Kapitel 44

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Am frühen, nächsten Morgen klingelt mein Handy. Ich weiß auch nicht, wieso, aber es klingt irgendwie sehr dringend, also drehe ich mich auf die Seite, nehme es auf, wische nach rechts und halte es mir ans Ohr, ohne aufs Display zu schauen. Ich lasse mich müde in die Kissen zurückfallen.
„Warst du gestern Abend noch in meiner Wohnung?!"
„Was?" frage ich schlaftrunken und runzle die Stirn. Welcher Kackvogel ruft um diese Uhrzeit an? Ich blinzle auf mein grelles Display und lese Sumis Namen.
„Bist du gestern Abend doch noch vorbeigekommen und warst in meiner Wohnung? Mein Kühlschrank ist geplündert!" fährt mich der Popstar hysterisch an. „Und meine Couch ist auch unordentlich!"
„Du hattest bestimmt nur einen nächtlichen Fressanfall," gähne ich müde und reibe mir das Auge. Was will er von mir?
„Das ist nicht lustig! Ich habe seit gestern Mittag nichts mehr angerührt!" keift Sumi sauer.
„Ich war aber nicht bei dir," grummle ich, „Ich kreuze nicht einfach so bei dir auf. Außerdem habe ich deinen Schlosscode nicht." Sumi schnappt nach Luft. „Und zudem hast du mir zu verstehen gegeben, dass du allein sein willst."
Langsam bin ich genervt von diesem unnützen Gespräch. Nicht nur, weil es noch verdammt früh ist, sondern auch, weil Sumi mich mit seiner Art gerade ziemlich abfuckt!
„Ich weiß also nicht, was zum Fick du von mir willst!" blaffe ich ihn an und werde langsam wach und wütend.
„Sag doch einfach die Wahrheit und gib es schon zu! Ich weiß nicht, wer sonst in meiner Wohnung war!" höre ich Sumi am anderen Ende der Leitung keifen und schnauben.
Nun setze ich mich doch hellhörig auf und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Was zum Geier?
„Hast du denn das Gefühl, es war jemand da?"
„Das habe ich doch bereits gesagt! Irgendwer war an meinem Kühlschrank!" Ich höre es rascheln und Sumis Schritte, er läuft wild durch die Wohnung. „Ich bin mir ziemlich sicher. Es wirkt, als habe sich jemand etwas zu essen gemacht und es dann auf der Couch gegessen. Alles ist voller Krümel," meint Sumi, nur noch halb so wütend, sondern eher besorgt. Sofort bin ich hellwach und springe aus dem Bett.
„Lass alles so, wie es ist. Ich bin gleich da!"


Keine halbe Stunde später stehe ich vor Sumis Wohnungstür und klingle Sturm. Sumi macht die Tür auf und für einen kurzen Moment wird mir komisch, als ich ihn sehe. Irgendwie eine Mischung aus Wut, verletztem Stolz und Sehnsucht. Er lässt mich rein, ich ziehe die Schuhe aus, wie es sich gehört und zusammen gehen wir ins offene Wohnzimmer mit der großzügigen Küche.
„Irgendjemand hat sich an meinem Kühlschrank zu schaffen gemacht und hat meine Couch völlig chaotisch hinterlassen," wiederholt sich Sumi, während ich mich aufmerksam umblicke.

Ich schaue mir die Küche an und kann auf Anhieb sehen, was er meint. Es sieht fast so aus, als habe jemand gekocht und danach nicht ordentlich sauber gemacht. Die Couch ist für Sumis reinliche Verhältnisse wirklich unordentlich. Die Decke ist zerknüllt, die Kissen liegen kreuz und quer und auf dem Polster liegen jede Menge Krümel. Ein Soßenfleck auf dem Teppich fällt mir auch auf, aber ich sage lieber nichts, bevor Sumi noch einen Anfall kriegt.
„Hat irgendjemand deinen Schlüsselcode?" frage ich dann und drehe mich zu Sumi um. Der schüttelt den Kopf und verneint.
„Kam dir sonst irgendetwas komisch vor in letzter Zeit?" frage ich und gehe zur Balkontür, um von da hinunter auf die Straße zu sehen.
„Hm," macht Sumi und ich werde hellhörig, „wenn du so fragst. Ich habe vor einiger Zeit, als ich noch bei dir gewohnt habe, einmal gedacht, jemanden klopfen gehört zu haben. Das war abends, als du unterwegs warst, meine ich. Und in der ersten Nacht in dieser Wohnung habe ich es auch gehört. Das war, bevor du ..."
Er zögert und ich weiß, welche Situation er meint. Als er mich fragte, ob ich bei ihm im Bett schlafen möchte. Mein Herz zieht sich zusammen bei dem Gedanken. „Auch da habe ich gedacht, ich hätte es mir nur eingebildet."

Irgendwie bekomme ich bei der Vorstellung, jemand Fremdes könnte einfach so an meiner oder Sumis Wohnungstür geklopft haben und das mitten in der Nacht, eine dicke Gänsehaut.
„Und wieso erzählst du mir das erst jetzt?"
„Ich habe wie gesagt gedacht, ich hätte es mir nur eingebildet!" mault Sumi vorwurfsvoll. „Was hat das zu bedeuten, Yeon?"
Ich seufze und fasse mir an den Nasenrücken. Ich kann ihm wirklich keinen Vorwurf machen, weil ich auch etwas unachtsam war.
„Zu meiner Schande habe ich auch etwas ignoriert und unerwähnt gelassen. In der Nacht nach der Party, bin ich raus eine rauchen gegangen und vom Balkon aus habe ich eine Gestalt unten auf der Straße stehen sehen. Irgendwie kam es mir so vor, als würde sie mich beobachten. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht, es hätte ein einfacher Passant sein können. Aber ...mit deinen Infos glaube ich, dass du es wieder mit einem Stalker zu tun haben könntest."

