20.Kapitel

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Freitag. Biologie. Doppelstunde. Die erste Doppelstunde des Tages und schon jetzt war ich völlig am Ende.

Es war nicht nur der Unterricht und der harte Schulalltag der mir so zusetzte sondern vorallem der Hunger.

Gestern hätte ich eigentlich um drei Uhr nachts Mathe Unterricht gehabt. Nachtunterricht war irgendeine blödsinnige neue Erfindung für die Oberstufler, die sie dieses Jahr ausprobierten. Die SE's hatten sich das einfallen lassen, angeblich um die Schüler disziplinierter zu machen, für mich war aber klar, dass es nur ein weiteres ihrer Machtspielchen war. Im Sinne von Ihr müsst lernen! Euer Schlaf, eure natürlichen Bedürfnisse interessieren keinen.

Klar also, dass ich bei dem Scheiß nicht mitmachte.

Davon abgesehen befand sich der einzige Wecker den ich besaß auf meinem Handy. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht zum Nachtunterricht auftauchen können. Stattdessen hatte ich um drei Uhr also so tief und fest geschlafen wie es auf meiner Rückenprobleme verursachenden Matratze möglich war.

Mein Schlaf hatte sich allerdings teuer bezahlt gemacht. Laut Rosa winkten mir weitere zwei Tage ohne Essen. Rikki hatte zwar wie immer heute morgen versucht mir etwas vom Frühstück mitzubringen, war aber erwischt worden. Sie hatte sich tausendmal entschuldigt und ich hatte ihr tausend Mal versichert, dass es nicht so schlimm war. Satt geworden war ich davon aber leider nicht.

Wie lange konnte ich wohl noch so weitermachen? Bei der Morgengymnastik oder schon bei etwas so simplem wie aufstehen wurde mir immer öfter schwarz vor Augen.

Musste es nicht irgendeinen Weg geben sich unbemerkt zur Essensausgabe zu schleichen? Villeicht würden sie mich nicht erkennen wenn ich mich verkleidete, eine Kapuze tief ins Gesicht zog, mir die Haare abschnitt, mit verstellter Stimme einen falschen Namen sagte...?

Jemand ließ sich auf den Platz neben mir fallen und unterbrach damit meine Gedanken. Die Person trug einen schwarzen Hoodie und hatte die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, als wolle er oder sie nach dem Unterricht noch schnell eine Bank überfallen gehen. Ich bemerkte, dass mein Sitznachbar weder die SE Uniform noch die Anstecknadel trug und wandte meine Aufmerksamkeit beruhigt wieder nach vorne. Solange es kein SE war, war mir jede Art von Banknachbar willkommen.

Herr Seilkopp erschien vorne hinter dem Lehrerpult, so plötzlich als wäre er teleportiert. Mit einem: Guten Morgen Kurs hielt er sich nicht auf. Stattdessen blaffte er:,,Wir werden heute mit Mikroskopen arbeiten und Zwiebelschalen untersuchen. Herr Koschewski, nehmen sie verdammt nochmal die Kapuze ab!"

Der Junge neben mir hob die Hand und strich langsam seine Kapuze in den Nacken. Erst jetzt sah ich, dass es sich um Ren handelte. Den Tätowierer. Meine Augen wurden groß. Er vergrub seine Finger in der Igelstachel-Mähne bestehend aus dunklen Längen und gebleichten Spitzen und nickte mir zu, während er es sich in seinem Stuhl bequem machte.

Ich nickte zurück. ,,Hallo. Du hier."

,,Ja, Ich hier."

,,Im Biounterricht. Ich dachte du tätowierst hauptberuflich."

Ich hatte beabsichtigt spöttisch zu klingen, hatte es aber eine Spur übertrieben. Mein Kommentar hatte fast schon herablassend geklungen. Mahnend biss ich mir auf die Unterlippe. Rikkis Gerede hatte es mehr als deutlich gemacht, dass Ren ein Typ war den man auf seiner Seite haben wollte.

Zum Glück schien er nicht verärgert. ,,Würd ich ja zu gerne, aber-" er machte eine Handbewegung als finge er das ganze Schulgebäude ein. ,,sie lassen mich nicht." Sein Ton war so nonchalant, dass ich lachen musste. Er lachte auch. Das Eis war gebrochen.

Herr Seilkopp kam zurück und verteilte Materialien und Arbeitsblätter. Er wies uns an, in Paaren zu arbeiten und die Zwiebeln so zu schneiden wie auf dem Arbeitsblatt erklärt, dann verschwand er wieder um die Mikroskope zu holen.

Schule der AlpträumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt