21.Kapitel

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Ich hatte eigentlich vorgehabt mir die Cracker einzuteilen, aber nachdem ich einen gegessen hatte konnte ich einfach nicht aufhören. Nach zwei Minuten war die Packung leer und ich fühlte mich gleich um einiges besser. Ich musste mich unbedingt beim Tätowierer bedanken wenn ich ihn das nächste Mal sah.

Etwas besser gelaunt saß ich meine restlichen Schulstunden ab und brachte sogar die Energie auf mich ein Bisschen mit einer Sitznachbarin zu unterhalten. Ihr Name war Chantal und sie war sechzehn Jahre alt und Mutter von einem zweijährigen Kind.

,,Chantal ist in Ordnung." Meinte Rikki als ich ihr später davon erzählte. ,,Redet selten über was anderes als ihren Sohn, aber is' ne Nette. Wenn du dich mit der anfreundest kannst du nichts falsch machen."

Ich zuckte mit den Schultern, in Gedanken schon völlig woanders. In ein paar Tagen war ich hier weg, wenn alles nach Plan lief, und die Zusammentreffen mit Rikki und dem Tätowierer hatten meinen persönlichen Vorrat an Freunden, beziehungsweise potenziellen Freunden, regelrecht durch die Decke schießen lassen. Wozu also noch weiter bemühen?!

,,Heute Nachmittag sind die SE's im Dorf. Wir haben sturmfrei. Hast du Bock, das wir uns auf's Dach schleichen?" Rikki sah mit ihren hellen Augen zu mir auf und lächelte spitzbübisch. ,,Ich weiß durch welches Fenster man klettern muss."

,,Es ist arschkalt." Gab ich zu bedenken.

Sie zuckte mit den Schultern. ,,Ich kann uns sicher irgendwo ne Decke besorgen. Aber hast du Lust?"

Hatte ich Lust? Eigentlich schon. Es gab nur ein Problem: je mehr Zeit ich mit Rikki verbrachte desto mehr würde sie mir fehlen sobald ich hier raus war. Desto mehr würde ich gezwungen sein daran zu denken wie wohl ihr Leben außerhalb dieser Institution weiter verlaufen würde.

Sobald ich hier rauskam würde es zurück nach Hause mit mir gehen. In die Wohnung von mir und meiner Mutter in einem ziemlich nichtssagenden grauen Häuserblock in der alles vertraut und gemütlich war und ich regelmäßige Mahlzeiten bekam. Ein Traum.

Ich hatte allerdings nur eine vage Vorstellung davon, was mit den anderen Schülern geschehen würde wenn die Polizei den Laden hier dichtmachte. Die meisten würden wohl zurückgeschickt werden, nach Deutschland, oder Österreich oder in die Schweiz. In instabile Elternhäuser wo es irgendwie an allem fehlte: Geld, Liebe, Verständnis. Oder in Rikkis Fall: zurück ins Kinderheim.

,,Mal gucken." Antwortete ich ausweichend. Rikki blickte enttäuscht drein aber nickte.

Ich konzentrierte mich auf etwas anderes. ,,Die SE's sind heute also im Dorf. Weißt du von wann bis wann ungefähr?"

Rikki beugte sich über ihren Aufsatz und unterstrich die Überschrift. ,,Von ungefähr jetzt bis spät abends. Bis wann sie halt wollen."

,,Erlauben das denn die Lehrer, dass die solange draußen bleiben?"

,,Klar. Die SE's dürfen doch eh alles." Ihre Stimme klang bitter.

Ich schüttelte missbilligend den Kopf. Diese Schule war wirklich zu komisch.

,,Dürfen andere Schüler auch ins Dorf?'' Fragte ich.

Sie nickte. ,,Ja, Samstags und Sonntags. Aber nur die die sich gut benommen haben und nur in kleinen Gruppen in Begleitung von mindestens einem SE, der genau aufpasst was die so machen."

Das ergab Sinn, musste ich zugeben. Sonst gäbe es sicher Schüler die versuchen würden abzuhauen oder Dorfbewohner um Hilfe zu bitten. Ich jedenfalls würde das probieren.

Beiläufig betrachtete ich meine Nägel. ,,Weißt du in welchem Zimmer Rosa schläft?"

Sie seufzte. ,,Was hast du vor? Nein, nein, beantworte das gar nicht erst, ich will's nicht wissen. Sei einfach vorsichtig!"

Schule der AlpträumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt