Kapitel 29

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Als wir später im Wagen sitzen – als ich Sumi gestern mitgenommen habe, habe ich mir einfach seinen Wagen genommen, mit dem wir bisher immer herumkutschiert worden sind – und ich uns in die Stadt fahre, herrscht eine unangenehme und kalte Stille zwischen uns. Ich hasse dieses Schweigen, sehe es aber auch nicht ein, wieder den Anfang zu machen. Außerdem habe ich ihm gerade nichts zu sagen, eher ist er derjenige, der eine Erklärung abgeben sollte, nachdem, was ich heute Morgen in meinem Schlafzimmer gesehen habe. Fuck, was sollte das? Wäre ich nicht so verärgert gewesen, hätte ich ihm gerne dabei zugesehen. Ich schüttle den Kopf und vertreibe diesen Gedanken schnell wieder. So weit kommt's noch!
„Es tut mir leid wegen vorhin," sagt Sumi plötzlich aus dem Nichts, „ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat."
Plötzlich sehe ich meine Chance, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Es drängt mich schon länger zu fragen, aber bisher habe ich es nicht für angemessen gehalten, immerhin ist er trotz alledem noch mein Chef. Wenn ich so darüber nachdenke, haben wir eine ziemlich seltsame Vorgesetzten-Angestellten-Beziehung.
„Du hast bestimmt von einem Mädchen geträumt," sage ich beiläufig, während ich an einer roten Ampel halte. Inzwischen hat sich der Nebel gelichtet, aber es hat angefangen zu regnen.
„Schon möglich," höre ich Sumi murmeln, der den Kopf gegen die Scheibe gelehnt hat und hinausschaut. Irgendwie eine ziemlich frustrierende Antwort.
„Ich hatte schon lange kein Mädchen mehr. Wahrscheinlich bin ich einfach nur untervögelt," sagt Sumi dann in seinem typisch arroganten Ton und ich bin negativ überrascht, dass er dieses Wort überhaupt kennt. Wieso switched er auf einmal? Vorhin schien es noch so, als würde er sich über etwas tiefe Gedanken machen und jetzt wirkt er so unnahbar und kühl. Will er mir irgendetwas beweisen?
„Die weiblichen Fans stehen bei dir bestimmt meterlang Schlange."
„Oh ja! Teilweise kann ich mich vor Anfragen und Angeboten nicht retten. Auf Konzerten und Fantreffen ist es immer am schlimmsten. Wenn sie mich live sehen, drehen sie völlig durch, da gehen alle Hormone mit ihnen durch. Und ich bin seeeeeeeehr beliebt, wenn du verstehst, was ich meine." Er zwinkert mir vielsagend zu und zeigt kurz seine Zunge. Eine sexy Geste, die mich aber in diesem Moment kalt lässt. Wenn ich könnte, würde ich ganz laut mit den Augen rollen, stattdessen rümpfe ich nur unbeeindruckt die Nase und ziehe ein angepisstes Gesicht. Schon klar, Sumi. Wer so davon prahlt, hat eigentlich nichts auf dem Kasten.
„Und trotzdem bist du noch Jungfrau," kontere ich furztrocken, ohne ihn anzublicken. Das bringt meinen kleinen Popstar so dermaßen aus dem Konzept, dass seine Stimme gleich drei Oktaven höher geht und er wild vor sich hin stammelt.
„Da-Das stimmt ja überha-haupt nicht!" Ohne ihn direkt anzuschauen, kann ich sehen, dass er wieder knallrot wird.
„Ich habe schon so einige Frauen oral befriedigt oder mit den Fingern be-beglückt!" versucht er sich zu rechtfertigen, aber mein Schweigen macht ihn nur noch nervöser.
„Das zählt nicht," entgegne ich grimmig, aber innerlich amüsiere ich mich gerade prächtig. Wie schnell man ihn ins offene Messer laufen lassen kann.
„Das tut es doch! Immerhin sind es auch Sexpraktiken!"
„Solange du deinen Schwanz noch nicht reingesteckt hast oder selbst noch keinen Schwanz eingesteckt hast, hattest du auch noch keinen richtigen Sex. Ergo, bist du auch noch Jungfrau."
„Wa-Was ist das bitte für eine Logik?" empört sich Sumi und schnappt hektisch nach Luft. „Und seit wann bist du der Sexbeauftragte aller Jungfrauen?!"
Jetzt muss ich doch lachen, weil ich dieses Gespräch mehr als lächerlich finde. Wieso habe ich überhaupt damit angefangen?
„Vergiss es wieder," raune ich dann wieder etwas ernster.
„Du hast mit dieser total bescheuerten Definition angefangen!" keift Sumi beleidigt.
„Und du hast mit rumvögeln angefangen!"
Kurz öffnet Sumi den Mund, dann schließt er ihn wieder, verschränkt die Arme vor der Brust und dreht sich zum Fenster. Bockig wie ein kleines Kind starrt er hinaus und ich warte noch darauf, dass er mir noch einen bissigen Kommentar entgegenwirft, aber dieser bleibt zu meiner Überraschung aus. Sumi ist also noch Jungfrau, wieso überrascht es mich nicht? Spannend.

Wir fahren noch schnell beim Herrenausstatter vorbei und holen meine fertigen Anzüge ab. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel sich Sumi das hat kosten lassen. Kurz darauf kommen wir endlich zu der großen Shoppingmall, zu der Sumi unbedingt wollte. Eigentlich habe ich so gar keinen Bock darauf, aber dadurch, dass wir beide Undercover unterwegs sind, sollten wir nicht weiter auffallen und unsere Ruhe haben. Sumi hat eine regelrechte Verkleidung angelegt mit Klamotten, die er so niemals tragen würde, einer braunen Perücke, Mütze und sogar Kontaktlinsen. Ich wunderte mich, woher diese Sachen kommen, aber er erklärte mir vor dem Eingang der Mall, dass Mrs. Yoon ihm immer ein paar dieser Dinge eingepackt hat für den Notfall, wenn er unterwegs war. Auch dieses Mal hatte sie daran gedacht. Ich selbst trage für meine Verhältnisse sehr sportliche, lange Kleidung, die meine Tattoos bedeckt. Würde ich sie öffentlich zur Schau stellen, könnte es Ärger geben und man könnte mich eventuell daran erkennen. In Südkorea ist dieser Körperkult nicht gerne gesehen. Meine Haare habe ich zu einem Zopf gebunden, den ich unter einer Cap verstecke, sodass man meinen Undercut nun komplett sehen kann und es so aussieht, als hätte ich kurze Haare. Es dauert nicht lange und mein blonder Star hat bereits mehrere Kleidungsstücke für sich selbst gefunden und ich frage mich bereits, ob wir nicht vielleicht nur wegen ihm hierhergefahren sind, statt für mich nach einem Outfit zu schauen. Trotzdem sage ich immer wieder, dass ich nichts brauche und dass weitere, neue Kleidung völlig unnötig sind. Nicht nur deswegen bin ich schlecht gelaunt, sondern auch, weil Sumi sich mal wieder völlig danebenbenimmt und seine arrogante, eingebildete und verzogene Art zum Besten gibt. Er benimmt sich richtig seltsam und seine Gegenwart geht mir wieder richtig auf den Sack, als wären die letzten Tage nie geschehen.
Gerade sind wir in einem Laden und Sumi stöbert bei den Oberteilen nach etwas Passendem für mich, während ich neben ihm stehe und mies gelaunt vor mich hin grummle, da bemerke ich penetrante Seitenblicke. Ich schaue zu meiner Rechten und sehe eine Frau, die nicht unweit von mir an einem Kleiderständer steht und mich mit großen Augen anstarrt. Sie hört nicht einmal damit auf, als ich ganz offensichtlich und ungeniert zurück starre.
„Glotzen Sie nicht so und verziehen Sie sich!" blaffe ich zu ihr rüber, woraufhin sie zusammenzuckt und sich endlich regt.
„Ich kenne Sie aus den Nachrichten! Sie sind der Bodyguard von Jimin!" ruft sie plötzlich, statt zu verschwinden und kommt auf mich zu. „Kann ich ein Autogramm haben?"
Scheiße! Wie konnte sie mich trotz der Verkleidung erkennen? Als sie näher kommt, stelle ich mich in den Weg und will sie abwimmeln, bevor sie Sumi entdeckt. Doch es ist zu spät, sie hat bereits an mir vorbeigeschaut und den K-Popstar in seiner Undercover-Kleidung erkannt. Unangekündigt bricht sie in ein hohes, schrilles Kreischen aus, so überwältigt ist sie von Sumis Anblick. Herrje, wir haben es hier mit einem Ultra-Fan zu tun!
