Kapitel 9

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Wir fahren eine Weile, weil dieser Stadtpark, den Yeon erwähnte, wirklich ganz am anderen Ende der Stadt liegt und der Chauffeur sich durch den regen Stadtverkehr kämpfen muss. Schon länger wünsche ich mir, den Führerschein zu machen, aber bei diesem Verkehr überlege ich es mir vielleicht doch noch mal anders. Zu gern würde ich Yeon fragen, was los ist, aber ich lasse es lieber. Mir scheint, als würde ich sofort eine Tracht Prügel kassieren, wenn ich ihn noch einmal darauf anspreche. Ich kann mir denken, dass es irgendetwas mit seinem neuen Arbeitsverhältnis zu tun hat. Aber was ist so schlimm daran? Nicht nur, dass er jetzt viel flexibler arbeiten kann, nur noch eine feste Arbeit hat und nicht ständig switchen muss, er bekommt auch noch mehr Geld. Das glaube ich zumindest, aber dem sollte ich noch einmal nachgehen.

Als der Wagen an der Straßenseite vor einem großen Torbogen hält, ziehe ich meine Kappe auf, um meine blonden Haare darunter zu verstecken und steige aus. Yeon kommt um das Auto herum an meine Seite, während ich meine schwarze Sweatshirtjacke zumache. Auch wenn es meine eigenen Klamotten sind, fühle ich mich in diesen langweiligen dunklen Sachen nicht wohl. Nur widerwillig hatte ich mich umgezogen, nachdem mir Yeon dazu geraten hatte. Ich kann seinen Einwand verstehen, gefallen tut es mir dennoch nicht. Der Wagen fährt wieder davon und ich blicke neugierig durch den hohen Torbogen. Der Park dahinter ist mit einer niedrigen Mauer umgeben und als ich die grünen Flächen erblicke, schlägt mein Herz schneller vor Aufregung.

„Warst du noch nie in einem Park?" fragt mich Yeon plötzlich und er mustert mich zweifelnd.

„D-Doch, klar! Es ...ist nur ewig her." Wie so vieles andere.

„Du voran."

Etwas zögerlich gehe ich vorneweg und betrete den breiten Gehweg, der mit großen Steinplatten ausgelegt ist, während Yeon mit einigen Schritten Abstand hinter mir geht. Ich komme mir dabei irgendwie bescheuert vor und blicke zu ihm zurück.

„Kannst du bitte wenigstens neben mir gehen? Das sieht doch bekloppt aus."

Kommentarlos holt Yeon mit zwei großen Schritten zu mir auf und erscheint neben mir. Das fühlt sich schon besser an.

„Wir sollten einfach so tun, als wären wir zwei Freunde, die nur spazieren gehen. Wenn du so hinter mir läufst, denken die Leute noch, du verfolgst mich."

„Verstanden."

Wir gehen eine Weile schweigend nebeneinanderher und ich genieße diesen Moment, sauge ihn regelrecht in mich auf. Meine Gedanken kommen zur Ruhe und ich kann spürbar merken, wie ich mich entspanne. Mein Blick geht zu allen Seiten, über die großzügigen Rasenflächen und die säuberlich angelegten Blumenbeete bis hin zu den kleinen Teichen, die überall in der Sonne glitzern. Auch wenn die meisten Blumen schon verwelkt sind und der Spätsommer die ersten Büsche und Bäume gelb und orange färbt, erfreue ich mich an der Schönheit dieses Parks. Ich spüre die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und die frische Luft in meiner Lunge. Ich atme einmal tief durch.

„Früher ist meine Mutter öfter mit mir in solche Parks gegangen. Wir wohnten in der Nähe von einem. Damals habe ich nicht verstanden, wieso wir damit aufgehört hatten. Als sie mich immer mehr ins Rampenlicht gezogen hat und ich als Kindermodel und Sänger bekannt wurde, hatten wir wohl einfach keine Zeit mehr dafür. Irgendwie schade," plaudere ich beiläufig vor mich hin, während wir an einem besonders schönen Teich mit hohem Schilfgras und großen Seerosenblättern vorbeikommen. Im Wasser ziehen junge Koi-Fische ihre Kreise. „Irgendwann war einfach Schluss mit Spielen, Freizeit und Kind sein. Von da an gab es nur noch die Musik. Ich hatte nicht einmal Zeit, die Schule zu besuchen. Ich musste zuhause unterrichtet werden, stell dir das mal vor!"

„Das klingt irgendwie scheiße," grummelt Yeon und ich stutze über seine überraschend empathische Antwort. Ich lache kurz über die erfrischend direkte Art, die ich in meinem Umfeld so vermisse, und meine dann:

From Guardian to Lover -  A Korean LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt