Die Doppelstunde verging ereignislos, mit langen Reden darüber was für schlechte Menschen wir alle waren, das es unsere eigene Schuld war hier gelandet zu sein und das wir uns ändern mussten.
Nach dem Unterricht gab es einen vorgeschriebenen Zeitraum in dem wir in überwachten Räumen lernten und unsere Hausaufgaben machten. Einzig die SE's waren davon freigestellt, was ich als himmelsschreiende Ungerechtigkeit befand, aber niemand sonst schien das so zu sehen.
Ich versuchte mich an den Mathehausaufgaben und scheiterte grandios, hatte aber das Glück sie heimlich von meiner Sitznachbarin abschreiben zu können. Dann strich ich alle Füllwörter aus meinem Text für Deutsch und schrieb ihn nochmal ordentlich ab, wie es mir aufgetragen worden war, da ich laut der Lehrerin eine "Sauklaue" hatte. Anschließend grübelte ich den Rest der Zeit über meine Religionshausaufgabe, (wir sollten uns Gedanken darüber machen was wir an uns ändern mussten um gute Menschen zu werden,) und zuckte jedesmal zusammen wenn mein laut knurrender Magen die Stille durchbrach.
Endlich war auch das vorbei. Und noch besser: Es war Zeit zum Abendessen!
Doch als ich den anderen in den Speisesaal folgen wollte, schob sich mir eine Gestalt in den Weg. Ein Geruch von einem schlichten, männlichen Parfüm stieg mir in die Nase. Ich sah auf.
,,'allo, Ifa." Sagte Jean-Luca und schenkte mir sein schönstes Gentleman-Grinsen. Mit Grübchen und blitzenden Augen inklusive.
,,Hi." Machte ich und versuchte nicht Oberkörper zu starren.
Mir war erst heute im Lauf des Tages aufgefallen, das die SE's Uniformen trugen. Die Mädchen eine weiße Bluse mit einem schwarzen Rock und Strumpfhose, die Jungen ein Hemd und eine Anzugshose in denselben Farben. Zumindestens Jean-Luca sah umwerfend darin aus. Das weiße Hemd schmiegte sich perfekt an seine Schultern und die SE - Plakette auf seiner Brust glänzte mit seinen seidig braunen Haaren um die Wette. Der französische Akzent rundete das volkommene Bild von Schönheit, Eleganz und Mode noch ab. Er war wie aus einem Modelmagazin entsprungen.
Aber all das änderte natürlich nichts daran, dass ich sauer auf ihn war!
,,Du hast in deiner Rede über diese Schule ein paar Sachen vergessen, Jean-Luca!" Fauchte ich.
Er lächelte. ,,'ab isch das? Bitte vergib mir. Wie kommst du bis jetzt zurecht, Ifa? Isch 'abe gehört du 'ast meinen Kollegen leider ein Bisschen Ärger gemacht?"
Ungläubig starrte ich ihn an. ,,Ist das grad dein Ernst?"
Er runzelte die Stirn. ,,Was meinst du?"
,,Du weißt genau was ich verdammt nochmal meine!" Rief ich. ,,Du hast gesagt es gäbe Grenzen! Das die SE's nicht alles machen dürfen, aber das stimmt nicht! Mir wurden meine Sachen weggenommen, ich darf nicht zu den Mahlzeiten, diese Rosa hat mich geschlagen und Johann hat mich überall angefasst! Es ist furchtbar hier!" Ich war kurz davor aus Wut zu weinen. ,,Wie konntest du mir das antun? Wie konntest du mich und meine Mutter einfach so anlügen?"
Da! Ein Glimmen trat in seine Augen und für einen Moment verschwand der freundlich - unbeteiligte Ausdruck in seinem Gesicht. Dann war er wieder da.
,,Isch glaube, Ifa," sagte er, mir sanft eine Hand auf die Schulter legend, ,,Du bist sehr erschöpft. Kein Wunder! Der erste Tag auf einer neuen Schule ist anstrengend. Du solltest in dein Zimmer gehen und disch ausru'en. Gute Nacht."
Ich wollte protestieren. Ich wollte ihm sagen, das er mich zum Abendessen lassen sollte. Doch seine Hand schob mich sanft aber bestimmt richtung Tür und sein hellgrüner Blick brannte sich in meinen. Ich dachte an Johanns Worte als ich ihn nach Camie und Jean-Luca gefragt hatte. Gib es auf. Sie können dir nicht helfen.
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Schule der Alpträume
Teen FictionDie 16- jährige Ifa ist ein Problemkind. Laut, handgreiflich, unberechenbar. Als eine Situation eskaliert und Ifa vor Gericht muss, schickt ihre Mutter sie auf die St. Pauls Ganztagsschule für schwer erziehbare Jugendliche. Ifa hätte fast den Fehler...