„Seien Sie bitte leise und gehen Sie!" versuche ich es, aber die Frau kreischt und ruft nur noch lauter, wird fast schon hysterisch und versucht aufdringlich, an mir vorbeizukommen. Ich befürchte bereits, dass es bald unangenehm werden könnte, weil schon andere Kunden in dem Geschäft sich zu uns umdrehen und die Hälse recken. Kurzerhand packe ich Sumi, der irgendwie komplett ahnungslos ist, am Arm und flüchte mit ihm in die entgegengesetzte Richtung, aber die Frau heftet sich an unsere Versen und bleibt hartnäckig. Immer wieder ruft sie nach Sumi und fragt nach Autogrammen und Bildern. Die blöde Kuh soll uns in Frieden lassen! Ich nehme Tempo auf und zusammen laufen wir zwischen den vielen Kleiderständern und Regalen hindurch, bis wir sie etwas abhängen konnten und uns hinter ein Regal ducken. Schnell huschen wir in gebückter Haltung weiter und finden in einer nahegelegenen Umkleide ein Versteck. Die Tür ist zu unserem Glück bodentief und abschließbar, sodass sie uns weder sehen noch die Tür aufmachen kann. Sumi hält den Atem an, als die furchtbare Frau rufend an der Kabine vorbeiläuft und ganz in der Nähe stehen bleibt. Ich fühle mich gerade wie in einem schlechten Horrorfilm. Wir versuchen, keinen einzigen Mucks zu machen und uns nicht zu bewegen, um nicht mit Sumis Einkaufstüten zu rascheln. Einen Moment später hören wir einen Mitarbeiter, der ihr versichert, dass wir den Laden bereits verlassen haben. Nachdem er sie mehrmals überzeugen musste, entfernen sich ihre Schritte und einen Augenblick später atmen wir erleichtert auf.
„Das hätte schnell wieder in einem Chaos enden können," flüstert Sumi und fasst sich fassungslos an die Stirn. Der Arme, nicht einmal mit einer krassen Verkleidung ist er vor seinen Fans sicher. Ich bin mir sicher, dass diese Frau uns wirklich nur erkannt hat und nicht von irgendeiner komischen Fanseite über unseren Standort informiert wurde. Die Zeiten sind vorbei.
„Wie kann man mich immer wieder erkennen? Ich versteh's nicht. Steckt meine Mutter wieder dahinter?"
Sofort schüttle ich den Kopf.
„Nein, sie hat dich einfach so erkannt," entgegne ich und mustere ihn eingängig. Schon wieder sind wir uns so nahe, die Kabine ist nicht sonderlich groß und ich kann Sumis gutes Parfüm riechen. Es ist frisch und erinnert an einen warmen Tag im Sommer. Fast wäre ich weich geworden, doch im nächsten Moment fällt mir wieder ein, dass ich eigentlich sauer auf ihn bin, „wir fahren jetzt!"
„Aber was ist mit deinem Outfit?"
„Scheiß drauf!" maule ich gereizt und verlasse die Umkleide.

Ich fahre zur Wohnung zurück und halte vor dem Haus am Straßenrand an. Sumi blickt mich fragend an, weil ich nicht auf den Parkplatz fahre.
„Geh schon mal rein, ich muss noch was erledigen. Ich geb' dir den Schlüssel," meine ich reserviert und mache den Wohnungsschlüssel vom Schlüsselbund ab.
„Was hast du denn jetzt noch so Wichtiges zu tun?" fragt Sumi in einem meckernden Ton, der mir ziemlich missfällt. Er nimmt mir den Schlüssel etwas ruppig ab. „Wir müssen uns bald für die Party fertigmachen!"
„Und?"
„Und außerdem ...kannst du nicht einfach mein Auto nehmen, wie du willst!"
„Wieso nicht? Du kannst doch eh nichts damit anfangen," kontere ich trocken zurück und blicke ihn finster an. Sumi blinzelt mich wütend an und ich kann seine Nasenflügel beben sehen, irgendeine spitze Bemerkung liegt ihm noch auf der Zunge, aber er scheint zu merken, dass ich gerade nicht in Stimmung bin, also presst er seine Lippen fest zusammen und schnallt sich ab. Er schnappt sich seine Einkaufstüten, die in seinem Fußraum stehen und stößt die Autotür unsanft auf. Dann geht er zur hinteren Autotür und holt die Anzüge heraus.
„Wenn ich wegen dir zu spät komme, macht sich das in deinem nächsten Gehalt bemerkbar!" keift er noch hinterher.
„Leck mich!" belle ich zurück, bevor er die Tür zuschlägt und ich mit lautem Motor wegfahre.


Kurz darauf komme ich in die Wohnung meiner Mutter, schmeiße meine Jacke wütend auf die Couch und knalle die Packung Medikamente, die ich ihr noch besorgen musste, auf den kleinen Esstisch. Meine Mutter, wie immer eingekuschelt in eine Decke auf dem Sofa, blickt besorgt und fragend zu mir hoch. Sie stellt den Fernseher leise und richtet sich ächzend auf. Zwei der vier Katzen springen vom Sofa. Heute sieht sie gar nicht gut aus, wahrscheinlich hat sie kaum etwas gegessen und schlecht geschlafen und die Schmerzen machen ihr sicher wieder zu schaffen.
„Was ist los? Ist etwas passiert?"
Am liebsten würde ich durchs Wohnzimmer tigern, aber nun bin ich von vier Katzen umzingelt, die mir um die Beine streichen. Ich gehe in die Hocke und streichle eine nach der anderen, sie freuen sich, mich zu sehen.
„Mein Klient, äh Chef ...er ist so unberechenbar. So sprunghaft, mal ist er total nett und freundlich und wir verstehen uns gut und im nächsten Moment ist er wieder so boshaft, abweisend und kühl. Von seiner arroganten Art brauche ich gar nicht erst anfangen. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, weil ich es nicht verstehe. Ich weiß nicht, warum er das macht, und das macht mich wahnsinnig. Die meiste Zeit würde ich ihn am liebsten erwürgen!"
Meine Mutter streckt eine Hand nach mir aus und deutet mit einer Handbewegung an, zu ihr zu kommen. Ich folge ihrer Aufforderung, stehe auf und setze mich zu ihr auf die Couch. Sofort kommen die Katzen dazu und trampeln auf uns herum, bis jede ihren Platz gefunden hat.
„Es klingt so, als wüsste dieser junge Mann nicht, wer er sein will und wer er aktuell ist. Es ist schwer, wenn man das nicht weiß, besonders, wenn man noch Probleme hat, die dazu kommen."
Ich seufze schwer und beruhige mich wieder etwas. Die ganze Aufregung und der Ärger sind eigentlich sinnlos.
„Er hat tatsächlich einige private Probleme," murmle ich grimmig und fahre mir dann müde durchs Gesicht.
„Du weißt nur zu gut, wie es ist, wenn man nicht weiß, wer man ist, was man will und wohin man im Leben möchte. Auch du hattest früher deine Schwierigkeiten. Erinnere dich nur, wie es für dich war. Du musst etwas Geduld mit ihm haben. Ich glaube, es wird ihm guttun, jemanden an seiner Seite zu haben, der ihm Geduld und Verständnis entgegenbringt." Meine Mutter krault den dicken, roten Kater hinter seinem Ohr, der sich inzwischen auf ihren Schoß gelegt hat. Er schnurrt glückselig vor sich hin und kniepst mich mit seinen grünen Augen an.
„Hast du irgendetwas zu ihm gesagt, was ihn verunsichert oder verärgert haben könnte?" fragt Eomma nach einer Pause.
„Ich sage ständig Dinge, die die Leute verunsichern oder verärgern! Was weiß ich!" maule ich gereizt, doch ich kann mir vorstellen, was es sein könnte.
„Also hast du etwas gesagt," meint meine Mutter dann nachdenklich und forsch zugleich.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn mag, okay!?" fahre ich sie verärgert an und fuchtle mit den Armen in der Luft herum, sodass sich die Katzen erschrecken und eine sogar vom Sofa springt. „Er hat es falsch verstanden und es auf eine freundschaftliche Ebene gebracht."
„Das erklärt, warum du so aufgebracht bist," stellt meine Mutter seelenruhig fest. „Der junge Mann weiß es nicht besser einzuordnen und verhält sich dementsprechend. Er scheint völlig durcheinander zu sein, mit vielen Dingen in seinem Leben und mit seinen Gefühlen und da ist es doch verständlich, dass er deine Aussage nicht verstanden hat. Es war vielleicht nicht die klügste Idee, ihm das in seiner aktuellen Situation zu sagen."
Ich seufze schwer und auch wenn ich die Worte meiner Mutter verstehen und nachvollziehen kann, fällt es mir gerade schwer, irgend so etwas wie Geduld oder Verständnis aufzubringen. Ich ärgere mich einfach nur grün und blau.
„Ich weiß das, Eomma. Es ist mir nur so raus gerutscht. Ich wollte eigentlich schon längst das Arbeitsverhältnis kündigen, damit ich ihn nicht damit belaste. Das wäre das Beste."
„Das Beste für wen? So wie ich das sehe, wäre das nur egoistisch von dir! Du würdest nur vor deinen Gefühlen davonlaufen, mehr nicht. So kenne ich dich nicht! Du bist weder egoistisch, noch lässt du jemanden im Stich, der deine Hilfe braucht."
„Und was soll ich dann deiner Meinung nach tun?"