Sumi schlägt sich die Hand vor den Mund und starrt mich kurz mit weit aufgerissenen Augen an, bevor er Platz auf einem der Barhocker an der hohen Küchenzeile sucht. Er wirkt fassungslos und zeitgleich sehr verängstigt, ich mag mir gar nicht ausmalen, was das für alte Erinnerungen in ihm hervorruft. Sein Gesicht hat jegliche Farbe verloren und ich habe Angst, er könnte gleich wieder in Panik verfallen.
„Wir müssen jetzt erstmal Ruhe bewahren und die Sache im Auge behalten," sage ich ruhig und hoffe, ihm genug Sicherheit und Souveränität suggerieren zu können. „Es sind bislang nur Vermutungen."
Sumi fasst sich immer noch fassungslos an den Kopf.
„Was sollen wir denn machen?"
„Wir informieren am Besten die Polizei. Die ..."
„Auf gar keinen Fall!! Das kommt nicht in Frage! Die tragen alles nur an die Öffentlichkeit und das führt zu noch mehr Medienrummel! Das wären ja schöne Schlagzeilen! Nein!" ruft Sumi aufgebracht und wirft die Hände in die Luft.
„Du solltest die Polizei aber zumindest darüber informieren, damit sie den Fall schon mal aufnehmen können. So werden sie vielleicht auch schneller reagieren, wenn wirklich etwas passieren sollte. Sie werden regelmäßig Streifenwagen vorbeischicken oder ähnliche Vorkehrungen treffen. Dein Leben sollte dir mehr wert sein als deine Karriere. Damit ist nicht zu spaßen! Außerdem kann die Polizei sehr wohl diskret sein."
„Ich habe Nein gesagt!" schreit mich Sumi an und springt vom Hocker auf. „Ich möchte das nicht! Außerdem sagtest du gerade noch, wir sollen die Ruhe bewahren und es im Auge behalten! Also wieso schon die Polizei informieren, wenn noch gar nichts passiert ist?"

Dass jemand bereits vor dem Haus stand und vor unseren Wohnungstüren reicht ihm wohl nicht als Grund. Ich starre ihn einen Moment finster an, in meinem Kopf rattert es und ich überlege, was wir noch tun könnten.
„Die zweite Option wird dir noch weniger gefallen," raune ich gereizt und verschränke die Arme vor der Brust, „aber dann werde ich ab jetzt rund um die Uhr bei dir bleiben und dir nicht mehr von der Seite weichen."
Erst blinzelt mich Sumi verdutzt an, dann scheint er zu verstehen und wirkt nicht sonderlich erfreut darüber. Das verletzt und verärgert mich irgendwie, aber ich bleibe professionell und lasse mir nichts anmerken. Doch zu meiner Überraschung sagt Sumi etwas Vernünftiges.
„Ja, in Ordnung. Dann bleib hier. Ich bezahle dich ja immerhin als Bodyguard."
„Hast du heute noch Termine?" frage ich, seinen schnippischen Unterton ignorierend.
„Ich wollte mich eigentlich mit Saejin in einem kleinen Café treffen, aber das kann ich auch absagen," meint Sumi und scheint sich etwas beruhigt zu haben. Sofort schüttle ich den Kopf bei seiner Antwort.
„Du solltest den Termin wahrnehmen und erstmal so tun, als wüsstest du von nichts. Wenn der Stalker denkt, dass du ahnungslos bist, wird er vielleicht irgendwann unvorsichtig und sucht deine Nähe, vielleicht macht er auch einen Fehler. Wir sollten so viele Beweise wie möglich sammeln."
Sumi nickt und seufzt schwer und fährt sich mit den Händen durchs Gesicht. Plötzlich wirkt er ganz klein und hundemüde.

„Schöne Scheiße!" flucht er laut und wäre die Situation nicht so ernst, hätte ich es lustig gefunden. Ich habe ihn noch nie fluchen gehört. „Ausgerechnet jetzt, wo es wieder etwas besser läuft."
„Was meinst du?"
„Saejin hat bereits gute Arbeit geleistet und ein paar Produzenten für mich herausgesucht, die in Frage kommen könnten. Wir wollen das erst einmal durchsprechen, bevor wir jemanden kontaktieren."
„Und was ist mit deinem jetzigen Produzent?" frage ich skeptisch und ziehe eine Augenbraue in die Höhe. Irgendwie habe ich dabei kein gutes Gefühl. Für einen Augenblick wirkt Sumi seltsam ertappt.
„Um den kümmere ich mich, wenn ich einen neuen gefunden habe," mault er nur und weicht meinem Blick aus, wie ein bockiges Kind. Ich finde Sumis Vorgehensweise nicht gerade die feine Art und es ist auch nicht richtig, den Produzenten in Unwissenheit zu lassen und ihn dann vor vollendete Tatsachen zu stellen. Außerdem wird Sumi irgendwann mal einen Vertrag unterschrieben haben, in dem etwas für solche Fälle vermerkt ist. Bereits jetzt ahne ich, dass das noch Ärger mit sich bringen wird.
„Du musst selbst wissen, was du machst," meine ich dann nur. Ich sehe, wie Sumi arrogant die Nase rümpft und das lässt meinen Puls in die Höhe schnellen, aber er hält die Klappe und sagt nichts mehr dazu. Besser ist das für ihn!


From Guardian to Lover -  A Korean LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt