Kapitel 12

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Zögerlich kommt Yeon in mein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Vorsichtshalber drehe ich den Schlüssel im Schloss um, meine Mutter könnte jeden Augenblick auftauchen, wenn sie sieht, dass Yeon nicht mehr vor der Tür steht.

„Bitte nimm Platz," sage ich und biete ihm mit einer Handbewegung meinen Sessel neben dem bodentiefen Fenster an. Yeon bleibt aber stehen und innerlich seufze ich über seine übertriebene Sturheit. Ich setze mich auf die Bettkante und knete nachdenklich die Hände. Auch wenn ich etwas geschlafen hatte und runterkommen konnte, lässt mich der Vorfall im Park nicht los.

„Ich habe Angst, dass die Aktion im Park etwas zu bedeuten hat. Das war nicht normal. Ich war Undercover unterwegs, eigentlich hätte mich niemand erkennen dürfen, zumal war im Park nichts los. Niemand war da, der mich hätte sehen können. Und dann waren es auch noch so viele Fans auf einmal. Das war wirklich seltsam."

Zu meiner Überraschung nickt Yeon zustimmend, was mich tatsächlich etwas erleichtert. Dann habe ich es mir also nicht eingebildet. Nun nimmt der Schwarzhaarige doch auf dem Sessel Platz, aber lehnt sich nicht zurück, sondern stützt seine Arme auf den Knien ab und verschränkt die Finger ineinander. Sein Gesicht ist finster und mehr als ernst, was mich sofort wieder beunruhigt.

„Das Gleiche habe ich mir auch gedacht. Ich wollte es nur nicht nach deiner ...Panikattacke ansprechen."
Beschämt blicke ich zu Boden und drücke meine Hand mit der anderen so fest, dass meine Knochen knacken und es schmerzt.

„Was das angeht, musst du dir keine Sorgen machen. Das habe ich halt manchmal, wenn mich bestimmte Situationen überfordern. Du hast völlig richtig gehandelt, es war also nicht deine Schuld. Auch wenn die Umarmung nicht nötig gewesen wäre." Schnell setze ich ein Grinsen auf, um meine Unsicherheit zu verschleiern, aber für den Bruchteil einer Sekunde kann ich in Yeons Gesicht sehen, dass es ihm genauso unangenehm war wie mir. Dann schaut er mich wieder grimmig an und ich seufze innerlich. Einen Moment lang schweigen wir und lassen uns alles noch einmal durch den Kopf gehen.

„Ist so etwas wie heute schon einmal vorgefallen? Die Situation im Park meine ich," fragt Yeon dann und ich muss angestrengt nachdenken.

„Ja, ich glaube schon," antworte ich dann unsicher, „damals vor einigen Jahren, bevor das mit dem Stalker richtig losging. Aber damals hat das keiner mit ihm in Verbindung gebracht."

Aus irgendeinem Grund scheint Yeon zu zögern, dann fragt er rund heraus:

„Kannst du dir vorstellen, dass der Stalker von damals oder ein anderer etwas damit zu tun haben könnte? Dass jemand dich heute vielleicht beschattet hat und deinen Standort verraten hat, um die Fans auf dich zu hetzen?"

„Ich weiß nicht, warum jemand so etwas tun sollte. Ein Stalker will sein Opfer doch eher für sich allein, statt ihn mit anderen zu teilen, oder nicht? Er würde keine ganze Meute auf einen hetzen."

Yeon zuckt mit den Achseln und atmetschwer durch.

„Manche Leute sind so bescheuert und machen so etwas. Sie würden alles tun für ein bisschen Aufmerksamkeit. Vielleicht ist dein Stalker von damals wegen irgendetwas verärgert und will es dir jetzt heimzahlen, indem er dir deine eigenen Fans aufhetzt. Was hat der Stalker damals eigentlich getan?"

Mir ist nicht ganz wohl bei dem Thema, weil damals einiges vorgefallen ist, vor allem auch zwischen mir und meiner Mutter, aber ich weiß, dass ich Yeon solche Informationen nicht mehr vorenthalten sollte. Ich seufze und ziehe die Beine an mich heran, um mich im Schneidersitz aufs Bett zu setzen. Er blickt mich abwartend und geduldig an.

„Es war eigentlich nichts wildes, so empfinde ich es zumindest heute. Damals hat er mir schon sehr Angst eingejagt. Ich glaube, er war ein Fan wie viele andere auch, er hat mir Fanbriefe geschrieben. Nichts schlimmes, er schrieb, was viele andere Fans auch schreiben: dass er mich toll findet, meine Musik und meine Schauspielarbeit und dass er mich vergöttert. Er bat auch mehrmals um eine Brieffreundschaft, aber ich lehnte immer wieder höflich ab. Meine Mutter verbat es. Dann irgendwann durfte ich ihm gar nicht mehr schreiben und ich ignorierte seine Post. Irgendwann wurde er in den Briefen wütend und drohte, mich persönlich aufzusuchen, wenn ich ihm nicht antworte. Eines Tages erschien eine dunkle Gestalt immer wieder vor unserem Haus. Die Briefe kamen weiter, in denen er mir haargenau erzählen konnte, was ich die letzten Tage so getrieben hatte. Er konnte mir teilweise sogar sagen, wann ich nachts auf Klo gegangen bin. Die Briefe hatten zu dem Zeitpunkt auch keine Briefmarken mehr, er musste sie also persönlich in unseren Briefkasten geworfen haben. Wir wendeten uns an die Polizei, aber die nahm die Sache nicht wirklich ernst, sagten uns, es gäbe keinen Handlungsbedarf, weil er nichts verbotenes tat. An der Stelle hätten wir einen Bodyguard holen müssen, aber meine Mutter traute niemandem mehr. Sie feuerte sogar einige unserer Angestellten, weil sie ihnen nicht mehr traute. Sie sperrte mich komplett weg, ich durfte nicht mehr aus dem Haus und wenn doch, begleitete sie mich. Irgendwann mussten wir feststellen, dass jemand regelmäßig in unser Haus einstieg oder sich auf dem Grundstück aufhielt. Daraufhin sind wir hier in die Villa gezogen mit der hohen Mauer und all den Sicherheitsvorkehrungen. Erst, als die Drohbriefe kamen und er mir einen toten Vogel schickte und mich mit ihm verglich, nahm die Polizei die Sache ernst und begann zu ermitteln. Aber das Ganze verlief sich im Sand, weil der Stalker nicht mehr auftauchte und man niemanden finden konnte. Die Polizei behielt das Anwesen eine Weile danach noch im Auge, aber der Stalker kam nicht wieder. Er war einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt. Ich meine, ich finde es natürlich gut, aber meine Mutter hat die ganze Sache völlig verstört und jetzt traut sie eigentlich keinem mehr."

From Guardian to Lover -  A Korean LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt