YEON
Nach der nervigen Anprobe beim Herrenausstatter sitzen wir in einem kleinen, typisch koreanischen Restaurant und warten auf unser Essen. Zu unserem Glück ist gerade nichts los und wir haben unsere Ruhe. Jetzt wieder irgendeine Fanattacke könnte ich gar nicht gebrauchen. Im Spiegel an der Wand mir gegenüber sehe ich, dass ich eine ziemlich schlecht gelaunte Miene ziehe. Berechtigterweise, denn die Anzuganprobe war nervtötend und Sumi ging mir ordentlich auf den Sack mit seiner pingeligen Art. Kein Anzug war ihm gut genug und es wundert mich, dass wir überhaupt welche gefunden haben. Zudem hat mir Sumi's Blick in diesem einen komischen Moment nicht gepasst, als er mich so angestarrt hatte. Was sollte das werden? Hatte er mich etwa abgecheckt? Ich werde aus ihm einfach nicht schlau.
Jetzt sitzt er mir gegenüber und grinst mich breit an. Offenbar amüsiert es ihn, dass ich trotz meiner anfänglichen Einwände wieder am Tisch sitze und mit ihm essen werde. Wir bekommen unsere Getränke gebracht und Sumi lehnt sich im Stuhl zurück, die Arme vor der Brust verschränkt und seine blau-grünen Augen musternd auf mich gerichtet. Fragend ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe, woraufhin Sumi den Kopf schüttelt und wegschaut, als würde er einen Gedanken verwerfen. Was sollen diese Psycho-Spielchen? Trotzdem stört es mich, nicht zu wissen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Ich mag es nicht, wenn jemand kein Tacheles redet.
„Bei der Spendengala morgen Abend erwarte ich ein makelloses Auftreten und Benehmen von dir."
„Ich von dir auch."
„E-Es werden einige berühmte Persönlichkeiten dort sein, unter anderem auch einige Musikkollegen und Produzenten," stammelt der blonde Popstar, weil ihn mein Kommentar durcheinander bringt.
Wieso ist es ihm so wichtig, dass andere Produzenten anwesend sind? Steht er nicht bereits bei einem Musikproduzenten unter Vertrag?„Das ist nicht meine erste Gala, Sumi," raune ich gereizt. Er kann doch nicht im Ernst glauben, dass ich ein blutiger Anfänger bin.
„Ach ja?" macht er und blickt mich mit einem neugierigen Blick an. Wird er jemals nicht neugierig sein? Ich seufze schwer. Kleine Nervensäge.
„Ob du's glaubst oder nicht, aber ich war schon auf der ein oder anderen Gala und habe so manche bekannte Persönlichkeiten begleitet."
„Und wer?"
„Politiker oder Personen aus dem Showbusiness. Eben solche, die auf so Events bisschen was hermachen wollen." Sumi's Augen funkeln und ich kann mir vorstellen, dass er sich gerade ausmalt, wer alles morgen Abend kommen wird.
„Das ist meine erste Gala," meint Sumi dann und das Funkeln in seinen Augen macht Besorgnis Platz. „Ich weiß gar nicht, wie so etwas abläuft."
„Mach dir da mal keine Gedanken. Da passiert nicht viel. Es wird viel gegessen und getrunken, vielleicht wird auch etwas versteigert und der gesamte Erlös geht an irgendeine bescheuerte Stiftung oder so," sage ich salopp daher.
„Das ist keine bescheuerte Stiftung! Das Geld wird an ein Kinderhospiz gespendet!" mault Sumi und sofort bereue ich meine Aussage.
„Jedenfalls geht es bei so was mehr ums Sehen und Gesehen werden, darum, neue Kontakte zu knüpfen und anderen in den Arsch zu kriechen. Unter all den Schnöseln dürftest du dich ja sehr wohlfühlen."
Doch statt wegen meines ziemlich kindischen Kommentars beleidigt zu sein, lächelt Sumi mich dankbar an, dann wendet er seinen Blick schnell ab und tut so, als würden ihn die hereinkommenden Gäste ablenken. Ist er dankbar, dass ich ihn beruhigen wollte? Aus irgendeinem Grund macht mein Herz einen kurzen Satz, als ich dieses Lächeln sehe, doch ich kann mich schnell wieder fangen und wende meinen Blick ebenfalls ab. Was soll der Mist?
Am Abend wälze ich mich unruhig im Bett herum und kriege beinahe die Krise! Andauernd kommt mir Sumi's bescheuertes Lächeln in den Sinn.
