Vier ereignislose Schulstunden später fand ich mich vor der größten und letzten Herausforderung des Tages wieder: doppelstunde Religion bei Herrn Meine.
Ich hatte Religion gewählt in der Hoffnung, dass es ein leichtes Fach sein würde was mir villeicht sogar gefallen könnte. Die Realität sah anders aus. Herr Meine trieb mich mit seiner abgeklärten Art regelrecht in den Wahnsinn, wir bekamen Berge von Hausaufgaben und zu allem Überfluss war auch noch Cecilia in meinem Kurs, deren Mutter eng mit Herr Meine befreundet war, sodass sie ständig Extrawürste bekam.
Natürlich kam ich zu spät.
In der Pause war ich auf Toilette gewesen um meinen Eyeliner nachzuzeichnen. Ich liebte dieses Intensive was die schwarze Umrandung meinen Augen verlieh. Dieses geheimnisvolle, ein wenig einschüchternde etwas. Toiletten in der Pause glichen allerdings einem Schlachtfeld und es war unmöglich da pünktlich zum Unterricht unbeschadet wieder rauszukommen.
Im Klassenraum war es still. Nur die gedämpfte Stimme des Lehrers war zu hören. Als ich vor der Tür stand, meine immer noch schmerzende Hand zum klopfen erhebend, spürte ich auf einmal den brennenden Wunsch umzudrehen und nach Hause zu gehen.
Hätte ich gewusst was ich mir damit alles erspart hätte, hätte ich's getan.
Jedoch den Nerven meiner Mutter zuliebe klopfte ich. Die Schule hatte ihr nämlich letzte Woche einen Brief zukommen lassen. Irgendwas von wegen würde ich weiterhin so fleißig unentschuldigte Fehlstunden sammeln würden sie mich noch vor Ende des Semesters von der Schule verweisen. Ich hatte grade so genug töchterliches Pflichtbewusstsein um das vermeiden zu wollen.
Das Geräusch von schlappenden Fußschritten ertönte. Herr Meine öffnete die Tür, ein fieses Lächeln im Gesicht.
,,Sieh an, sieh an." Sagte er und warf einen demonstrativen Blick auf seine teure Armbanduhr. ,,Sie sind elf Minuten zu spät, Fräulein Gonzalez."
,,Ja, scheint so."
Ich schob mich an ihm vorbei in den Klassenraum. Alle hockten auf ihren Plätzen und gafften mich an. Cecilia saß in der zweiten Reihe, ein spöttisches Lächeln auf den geglossten Lippen.
,,Nicht in diesem Ton!"
Herr Meine stellte sich grader hin, vermutlich in dem Versuch seine Autorität zu verstärken. ,,Wie wäre es mit einer Entschuldigung? Irgendeiner Art von Erklärung?",,Ich war auf Toilette." Murmelte ich. ,,Mädchenangelegenheiten, sie wissen schon." Unschuldig blinzelnd sah ich zu ihm auf.
Ein Muskel in seinem Gesicht zuckte. Die farblosen Lippen pressten sich aufeinander. Ich sah, dass er gereizt war, gegen diese Art von Entschuldigung konnte er allerdings nicht ankommen.
,,Dann lassen wir es heute nochmal gut sein. Aber seien sie das nächste Mal bitte pünktlich!"
,,Herbert- äh ich meine natürlich Herr Meine," meldete Cecilias honigsüße Stimme sich auf einmal zu Wort. ,,In der Privatschule meiner Schwester haben sie eine Regel, die besagt das jeder der zu spät kommt der Klasse ein Lied vorsingen muss. Villeicht könnten wir das auch einführen?"
Ein paar Leute johlten begeistert. Getuschel und begeisterte Rufe brachen aus. Cecilia lehnte sich süßlich lächelnd zurück und genoss die Wirkung, die ihr Vorschlag hatte.
,,Also ich weiß ja nicht..." meinte Herr Meine. Wenn er mit Cecilia redete nahm seine Stimme immer automatisch einen milden, beinahe väterlichen Ton an.
,,Es wäre doch sicherlich ganz toll für unser Gemeinschaftsgefühl, finden sie nicht?!" Bohrte sie weiter.
,,Sin-gen! Sin-gen!" Riefen einige Jungs und hauten dazu auf die Tische. Cecis Lächeln wurde noch breiter.
DU LIEST GERADE
Schule der Alpträume
Teen FictionDie 16- jährige Ifa ist ein Problemkind. Laut, handgreiflich, unberechenbar. Als eine Situation eskaliert und Ifa vor Gericht muss, schickt ihre Mutter sie auf die St. Pauls Ganztagsschule für schwer erziehbare Jugendliche. Ifa hätte fast den Fehler...