„Ich weiß, dass es nicht leicht ist, die Person täglich zu sehen, für die man Gefühle hat, die aber nur mit Ablehnung und Gemeinheit beantwortet werden. Ich kann verstehen, dass du dem lieber aus dem Weg gehen willst, weil es dich verletzt und du sein Verhalten nicht verstehen kannst. Aktuell ist es keine leichte Situation, für keinen von euch, aber du solltest dich für den Moment hinten anstellen und einfach für ihn da sein. Er braucht dich jetzt. Manche Menschen brauchen jemanden, um heilen zu können."
„Wieso bin ausgerechnet ich dieser Jemand?"
„Schicksal," meint meine Mutter und lächelt, „niemand sucht sich diesen Menschen einfach so aus, es passiert eben, dass sich zwei Wege kreuzen. Und du warst einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der junge Mann weiß es wahrscheinlich selbst nicht." Sie nimmt meine Hand in ihre und blickt mich durchdringend an.
„Und du weißt nicht, welch starke Wirkung du auf manche Menschen hast. Du solltest das nutzen, um genau denen zu helfen."
„Meistens habe ich die Wirkung, dass die Leute Angst vor mir haben," grummle ich und wir lachen kurz.
„Das mag sein," stimmt sie mir zu, „aber die richtigen Menschen werden immer erkennen, dass in dir ein wunderbares und gutmütiges Herz schlägt."
„Ich hasse es, dass du so weise bist," seufze ich lächelnd, lege einen Arm um sie und drücke sie fest an mich.


Nachdem ich meiner Mutter mit dem Haushalt geholfen, für sie gekocht und sie davon überzeugt habe, endlich wieder ihre Medikamente zu nehmen, fahre ich am späten Nachmittag nach Hause. Es macht mir Sorgen, dass es ihr momentan nicht so gut geht und sie nichts dafür tut. Eine Therapie oder gar ein Krankenhausaufenthalt wäre zwar viel zu teuer, doch für sie würde ich selbst mein letztes Hemd verkaufen, um das bezahlen zu können. Doch wenn sie selbst nicht daran glaubt, dass es besser wird und sie nichts dafür tut, bringt auch das beste Krankenhaus nichts. Es scheint mir, als habe sie sich ihrem Schicksal ergeben. Mir krampft sich mein Herz zusammen bei dem Gedanken, dass meine Mutter aufgegeben haben könnte und unnötige Schmerzen leidet. Ich parke vorm Haus und bleibe noch einen Moment im Auto sitzen, um mich wieder runterzufahren. Irgendwie werde ich ihr schon helfen können.
Schnell steige ich aus und kehre in meine Wohnung zurück, die ich zu meiner Überraschung in einem blitzeblanken Zustand vorfinde. Ich blicke mich in der offenen Wohnküche und im Wohnzimmer um und bin beeindruckt.
„Ich hatte Langeweile und wusste nicht, wann du von deiner Freundin wiederkommst," mault Sumi noch immer eingeschnappt, der auf der Couch mit seinem Handy in der Hand liegt. Ich habe den Eindruck, dass seine Laune inzwischen schlimmer geworden ist.
„Sumi," sage ich warnend und blicke ihn finster an. Dieser zuckt nur mit den Schultern und schaut weiter auf sein Handydisplay. Ich seufze und suche nach meiner Geduld, die ich laut meiner Mutter unbedingt aufbringen soll, weil er es ja so sehr verdient hat.
„Ich musste nur nach dem rechten sehen," knurre ich gereizt.
„Du musst dich nicht rechtfertigen. Du kannst tun und lassen, was und mit wem du willst."
„Offensichtlich nicht," murmle ich und drehe mich genervt weg, um ins Schlafzimmer zu gehen. Auch hier hat er ordentlich aufgeräumt und trotz meines Ärgers bin ich beeindruckt, dass er überhaupt weiß, wie das geht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er Null Plan davon hat, da er und seine Eltern haufenweise Angestellte im Haus haben.
„Ich habe dir einen Anzug rausgehangen, den du anziehen kannst!" höre ich ihn rufen. Ich blicke zu meiner Linken auf meinen Schrank, an dessen Tür einer der Anzüge hängt, den wir beim Herrenausstatter ausgesucht hatten. Wütend stampfe ich ins Wohnzimmer zurück und zeige drohend mit einem Finger auf ihn.
„Damit fangen wir gar nicht erst an! Du wirst mir jetzt nicht auch noch die Entscheidung abnehmen, was ich anziehen soll. Außerdem ist der Geburtstag kein formeller Anlass! Da ziehe ich keinen Anzug an!"


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