„Verdammte Kacke!" fluche ich laut, als mein Herz bei diesem Gedanken wieder schneller schlägt und haue mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Schon besser. Ich darf nicht weiter an ihn denken, das ist doch Schwachsinn!
Mein Handy vibriert und ich schaue aufs Display. Sumi schreibt:
-Ich bin schon ganz gespannt auf morgen und freue mich!-
Nun kriege ich endgültig einen Rappel, als mein Herz aus dem Takt hüpft und ich hätte mein Handy beinahe gegen die Wand gefeuert, um ihm nicht antworten zu müssen. Doch statt meinem ersten Impuls nachzugeben, breche ich die Aktion ab, senke das Handy in meiner Hand und halte kurz inne. Bin ich jetzt total bescheuert? Lasse ich mich ernsthaft von einem verzogenen Kleinkind so durcheinander bringen? Das sieht mir gar nicht ähnlich und nun verfluche ich mich wieder selbst. Schöne Scheiße, so weit kommt's noch!
-Es wird schon alles gutgehen (Daumen hoch-
Sofort sehe ich, dass Sumi eine Antwort tippt.
-Ich bin froh, dass du dabei sein wirst. Du kannst mich sicher ein wenig führen mit deinen Gala-'Erfahrungen' ( ̄y▽, ̄)╭
Unweigerlich muss ich über diese freche Antwort schmunzeln und schreibe zurück:
-Immerhin habe ich einiges an Erfahrungen (¬‿¬)
Daraufhin bekomme ich nur jede Menge Lachsmileys geschickt, die ich unkommentiert lasse und lege mein Handy wieder weg. Zu gerne würde ich mir einreden, dass Sumi gerade nur so nett ist, um sich bei mir einzuschleimen, damit ich nicht mehr so gemein zu ihm bin oder was auch immer. Aber dieser Versuch scheitert kläglich, denn mein Gefühl sagt mir, dass er es ernst gemeint hat. Dass dieses ständige arrogante, selbstgefällige Gehabe nur eine Maske ist, um sich selbst zu schützen. Auch wenn ich inzwischen dahinter geblickt habe und dieses Verhalten seinem komischen Elternhaus und seinem großen Erfolg als K-Popstar zuschreibe, macht es mich dennoch jedes Mal wahnsinnig.
SUMI
Als ich die Lachsmileys abschicke und noch lange auf eine Antwort warte, lege ich letztendlich das Handy weg und drehe mich im Bett auf die Seite. Plötzlich erwische ich mich dabei, wie ich breit grinse bei dem Gedanken an diesen kurzen, aber aufheiternden Chat. Schnell schüttel ich den Kopf und versuche, an etwas anderes zu denken, während ich mich wieder auf den Rücken drehe und meine dunkle Zimmerdecke anstarre. Das Licht einer entfernten Straßenlaterne fällt durch das bodentiefe Fenster und strahlt auf meine Wände. Auch wenn meine Eltern gerade beide nicht im Haus sind – mein Vater ist eh nie da und meine Mutter ist mal wieder mit ihren Freundinnen unterwegs – und auch sonst kaum noch ein Angestellter im Haus wach ist, fühle ich mich das erste Mal seit Ewigkeiten nicht mehr so allein. Es tut gut zu wissen, dass jemand auf meine Nachrichten antwortet und dass ich mich auf ihn verlassen kann, wenn ich ihn brauche. Auch wenn es seine Arbeit ist. Plötzlich kann ich nicht mehr leugnen, dass ich mich in Yeon's Nähe deutlich wohler fühle als noch am Anfang und ich seine Anwesenheit und Arbeit sehr schätze. Er hat inzwischen mehrmals bewiesen, dass ich ihm vertrauen kann und schmerzlich muss ich mir selbst eingestehen, dass ich ihn völlig falsch eingeschätzt und zu Unrecht verurteilt habe. Vielleicht wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir miteinander warm werden, aber die Erkenntnis, dass er doch nicht so verkehrt ist wie ich dachte, macht die ganze Sache bestimmt etwas einfacher. Ich hoffe nur, dass er über mich genauso denkt.
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From Guardian to Lover - A Korean Lovestory
RomanceWährend Yeon sein Dasein als Gelegenheitsbodyguard mit einem ziemlich brutalen Ruf fristet, lebt Sumi als weltbekannter Kpop-Star und regelrechter Strahlemann ein Leben in übermäßigem Reichtum. Unterschiedlicher könnten die beiden also nicht sein. D...