40.Kapitel

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,,Ren?"

Ich drückte die Türklinke herunter und entdeckte Ren bei der Arbeit, wie er sich mit seinem Nadelgerät über den Arm eines blonden Jungen beugte.

,,Uhhh, er blutet." Bemerkte ich schaudernd.

Ren griff, ohne aufzusehen, nach einem herumliegenden Taschentuch und wischte die blutenden Stellen ab. ,,Das ist normal."

,,Wenn du das sagst."

Ich durchquerte den Raum und setzte mich auf Rens Bett. Sein Zimmer war unordentlicher als sonst. Schulhefte, Klamotten und vorallem Zeichnungen lagen überall. Den angeschwollenen und geröteten Arm des blonden Jungen ignorierend, sah ich Ren bei der Arbeit zu. Er stoch einen Tiger oder Panther oder sowas. Unwillkürlich musste ich seine ruhigen und sicheren Handgriffe bewundern.

,,Okay, fertig." Sagte er schließlich und legte das grauenhafte Nadelgerät beiseite. Der Junge seufzte erleichtert auf. Er war ganz schön blass um die Nase.

,,In ein paar Tagen sollte es abgeschwollen sein. Wenn nicht kommst du zu mir, dann ist es vielleicht entzündet."
Ren wickelte den Arm des Jungen in Folie und sah aus ernsten dunklen Augen zu ihm auf. ,,Ansonsten die nächsten Tage keinen Sport machen, nicht antatschen und die Haut einfach abheilen lassen."

,,Okay." Machte der Junge. ,,Mach's gut."

,,Tschau."
Ren kassierte ein paar Geldscheine, drückte dem Jungen noch irgendeine Creme in die Hand und schickte ihn aus dem Raum.

Wir schwiegen während er aufräumte und die Arbeitsfläche desinfizierte. Ich erkannte an seinem angespannten Kiefer und der Art wie er meinem Blick auswich, dass ihn unser Gespräch über Camie noch immer beschäftigte. Mich auch, obwohl ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.

Es war nicht so als hätte ich ihn die letzten Tage gar nicht gesehen, aber viel Zeit miteinander hatten wir auch nicht grade verbracht. Ich war mit Rikki beschäftigt gewesen und mit Hausaufgaben machen und mit SE's aus dem Weg gehen. Wenn ich keine dieser drei Sachen tat grübelte ich über Hannahs Tod nach.

Das Ren mir nicht früher von dem was-auch-immer bei ihrer Autopsie nachgewiesen worden war, erzählt hatte, verletzte mich mehr als ich mir eingestehen wollte. Die Sache mit Hannah war mir nahe gegangen und ich hatte ihn gebeten mir alles zu sagen was er darüber wusste. Alles. Und er hatte mir etwas Grundlegenes verschwiegen. Genauso wie übrigens die Tatsache, dass er mit Drogen dealte.

Ich knirschte mit den Zähnen.

Klar, ich mochte ein kleines Raucherproblem haben und funktionierte nicht ohne Koffein, aber im Allgemeinen hielt ich mich von Drogen fern. Ich war in meinem Leben an genug obdachlosen Junkies vorbeigegangen, hatte in der Schule genug abschreckende Vorträge über mich ergehen lassen, um zu wissen das sowas kein Spaß war. Das Ren Dutzende von Minderjährige mit Suchtmitteln versorgte weckte in mir den Instinkt zu gehen und nie wieder mit ihm abzuhängen. Mit Drogen, der Realität von ihnen, wollte ich nichts zu tun haben. Andererseits war Ren immer noch derselbe: zurückgelehnt, gutmütig, ernst aber auch humorvoll, alles in allem ein prima Freund. Konnte ich da über ein bisschen Gedeale nicht hinwegsehen?

Ich seufzte. Am Liebsten wäre mir wenn zwischen uns einfach alles wieder so wie vorher sein könnte.

Ren stellte das Desinfektionsmittel beiseite und ließ sich mir gegenüber auf einen Stuhl fallen. ,,Na, was gibt's Neues?"

Ich runzelte die Stirn. ,,Wann hast du dir die Haare abgeschnitten?"

Die weißen Spitzen seiner Igelmähne waren verschwunden. Zurück blieb nur noch der dunkle Naturhaar Part. Kürzer an den Seiten, länger am Oberkopf.

Schule der AlpträumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt