7.Kapitel

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Die Autofahrt nahm den größten Teil des Tages in Anspruch. Wir hielten ein paar Mal an verschiedenen Raststätten und aßen in einem Mcdonalds zu Mittag. Ansonsten fuhr meine Mutter was das Zeug hielt. Sie hatte ihr Handy mit dem Radio verbunden und wies mich an die Hits ihrer Jugend aufzulegen, bei denen sie dann so heftig mitsang, dass sie uns mehrmals fast in den Graben fuhr.

Es tat gut sie glücklich zu sehen.

Ich war still, in mich gekehrt, nachdenklich. Vermutlich war das die Aufregung.

Am späten Nachmittag erreichten wir unsere Unterkunft, ein hübsches Fachwerkhaus vor dem Hühner pickten. Die Besitzerin nahm uns freundlich, aber energisch in Empfang. Jetzt im Herbst und am Wochenende sei sie alles andere als gut bebucht, sagte sie. Wir seien praktisch die einzigen Gäste. Was uns denn in die Gegend führe?

,,Wir wollen uns morgen eine Schule hier in der Nähe angucken." Erklärte meine Mutter und drückte meine Schulter. ,,Die St. Pauls Ganztagsschule. Villeicht kennen sie sie?"

Ich wusste es zu schätzen, dass sie den Rest des Namens, nämlich den Teil mit den Problemjugendlichen, wegließ. Diese Frau musste ja nicht wissen, dass ich dazu neigte Autos zu zerdeppern.

Die Besitzerin stockte einen Moment. Ihre Bewegungen wurden eckig, ihr Blick wachsam.

,,Jaaa, ich kenne die St.Pauls." sagte sie langsam. Bedächtig. ,,Ein paar Nachbarn, Leute hier aus der Gegend, haben ihre Kinder da drauf geschickt. Nicht viele, aber es kommt immer mal wieder vor, wenn der Sohn oder die Tochter einem zu viel Ärger macht." Sie verstummte und wechselte dann das Thema. ,,Kommen'se mit, ich zeig ihnen ihr Zimmer!"

Wir bekamen ein Zimmer für uns alleine. Unterm Dach, mit zwei Hochbetten, einem Bad und einem hölzernen Balkon. Es war klein, aber wirklich hübsch. Wenn es nach mir gegangen wäre hätten wir dort den Tag gemütlich ausklingen lassen können, doch meine Mutter hatte andere Pläne.

,,Komm mit, mija! Wir gehen wandern!"

Sie zog sich um, band die schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und scheuchte mich die Treppe hinunter. Auf unserem Nachtisch hatte eine Karte gelegen, in der alle Wanderwege der Gegend eingezeichnet waren. Den einfachsten davon suchte sie aus und führte uns dorthin wo er begann. So sehr ich auch stöhnte und jammerte, es half nichts.

,,Ich habe nicht den ganzen Tag im Auto gesessen und bin bis in die Schweiz gefahren, nur um morgen die Schule zu sehen und dann wieder zu gehen, Ifa!" Erklärte sie streng und sagte, sie würde mich den Abhang runterschupsen wenn ich noch einmal den Mund aufmachte bevor wir oben waren.

Ich hielt den Mund und fügte mich meinem Schicksal. Schweigend traten wir den Aufstieg an.

Das Wetter hier war angenehm. Nicht allzu kalt, aber auch nicht zu warm, was das wandern etwas erträglicher machte. Die bunt-goldenen Blätter der Bäume waren eine Pracht und ein paar letzte Sonnenstrahlen schienen uns in die Gesichter. Hin und wieder kamen wir an einem Bach vorbei, der munter vor sich hin plätscherte. Ich hielt meine Hände in das eiskalte Wasser, lauschte den Vogelstimmen, hob Kastanien auf und freute mich jedesmal wenn ich ein Eichhörnchen in den Baumwipfeln entdeckte. Hatte ich ernsthaft im Zimmer bleiben wollen?!

Es war keine schwere Strecke, doch bis wir den Gipfel erreicht hatten war ich halb tot. Hechelnd leerte ich die Wasserflasche, die meine Mutter mir reichte.

,,Jetzt sind wir oben. Du darfst wieder reden." Erklärte sie mir verschmitzt. Ich nickte, hatte aber keinen Bedarf. Ein paar Minuten lang konzentrierte ich mich einfach darauf zu Atem zu kommen.

,,Ist das nicht schön?" Fragte meine Mutter gerührt. Ihre dunklen Augen glänzten, als sie näher an den Abhang trat und mit einer ausladenden Handbewegung auf die Aussicht deutete.

Schule der AlpträumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt