auch in der Agentur," ruft Yeon aus der Küche, die er gerade noch schnell aufräumt. Sammy nickt eifrig. Das erklärt auf jeden Fall seine Statur.
„Yeon hat mir schon einiges von dir erzählt."
Ich bin völlig überrumpelt von dieser plötzlichen Situation und weiß erst nicht, wie ich reagieren soll.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass heute noch jemand vorbeikommt, sonst hätte ich mir was angezogen." Das bringt den braungelockten Mann zum Lachen und er klopft mir fest auf die Schulter.
„Chill mal, Kumpel. Wir sind doch unter Kerlen!" Damit wendet er sich von mir ab und geht zu Yeon in die Küche, um sich aus dem Kühlschrank eine kleine Flasche Wasser zu holen. Ich bin tatsächlich positiv überrascht, dass dieser Sammy keinen Hehl daraus macht, dass ich ein berühmter Popstar bin, war ich bisher doch immer nur anderes gewohnt. Etwas entspannter räume ich den Rest vom Esstisch und bringe es zu Yeon, der gerade noch schnell abspült.
„Habt ihr etwas vor?" frage ich neugierig und beobachte unbeabsichtigt die kräftigen Unterarmmuskeln meines Bodyguards, die sich bei jeder Bewegung an- und entspannen.
„Wir werden den Kerl konfrontieren, der für die Fanattacken verantwortlich ist," meint Yeon trocken und drückt mir ein Trockenhandtuch in die Hand. Sammy nickt nur und grinst breit und gut gelaunt. Dabei geht mir ein Licht auf.
„Bist du der Kumpel, der die Informationen im Netz herausgefunden hat?"
Sammy nickt wieder und verschränkt die Arme vor der Brust. Sein Selbstbewusstsein hätte ich gerne.
„Dann bedanke ich mich aufrichtig für deine Mithilfe. Ich weiß es sehr zu schätzen!" sage ich und verbeuge mich tief. Ohne ihn wären wir wahrscheinlich kein Stück weiter gekommen.
„Ach was! Das war ein Klacks für mich. Für Yeon würde ich alles tun," meint Sammy und grinst seinen besten Freund an. Kurz wird mir komisch, als ich seinen vertrauten und vielsagenden Blick zu Yeon sehe.
„Der schwierige Teil kommt erst noch."
„Ach ja?" frage ich neugierig und gespannt.
„Den Typen zum Reden bringen. Aber dafür ist unser Yeon hier der richtige Mann." Sammy zwinkert mir verschmitzt zu und mir wird mulmig zumute. Was hat das zu bedeuten?
„Ich will nicht wissen, was genau ihr vorhabt! Ich will nichts mit kriminellen Dingen zu tun haben!" sage ich schnell und fuchtel wild mit den Händen herum. Yeon dreht sich zu mir um und blick zu mir hinab, während er sich lässig die Hände an einem Handtuch trocknet. Provozierend zieht er eine Augenbraue in die Höhe.
„Du glaubst doch nicht etwa wirklich, dass ich kriminell bin, oder?" Seine Augen funkeln amüsiert.
Ich schlucke schwer und kurz werden meine Beine weich, als ich Yeon so nahe bin und ich merke unwillkürlich, dass mein Gesicht heiß wird. Das kann nur bedeuten, dass ich gleich leuchte wie eine reife Tomate. Schnell drehe ich mich von ihm weg und versuche, ohne mich zu räuspern, meine Stimme wiederzufinden.
„Ich weiß gerade gar nicht, was ich überhaupt noch denken und glauben soll."
Sammy lacht belustigt und meint zu Yeon: „Hör auf, den armen Kerl zu verarschen, er ist ja ganz
durcheinander." Das bringt meinen Bodyguard zum Schmunzeln und er blickt zu mir hinab.
„Möchtest du mitkommen?"
„Nein! Auf gar keinen Fall! Ich warte lieber hier, bis ihr zurück seid."
Yeon zuckt gleichgültig die Schultern, holt seine Jacke und beide verabschieden sich. Sie versprechen mir, dass es nicht lange dauern wird und ich einfach in der Wohnung bleiben soll. Als sie zur Tür hinaus sind, schließe ich sofort hinter ihnen ab. Ein bisschen paranoid bin ich schon und kaum bin ich alleine, mach ich mir auch schon Sorgen, dass etwas schief gehen könnte. Ich weiß nicht, was genau sie vorhaben und ob sie erfolgreich sein werden und genau das macht mir Angst. Als ich mich etwas beruhige, sehe ich mich etwas in der Wohnung um. Besonders die Bilder an den Wänden interessieren mich und ich nehme sie etwas genauer unter die Lupe. Endlich erfahre ich etwas über Yeon, doch die einzigen Fotos, die ich sehe, scheinen von seinen Freunden und einer schwarzhaarigen Frau zu sein. Einige Fotos zeigen sie mit Katzen in den Armen. Yeon erwähnte doch mal, dass er sich um die Katzen seiner Mutter kümmert. Ist sie das vielleicht? Eine sehr hübsche Frau und sofort kann ich sehen, von wem Yeon seine Augen und Haare hat. Aber was ist mit seinem Vater und dem Rest seiner Familie? Auch im Schlafzimmer hängen keine Familienfotos, ich kann nur seine Mutter und viele, vermeintliche Freunde erkennen. Irgendwann habe ich genug gesehen und beschließe, etwas fern zu sehen. Ich möchte ungern weiter in seiner Wohnung herumschnüffeln, auch wenn ich noch so neugierig bin. Ich lasse mein Handy bewusst im Schlafzimmer liegen, weil ich weiß, dass es vor Anrufen und Nachrichten meiner Mutter nur zu explodiert. Gerade fühle ich mich alles andere als bereit dafür, mir das anzusehen.

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From Guardian to Lover - A Korean Lovestory
RomanceWährend Yeon sein Dasein als Gelegenheitsbodyguard mit einem ziemlich brutalen Ruf fristet, lebt Sumi als weltbekannter Kpop-Star und regelrechter Strahlemann ein Leben in übermäßigem Reichtum. Unterschiedlicher könnten die beiden also nicht sein. D...